vi. female intuition

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"vive ut vivas"

Es sind bereits mehrere Tage vergangen in denen ich mit den anderen Mentoren von morgens bis abends in der Sponsorenlounge auf und ab gehe und versuche Sponsoren von meinen Tributen zu überzeugen.

"Darf ich es mal anfassen?" Das kleine Mädchen mit den rosanen, lockigen Haaren schaut fasziniert meine Schulter an und zeigt aufgeregt immer wieder mit ihrem kleinen Zeigefinger darauf. Ihre Mutter, ein Sponsor, schaut mich ebenfalls fragend an.

"Aber natürlich, Diana", antworte ich ihr und hocke mich auf den geheizten Fußboden, um ihr etwas näher zu kommen. Vorsichtig tippt sie auf die goldene Prothese und streicht danach mit der ganzen Hand darüber.

Ich versuche die Berührung genau zu analysieren, da ich immer noch nicht verstehe, wie ich unter dem Gold alles intensiver spüren kann und es trotzdem nicht schmerzempfindlicher ist als der Rest von mir.

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass mir im Kapitol große Bewunderung zugute kommt. Aktuell bekomme ich täglich gesagt, wie mutig oder wie schön ich sei. Mal von der Prothese ganz abgesehen. Noch dazu denken sie wirklich, dass ich die gleiche Meinung wie sie vertrete.

Aber genau das ist es, denke ich, was mich schützt und mir für Olive einen Vorteil verschafft.

Während Diana weiter freudig meine Schulter betastet, wende ich mich an die Eltern, die gerade gespannt auf dem Bildschirm beobachten, wie ein Tribut von einem Baum fällt.

Leider sind die Spiele bis jetzt ziemlich uninteressant; wenn man mal von der Enthauptung direkt am ersten Tag absieht, die mir immer noch in den Knochen steckt. Aber da es bis jetzt das Einzige war, das den Leuten eine, wenn auch unglaublich bizarre, Freude bereitet hat, habe ich die Befürchtung, dass die Spielmacher bald eingreifen werden.

"Elsa, Nero", spreche ich die beiden mit Vornamen an. "Wenn wir uns noch einmal über Olive unterhalten könnten." Sie richten ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. 'Natürlich, jaja', spricht Elsa leise mit sich selbst und setzt sich selbstverständlich zu mir auf den Boden. Nero, im Gegensatz, bleibt weiterhin stehen und versucht mit einem Auge die Spiele zu schauen. "Was können wir für sie tun. Sie ist wirklich so ein unschuldiges Ding", erkundigt sich er sich gespielt mitfühlend.

Elsa nickt verständnisvoll und greift nach meiner Hand. "June, du bist für das Kapitol wie eine neu gewonnene Tochter. Wenn wir deiner Olive helfen können, werden wir es selbstverständlich tun." In ihren Worten steckt so viel Dramatik, dass ich es es kaum schaffe ernst zu bleiben. Doch ich habe mich bereits dazu entschieden, ihnen zu geben, was sie sehen möchten. Deshalb drücke ich überwältigt ihre Hand und lächle sie begeistert an.

"Ihr seid zu gut zu mir." Nach einer kurzen Pause, in der ich verstohlen auf die Hungerspiele schaue, wende ich mich erneut an Elsa. "Ich möchte, dass Olive selbst entscheiden kann, wann es vorbei sein soll und ich möchte, dass sie nicht leiden muss."

Theatralisch stößt Elsa einen lauten Atemzug aus, was dafür sorgt, dass Nero sich wieder zu uns umdreht. "Natürlich, das ist das Mindeste was wir für sie tun können."

"Vielen Dank", schießt es direkt aus mir heraus. "Ich sollte mich wieder zu den anderen Mentoren aufmachen", füge ich hinzu, als ich vom Boden aufstehe und Diana sich an meinem Bein festhält. Ich beuge mich zu ihr nach unten und streiche ihr über die weichen Haare. "Wir sehen uns wieder, okay?" Freudestrahlend reißt sie die Hände nach oben und schreit "Ja!"

"Auf Wiedersehen", ich winke der Familie und drängle mich durch die Menge von Sponsoren.

"Wenn ich groß bin, möchte ich werden wie der Golden Fox", höre ich Diana allerdings noch sagen. Mir bleibt sofort ein Kloß im Hals stecken. Diese Welt ist krank, denke ich. Eine Welt in der Kinder aus dem Kapitol Sieger der Hungerspiele werden möchte und die Kinder der Distrikte froh wären, wenn sie ein Leben ohne die Spiele führen könnten.

Kurz vor der Lounge der Mentoren kommt mir Haymitch entgegen und faselt unverständliche Worte vor sich hin. Er ignoriert mir vollkommen und läuft uninteressiert an mir vorbei. Die Mischung aus Whiskey und Schweiß strömt mir sofort entgegen und hält mich augenblicklich davon ab ihn anzusprechen; auch wenn ich finde, dass es ihm helfen könnte, wenn man mehr mit ihm spricht und ihn nicht, wie die Tribute aus seinem Distrikt, Jahr für Jahr fallen lässt.

Nachdem ich den großen Raum betreten habe, laufe ich geradewegs auf die Couch zu und lasse mich erschöpft neben Enobaria fallen.

"Mission erfolgreich?" fragt sie sofort interessiert.

"Ja, ich glaube schon." Unsicher schaue ich zu ihr rüber und stütze mich mit dem Ellenbogen auf der Sofalehne ab, während ich den Kiefer zusammenpresse. "War es die richtige Entscheidung?"

Enobaria grinst mich durch ihre frisch geschliffenen Zähne an. "Du kannst nie wissen, ob du es richtig gemacht hast. Aber das Kapitol will Blut sehen. Einen richtigen Kampf. Von daher könnte es unglaublich naiv von dir sein." Sie steht auf und holt uns zwei Gläser mit Wasser. Während ich einen Schluck nehme, spricht sie weiter:

"Aber weißt du was sie auch sehen wollen? Eine Tragödie. Deshalb ist es nicht naiv, sondern schlau. Du gibst ihnen was sie sehen wollen und auch wenn es riskant ist, wirst du damit durch kommen, weil es die Leute des Kapitols berühren wird."

Ich flüstere ein zustimmendes 'Okay' und entscheide mich dazu von Olive abzulenken, doch Enobaria ist noch nicht fertig.

"Kamst du eigentlich auf die Idee oder war es Blight?" Ich überlege kurz, aber entscheide mich ihr die Wahrheit zu sagen. "Es war tatsächlich Finnick. Er hatte überlegt Annie etwas zukommen zu lassen, aber ich glaube er konnte die Sponsoren nicht überzeugen."

"Sieh an. Weibliche Empathie wirkt am Ende eben doch besser, unabhängig davon wie charmant Finnick auch sein mag. Darauf trinken wir was", bestimmend klatscht sie in die Hände und steht erneut auf um Getränke zu holen. Ich hingegen bin überrascht, dass sie nicht weiter auf Finnick eingegangen ist. Doch ehrlich gesagt bin ich froh darüber, da es mir zeigt, dass bis jetzt niemand unseren Umgang miteinander in Frage stellt.

"Hier!" Enobaria reicht mir ein Glas mit dem Whiskey der genauso riecht wie Haymitch Abernathy. "Wir trinken auf weibliche Intuition und darauf, dass wir alle hoffentlich bald wieder nach Hause können."

Unsere Gläser geben einen hellen Klang von sich als sie aneinander stoßen. Während wir den kleinen Schluck trinken, denke ich über die Beziehung zwischen mir und Enobaria nach, da ich nicht erwartet habe, das wir uns so gut verstehen. Doch ich glaube es liegt daran, dass all ihre Eigenschaften als Siegerin nicht durch den Sieg der Spiele, sondern durch den Hass auf das Kapitol angetrieben werden. Eben genauso, wie es bei mir auch ist. Doch wir sind anscheinend beide gut darin das zu verstecken.








// authors note //

Meine Lieben! Ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken, dass diese Fanfiktion vor ein paar Tagen die 10K geknackt hat! Ich bin wirklich sehr dankbar dafür, dass ihr euch für meine Schreiberei interessiert und immer abstimmt oder Kommentare hinterlasst. Ihr habt mir in gewisser Weise die Motivation zurückgegeben, die mir lange gefehlt hat und es macht mich wirklich glücklich, dass ich somit anderen eine Freude mit meiner Fanfiktion machen kann!

Also vielen, vielen Dank dafür und danke für die 10K. Fühlt euch umarmt ♡

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt