i. destruction

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"Choke them on the ashes of the dreams they burned."

"Erst wurden es immer mehr Friedenswächter. Wir haben uns zunächst nichts dabei gedacht-" Acacias wimmernde Stimme wird durch ein lautes Schluchzen unterbrochen. Wir sitzen gemeinsam in einer Ecke des Speisesaals. Finnick mit mir und meiner Familie. Sylvans Familie, Acacia, Palmer und ein Großteil der restlichen, ehemaligen Bewohner von Distrikt 7. Maple ist das einzige, bekannte Gesicht, das nicht in unserer Runde versammelt ist. Sie schafft es nicht, die Geschichte von der Zerstörung unserer Heimat erneut zu hören. Zumal zwischen den Ruinen unserer Häuser und den gerodeten Wäldern, unter den zahlreichen Opfern des Aufstandes der leblose Körper ihres einst lebendigen Barker liegt. Nur unter Tränen konnte sie auf meine Frage nach ihm antworten und musste den Satz nicht einmal vollständig aussprechen, denn ich konnte mir bereits denken was passiert war. Maples Herz wurde in tausend Stücke zerbrochen. Teile davon sind zurück geblieben in der Asche, die einst unsere Heimat war. Für sie wird nichts mehr gleich sein.

Aber auch wenn ich nur ansatzweise nachvollziehen kann, wie es ihr geht, so wird der Verlust unserer Heimat uns alle für immer prägen.

"Eines Tages fuhren Scharen von ihnen auf dem überfüllten Markplatz vor. Bewaffnet bis an die Knochen, die sofort das Feuer auf uns eröffnet haben. Doch wir sind das 7. Distrikt.

Wir sind so stur wie das Holz das wir schlagen. Wir wachsen über uns hinaus, wie der Wald es schon immer getan hat. Wir beugen uns vor keinem Sturm, wir sind standhaft. Wir geben uns nicht geschlagen, ohne nicht davor gekämpft zu haben. Deshalb haben wir uns verteidigt."

Angespannt presst sich mein Kiefer aufeinander, während mein linkes Bein hektisch auf und ab wippt. Auch die Hand von Finnick, die langsam über mein Knie bis zu meinem Oberschenkel wandert, kann mich nicht davon abhalten. In mir mischt sich ein undefinierbares Gefühl aus Wut und Trauer. Wut, die mich dazu bringen könnte, dem Präsidenten höchstpersönlich zu enthaupten und Trauer, die mich in die Knie zwingt und mir nicht die Chance gibt, meinen eigenen Körper zu kontrollieren, während Acacias stumpfes Weinen den Raum erfüllt, obwohl ihr Gesicht sich auf die Brust von Palmer drückt.

"Thorn, Hazel. Würdet ihr-" Palmer streicht behutsam mit seiner Hand über die hellen Haare seiner Frau, als sein Blick bittend zu meinen Eltern schweift. Sofort nickt mein Vater ihm zu und wendet sich mir zu. Die Hände von meinem Bruder sind auf seinen Knien abgestürzt, während er ebenfalls mit beiden Beinen hastig auf den Boden auftritt. Das liegt wohl in der Familie.

"Im gesamten Distrikt waren die Schüsse zu hören." Mein Vater beginnt beginnt damit, die tragische Gesichte fortzuführen. "Die Arbeiter aus den Fabriken hatten keine Chance zu fliehen. Wir sind nur durch unsere Arbeit im Wald im Vorteil gewesen. Als wir realisierten, dass wir keine andere Wahl haben, sind wir geflohen, bis die Hovercrafts von Distrikt 13 uns aufgesammelt haben."

"Wie viel ist noch übrig?", entfährt es mir mit zusammen gekniffenen Augen, doch die Stille, die sich um mich herum verbreitet reicht mir bereits. Mein Vater schüttelt traurig mit dem Kopf.

"Nichts, Juniper. Sie haben jeden Baum nieder gebrannt, jedes Haus zerstört und alles dem Erdboden gleich gemacht."

Ich falle auf der Bank zurück, bis mein Rücken an den festgeschraubten Esstisch fällt und schließe die Augen. Noch ehe sie vollständig geschlossen sind,  merke ich wie die Tränen ohne Halt beginnen über meine Wangen zu fließen.

Alle Erinnerungen an meine Heimat spiegeln sich vor meinem inneren Auge ab. Von dem Gefühl, als ich das erste Mal das nasse Gras unter meinen Füßen gespürt habe, bis zu den letzten Tagen, die ich vor der letzten Ernte zuhause verbracht habe. Wie soll das alles fort sein?

Ich höre doch noch das Rauschen der Weidenäste und die verschiedensten Klänge der Vögel. Das Zwitschern des Zaunkönigs, das Quaken eines Frosches, das Fiepen der Rehe.

Das Lachen von Sylvan.

Ich spüre die Wärme der Sonne, die sich im Hochsommer durch die Baumkronen drückt. Wie die Wiesen mit Margareten und Gänseblümchen überseht sind und mit der Farbenvielfalt der Natur harmonieren.

Ich rieche den Wald so eindeutig, als würde ich mich in ihm befinden.  Wie der Boden von dem letzten Regen durchnässt ist und im Wald ein einzigartiger Geruch entsteht. Wie der Nebel über sich über die dunkelgrünen Blätter der Bäume legt.

Wie kann es sein, dass ich dort nie wieder stehen werde? Nie wieder meine Füße im tiefen Moos vergraben werde, während meine Fingerspitzen über die Baumrinde fährt, die vom Regen noch klamm ist.

Es ist alles Vergangenheit, schießt es in meinen Kopf. Jeder liebevoll errichtet Stand auf dem Marktplatz, jedes mühsam erbaute Haus. Die Schule, die Fabriken, das Justizgebäude, das Dorf der Sieger. Alles, was mein Leben prägte. Alles, was unser alles Leben ausgemacht hat.

Unaufhaltsam schluchze ich vor mich hin, als ich mein Gesicht in den Händen vergrabe und gleich zwei Hände spüre, die meine Schultern berühren, um mich zu unterstützen. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit meine geröteten Augen wieder öffne, erkenne ich, von wem die behutsame Geste stammt.

"Es tut mir leid, June. Wir hätten es uns alle anders erhofft." Auch wenn ich höre, dass Ash versucht stark zu sein, so bemerke ich den Schmerz, der seine Stimme begleitet.

"Es sollte es dir nicht leid tun, Ash." Ich drücke seine Hand, bevor ich Finnick ebenfalls einen dankenden Blick zuwerfe.

Als ich mich wieder meinen Freunden und Bekannten aus Distrikt 7 zuwende, bemerke ich wie sie mich ansehen. Wie sie darauf warten, dass ich etwas sage und ihnen wieder das Gefühl gebe, dass unser letzter Funken Hoffnung nicht verloren ist.

Innerlich schmunzle ich bitter. Snow wusste von Anfang an um mein Talent Leute mit meinen Worten zu beeinflussen. Aber sollte nicht genau das ab jetzt meine Waffe gegen ihn sein?

"Wir sollten uns nicht schuldig fühlen",  ergreife ich das Wort und stehe entschlossen, mit glasigen Augen und geröteten Wangen, auf. „Acacia hat Recht. Wir sind Distrikt 7. Wir sind es. Die hohen Tannen und grünen Flächen der Wälder mögen unsere Heimat gewesen sein, doch Heimat kann nicht nur ein Ort sein. Es ist ein Gefühl. Es sind die Menschen die wir um uns haben und mit denen wir die Erinnerungen teilen können, die uns dieses Gefühl geben.

Wir haben alle das Recht zu trauern. Ich weiß, dass ich heute Abend, wenn ich in diesem Bett liegen werde, dass sich nie so anfühlen wird, wie mein klappriges Bett in Distrikt 7, weinen werde. Ich weiß, dass ich beim frühstücken dem warmen Brot von Oakley aus der Bäckerei nachtrauern werde und dem fehlenden Klang von Axtschlägen im Hintergrund.

Wir sollten unserer Trauer freien Lauf lassen. Solange, bis die letzte Träne vergoßen ist.

Damit wir danach entschlossener als je zuvor sind und die Kraft haben werden, die wir brauchen um uns zu rächen und für unsere Zukunft zu kämpfen."

Ich mache eine kurze Pause, in der ich selber Schlucken muss, ehe ich hinzufüge:

"Mein Wald, mein Leben."

"Mein Wald, mein Leben", stimmen sie um mich herum ein, als ich meinen Eltern und meinem Bruder zunicke. Ash und ich fallen uns in einer festen Umarmung um den Hals, ehe ich mich von ihm löse und Finnick sich zu uns gesellt.

Doch ich kann mit meinen Worten soviel Hoffnung verbreiten wie ich möchte, denke ich. Der Schmerz sitzt tief. Innerlich überschlagen sich eine Gedanken um Distrikt 7 und Johanna, während eine Stimme immer wieder das Wort "Rebellion" wiederholt.

Erst die bekannte Stimme von Plutarch Heavensbee führt dazu, dass ich und Finnick uns aus der Gemeinschaft lösen und neugierig in seine Richtung laufen. Wie lange stand er wohl schon hier?

"Katniss ist aufgewacht!"

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt