i. memories and tributes

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"Finnick Odair."

Als ich gerade mein Haus durch die Terassentür betreten möchte, um die Tasse in der Küche abzustellen, drehe ich mich zu Ash um, der mit einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten kann, hinter mir stehen geblieben ist.

"Soll ich es dir buchstabieren?", frage ich ihn neckisch.

Seine anfänglich verwirrte Mimik verwandelt sich wieder in ein großes Lachen, als seine grünen Augen auf meine Dunklen treffen. "Sieh an, ein Sieger aus Distrikt 4 also. Interessant", sagt er euphorisch. Ich stimme unweigerlich in sein Lächeln ein.

Kurz nachdem ich mein Geschirr abgestellt habe, betreten wir das Haus meiner Eltern und nehmen an dem runden Tisch in der Küche Platz.

"Möchtest du etwas frischen Minztee? Ich habe ihn die Tage erst gesammelt und heute morgen frisch überbrüht." Noch bevor ich meiner Mutter antworten kann, hat sie mir eine weitere Tasse Tee eingeschüttet und Ash ebenfalls einen Tee in die Hand gedrückt. "Du trinkst zu wenig, Junge."

"Bist du aufgeregt?", möchte mein Vater wissen, der gerade aus dem oberen Stockwerk kommt. Ich nicke still während dem Trinken.  "Wenigstens können wir uns dieses Mal sicher sein, dass du zurück kommst", bemerkt meine Mutter melancholisch, als wir ein Klopfen an der Tür hören.

Da mein Vater am Nächsten steht, öffnet er sie direkt und wird von Maples Stimme begrüßt.

"Schön dich zu sehen", sage ich, während wir uns kurz drücken und sie, was auch sonst, wortlos eine Tasse von meiner Mutter vor die Nase gestellt bekommt.

Wir unterhalten uns kurz über ihre Arbeit in der Fabrik und über den Jungen namens Barker, den Maple kürzlich kennengelernt hat. Er hat vor kurzem eine leitende Position auf Maples Arbeit übernommen und nachdem sie das erste Mal miteinander gesprochen haben, ging eigentlich alles ganz schnell. "Ich denke, dass er es sein könnte", fügt sie hinzu.

Ohne, dass das Gespräch großartig von Barker abweicht, plaudern wir einen Moment weiter, bis uns eine Bewegung vor dem Fenster ablenkt. Lucinia hat anscheinend bereits damit gerechnet, dass ich nicht zuhause bin und steht nun Freude strahlend vor dem Fenster meiner Eltern. Sie macht eine auffordernde Handbewegung "Los gehts!"

Gemeinsam verlassen meine Familie, Maple und ich das Haus. Draußen fallen wir in eine große Umarmung. "Halte immer das Ziel vor Augen, Juniper. Denkt daran, dass wir an etwas größeres Glauben, wir hoffen und kämpfen für eine bessere Zukunft", flüstert mein Vater, ehe wir uns voneinander lösen und ich mich zur winkenden Gaia aufmache.

"Passt auf euch auf", verabschiede ich mich, als ich mich ein letztes Mal zu ihnen umdrehe.

Jedes Mal aufs Neue bin ich von Gaias Talent überrascht. Gerade trage ich einen schlichten Overall, doch sie konnte es nicht lassen, mir bereits das Outfit für mein Interview mit Caesar zu zeigen. Das steht für mich nämlich kurz nach der Ankunft im Kapitol an, während die Tribute für die Parade vorbereitet werden. Nachdem auch meine Haare und mein Make-up fertig sind, machen wir uns auf den Weg zum Justizgebäude.

Es ist ein ungewohntes Gefühl sich nicht in die Schlangen der Jugendlichen stellen zu müssen, geschweige denn das Justizgebäude von Innen zu sehen. Als der Film der Rebellion abgespielt wird und ich mit Johanna und Blight darauf warte, dass Lucinia zwei Namen zieht, betrachte ich sie ein bisschen genauer. Ihre Haare sind dieses Jahr in einem ausgeblichenen Violett, silber gesträhnt. Trotzdem sieht es nicht aus, als sei das Violett durch Zufall diese Farbe. Lucinia würde das nie zulassen. Sie trägt ein weißes Kleid, dessen hoher Kragen mit der hochgesteckten Frisur abschließt.

Ich atme tief ein und aus, als Lucinia endlich zu der Lostrommel der Mädchen tippelt. Ihre verhältnismäßig kurzen Fingernägel ziehen geschickt einen Zettel aus dem vollgestopften, gläsernen Topf.

"Olive Carpenter", höre ich sie übermütig sagen. Der Nachname des Mädchens kommt mir bekannt vor, doch als sie aus der Menge tritt erkenne ich ihr Gesicht nicht sofort wieder. Aber etwas an ihr erscheint mir trotz alldem bekannt vor.

Sie wirkt unglaublich nervös, doch schafft es die Fassung zu behalten. Ein Pluspunkt.

Während Olive noch keine zwei Minuten auf der Bühne steht, ist Lucinia schon dabei das nächste Schicksal zu entscheiden.

"Jack Delaney!", verkündet Lucinia. Dieser Name erscheint mir schon sehr viel bekannter. Jacks Vater ist ein unglaublich guter Schreiner, der uns den runden Tisch aus Ahorn gefertigt hat, der im Haus meiner Eltern steht. Jedes Mal, wenn er uns Möbel gebracht hat oder wir ihn getroffen haben erzählt er uns, wie sehr es ihn freut, dass Jack sein Handwerk übernehmen wird. Wie talentiert er mit den Werkzeugen ist und wie viel Spaß es ihm macht.

Auf der Bühne angekommen geben sich Jack und Olive die Hand und ehe ich mich versehe, warten wir darauf, dass sie sich von ihren Familien verabschiedet haben und wir uns auf den Weg machen können. Als Olives Mutter aus dem Zimmer kommt, begrüße ich sie bedrückt. Traurig stelle ich fest, dass Olive aussieht wie ihre Mutter und sie mir deshalb auch so bekannt vor kommt. Olives Mutter arbeitet in Bezirk 7. Wie ich es auch einmal tat und wie mein Vater und mein Bruder es bis heute tuen.

"Bitte pass auf sie auf, Juniper", flüstert sie aufgelöst, als wir uns kurz die Hand geben. Ich drücke sie leicht "Ich werde mein Bestes, aber Acacia du weißt, ich kann nichts versprechen", gebe ich ihr ehrlich zurück.

"Das ist uns bewusst, aber selbst dann sind wir froh, dass du sie bis dahin begleiten kannst."

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWhere stories live. Discover now