In ihren Bann gezogen

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Leise prasselte der Regen gegen die Fensterscheibe in einem immer gleich bleibendem Rhythmus. Mal stärker und mal schwächer. Es beruhigte den jungen Mann während seiner Wacht. Eine endlos andauernde Stille wäre genauso unerträglich, wie der gleichbleibende Tonfall der Standuhr. Das Unwetter draußen fügte etwas Leben in diesen trostlosen Raum, welcher einst voller Energie und Elan steckte. Doch nun lag die Quelle all derer Bewusstlos im Bett, indessen ihr stiller Verehrer wartete. Ob nun Tage oder bereits Wochen vergangen waren kümmerte ihn nicht. Allein das erwachen seiner Erwählten... Das war es, auf das er sich so sehnte. Müde rieb sich Reiji die Augen und griff zu seiner Tasse mit weißem Tee. Diese stammte aus einer besonders teuren und exquisiten Sorte. Sie wird Pai Mu Tan, oder auch weiße Pfingstrose genannt und fiel besonders durch ihr kräftiges und sogleich blumiges Aroma auf. Reiji konnte nicht anders, als bei dessen Geschmack an Mina zu denken. Auch sie stach durch ihr starkes und sogleich liebliches Auftreten hervor. Allzu gerne würde er ihr persönlich diesen Vergleich mitteilen. Dabei schwammen soviel mehr Gedanken, die der dunkelhaarige Vampir ihr mitteilen wollte. Wo aber anfangen? Um einer Dame zu imponieren sollte man ihr ein Kompliment machen. Reiji dachte an ihre makellose Haut, welche selbst seine teuersten Teeservice die Show stehlen konnte. Oder Mina's strahlendem Lächeln, womit sie selbst im tiefsten Winter einem Wärme spendete. Womit sie aber Reiji am meisten betörte, war ihr Duft. Es schien schwer in Worte zu fassen, doch er konnte jedes erdenkbar teures Perfüm in den Schatten stellen. Man stelle es sich vor, als würde man im aufgehendem Frühling durch ein Feld aus Lavendel laufen. Als wäre man in Südfrankreich, wo einem die Wärme der Sonne und der frisch umhergehende Wind all diese Komponenten entgegnete und die Sinne berauschte.

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"Du hast dich ganz schön verändert.", hörte Reiji eine tiefe Stimme, welche ihn augenblicklich aus seinem Tagtraum weckte. Verwundert blickte er zur Seite und sah am Fensterrahmen lehnend seinen älteren Bruder Shu. "Tss, woher holst du dir das Recht, über mich zu urteilen? Ein Nichtsnutz wie du sollte sich lieber um andere Dinge scheren.", ermahnte er seinen verhassten Bruder und richtete sich gleichgültig die Brille, welche ein Stück nach vorn gerutscht war. Reiji missfiel es, das Shu ihm genau das mitteilte vor dem er sich am meisten fürchtete. Er hatte sich verändert! Doch wie sollte er diesen Prozess aufhalten können?

"Ich nehme mir daher das Recht, weil du uns mit deinen Entscheidungen schaden hättest können. Es ist nicht so, das ich mir Sorgen um dich mache. Sondern ich vielmehr keine Lust auf den ganzen Stress habe, den du verursachst.", teilte Shu seinem jüngeren Bruder mit. Als dieser aber nichts entgegnete, als einen spöttisch klingenden Laut hackte er weiter nach. "Wieso hast du sie nicht einfach getötet?". Skeptisch blickte Reiji zu seinen Bruder und versuchte aus dessen Gesicht zu entnehmen, was er mit dieser Frage bezweckte. "Gabst du mir nicht einst die Anweisung, dies nicht zu tun? Eine etwas einfältig gestellte Frage, findest du nicht?", provozierte der Brillenträger und schmunzelte überheblich. "Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mir eher Sorgen darum machen, das ein Haufen von 'gemachter Vampire' unser Revier streitig machen. Nicht zu vergessen das sie unsere, für uns vorgesehene Opferbraut entwendeten. Wenn du mich fragst, ließe sich das ganz auf eine Kriegserklärung schließen. Aber da du dich lieber in irgendwelchen Hinterzimmern oder Abstellkammern niederlässt und rumlungerst können wir wohl ewig auf einen Gegenangriff warten. Doch was kann ich wohl anderes von dir erwarten? Wenn es darum geht ein wirklicher Anführer zu sein oder dich als echtes Oberhaupt zu beweisen, versagst du kläglich. Einmal ein Nichtsnutz, immer ein Nichtsnutz!"

Reiji's Laune sank merkbar tief. In seinen Augen versagte der Älteste aller Sakamaki Brüder kläglich. Fassungslos dachte er daran, das ausgerechnet Shu all die Aufmerksamkeit der Mutter in Anspruch nehmen konnte und dennoch nichts dabei lernte. "Und nun bitte ich dich, uns wieder allein zu lassen.", forderte Reiji ohne auch nur eines Blickes seinem Bruder zu würdigen. Mit einem hoffnungslosem Seufzer entfernte sich dieser vom Fenster und sah Richtung des Bettes. Dort wo ihre Häushälterin sauber, wie eine Puppe gebetet lag. Langsam gleitete er zu ihr um ihr fein gekämmtes Haar zu berühren. Wohl wissend, das sein Bruder ihn für diese Geste den Tod herbeisehnte. "Schon seltsam... Auf meine Anweisungen sich den Mukami nicht zu nähern hörtest du nicht. Stattdessen suchtest du diese, mit dem Vorwand eines Dates getarnt gemeinsam mit ihr den Kontakt und brachtest uns alle in Gefahr." Fragend schüttelte Shu den Kopf und machte Anstalten zum Gehen. Doch bevor er dies in die Tat umsetzen konnte, blieb er mitten im Raum stehen und wandte sich ein letztes Mal an seinen Bruder. "Du willst wissen, woher ich mir das Recht nehme? Weil sich mir die Frage stellte, wieso genau DU einen solchen Befehl missachtest. Aber dich so strickt daran hältst, diesen Menschen nicht zu töten, obwohl dir dein Hunger vom Gesicht abzulesen ist. Oder ist es was anderes, warum du sie am Leben lässt?". Ohne dabei noch mehr Zeit zu verlieren verschwand der blonde Vampir und lies einen ratlosen Reiji zurück. Diese Worte trafen genau ins Schwarze.

"Wie konnte das nur passieren? Seit wann ist es bitte Shu, der sich für Ordnung und Gehorsamkeit engagiert?! Alles nur weil ich noch nicht dieses Mädchen getötet habe? Was für ein naiver Versager. Sieht er denn nicht, das wir diesen Menschen noch brauchen? Sie könnte uns von solch einem Nutzen sein, doch Shu sieht natürlich nur das was er will. Und ihm vertraut Vater mehr als mir zu? Soweit kommt es noch!"

Reiji veruchte nun sich unter allen Umständen zu beruhigen. Sein kluger und rationaler Verstand blieb das Letzte auf das er sich noch berufen konnte. Auf die Mithilfe seiner Brüder konnte er gänzlich verzichten. Mina war alles was er brauchte. Denn sie war es die ihm alle Antworten liefern konnte. An die Übersetzungsarbeit des Notizbuchs konnte er sich schon lange nicht mehr konzentrieren. Das thebanische Alphabet war äußerst kompliziert und forderte sowohl viel Zeit als auch Geduld. Momentan schwirrten in Reiji's Kopf nur Bilder von Mina umher, sodass ihm der Erfolg mit der Übersetzung erspart blieb. Doch dies kümmerte Reiji nicht mehr. Auch die Neuigkeiten über die Ernennung von Yui zu Eve erweckte nur kurzzeitig seine Neugier. In seinen Augen schien diese gesamte Szenerie im Mukami Anwesen nur lächerlich. Ihm stach lediglich die respektlose Haltung gegenüber seiner Wenigkeit ins Auge. Sicherlich könnten sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut deren Wege kreuzen und Reiji würde definitiv besser darauf vorbereitet sein.

"Was für Narren! Auch wenn sich dieses Mädchen wirklich als Eve behaupten sollte, so würde es Jahre dauern, bis sie einen Adam ernennen würde. Außerdem wäre es lächerlich, wenn diese Wahl auf einen Vampir ihrer niederer Klasse fallen würde. Das woran ich dran bin, ist von soviel größerer Wichtigkeit! Ich weiß ganz genau das Mina in Verbindung zu Hexen steht. Wenn ich nur hartnäckig und aufmerksam genug bleibe, so werden sich mir bald all ihre Geheimnisse offenbaren. Und mit diesem Wissen über Mina und Hexen werde ich nicht nur Vaters Anerkennung erlangen. Nein... Ich werde mächtig genug sein, um Shu von seinem Posten stoßen und endlich an der Stelle stehen, wofür ich bestimmt bin! alles was ich tun muss ist nur an ihrer Seite zu bleiben... Mina..."

Siegessicher nahm er an der Kante von Minas Bett platz und beugte sich zu ihr hinunter. Gierig leckte er sich über die Lippen und spürte, wie sein Körper anfing bis zu seinen Zehenspitzen zu kribbeln. Mit Genuss sog er ihren Duft ein und krallte sich an ihrer Bettdecke fest. Ihr edles Antlitz nahm bereits all seine Sinne in Gefangenschaft. In seinem Kopf malte Reiji's sich bereits die wildesten Fantasien mit ihr aus, doch blieb bei einer einzigen hängen. Diese konnte er bei bestem Willen nicht abschütteln und weckte seine ganze Neugier. Noch nie hatte er sich diesem Verlangen hingegeben, geschweige denn in Erwägung gezogen.

Sanft und doch von Verlangen geprägt legte er seine Lippen auf die ihre und verweilte für einen Moment in dieser Position. Es schien, als stehe die Zeit still und selbst die Schläge des Regens an der Fensterscheibe rückten in weiter Ferne. Dieser Moment galt einzig und allein ihnen beiden. Genau dieser Moment durfte für Reijis Empfinden eine Ewigkeit andauern. Es sollte ihrer Beiden erster Kuss werden.

Mein Leben Unter Vampiren | Mina Shirohana | Diabolik Lovers FanfictionWhere stories live. Discover now