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Mia

Ich atme schwer, als ich mich von Leon löse. Kurz werfe ich noch einen letzten Blick in seine Augen, dann stehe ich auf und ziehe ihn an der Hand mit. „Was machen wir jetzt?", frage ich nach einer Weile. Irgendwie fühle ich mich schuldig, da ich Ly, während ich Leon berührt habe, vergessen habe. Ich sollte trauern und weinen, aber nicht einen anderen küssen. „Wir könnten...", fängt Leon an, doch er wird unterbrochen nicht von mir. Und auch nicht von einem Lebewesen. Von einem lauten Knall, der aus dem Inneren des Schlosses kommt. „Finn!", kreische ich. Was macht er? Sofort laufe ich zu dem großen Tor und hämmere dagegen. „Mia, du musst deine Kräfte benützen.", hilft mir Leon. Ohne es zu wollen rinnen mir Tränen über die Wangen. Was hat er gemacht? Finn wird sich doch nicht etwa etwas angetan haben, oder doch?

Schluchzend trete ich ein paar Schritte zurück und starre auf die Wand. Hat er es wegen Ly getan? Ist er überhaupt verletzt? Ich sollte mir keine Sorgen machen, bis ich genau weiß, was passiert ist! „Konzentriere dich. Ich weiß, dass du es schaffen kannst!", durchbricht Leon meine Welle an Gedanken. Ich nicke und atme tief ein. Dann hebe ich meine Arme und stoße sie nach vorne. Ich kann spüren wie eine Druckwelle aus meinen Armen schießt. Das Tor wird geöffnet und ich stürme hinein. „Finn!", rufe ich und drehe mich im Kreis. Allein von dem Eingangsbereich gehen viel Gänge und Treppen ab. Wie soll ich ihn denn da jemals finden? „Achtung!", schreit Leon und ich werde von ihm beiseite gezogen. Nur Bruchteilsekunden später schlägt ein riesiger Felsbrocken auf dem Boden auf. Zuerst überzeihen ihn feine Risse, bis er schließlich auseinander bricht. „Das Schloss stürzt ein!", schlussfolgert Leon. „Wir müssen hier weg, bevor es zu spät ist!"

„Nein.", meine ich bestimmt. „Ich gehe hier nicht ohne Finn weg." „Mia, sei nicht dumm. Er hat seine Entscheidung getroffen!", redet Leon auf mich ein. Schnell drehe ich mich zu ihm um. „Entweder hilfst du mir ihn zu finden, oder ich mache das alleine. So oder so, ich verlasse dieses Schloss nicht ehe ich weiß, was Finn zugestoßen ist.", rufe ich aufgebacht. „Wir müssen dort in den Tunnel.", erwidert er leise. „Woher...", fange ich an, doch er tippt sich auf seine Nase und nimmt mich an der Hand. Über uns vernehme ich ein furchteinflößendes Grollen. Leon hat Recht: Die Burg fällt in sich zusammen! Er und ich laufen den immer dunkler werdenden Gang entlang. Da es auch immer kühler wird, habe ich das Gefühl, in den Berg hinein zu laufen. Wir kommen durch kleine Räume, die schlicht eingerichtet sind. Plötzlich hält Leon vor mir an, während ich an ihm vorbei laufe und ihn an meiner Hand mitziehe. „Dort.", hält Leon mich auf und zeigt auf einen unscheinbaren Gang. Ich nicke und laufe hinein. Auch hier fangen die Wände an zu bröckeln und ich habe Angst, dass wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen könnten.

Aber meine Sorgen sind wie weggewischt, als ich den Raum sehe, in den der Gang mündet. Es ist eher eine Grotte. Mit ihrer hohen Decke imponiert sie mir und was noch überraschender ist, ist das durch ein kleines Loch Tageslicht dringt. Dieses trifft direkt auf einen Art Altar. Darauf liegen zwei Gestalten. „Nein!", schluchze ich, ehe ich genauer hingesehen habe. „Nein, nein, nein! Bitte nicht!" Meine Rufe werden lauter und werden durch das Gemäuer doppelt so laut zurückgeworfen. Ich spüre Leons Hand auf meiner Schulter. Allerdings gehe ich nach vorne und seine Finger bleiben in der Luft hängen. Immer näher komme ich dem gigantischen Tisch. Ein Strom aus Tränen fließt über meine Wangen. Auf dem Altar liegt Ly. Sie ist von einer schlichten, und doch wunderschönen Decke umhüllt. Ihre Gesichtszüge sind entspannt. Eher sieht sie aus, als würde sie schlafen. Wenn nicht Knochen aus ihrem Genick ragen würden. Sie ist von dem Elementor weggeschleudert worden und hat sich das Genick gebrochen. Noch einen weiteren Schritt trete ich an den Altar. Jetzt stehe ich direkt vor Ly. Und auch vor Finn.

„Nein.", schreie ich und reiße die Hände in sie Höhe, als ich sehe, dass ein blutiges Messer neben ihm liegt. Auch seine Unterarme sind blutrot. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten und das Blut läuft nun über seine Hände auf den kalten Stein. Sein Gesicht wirkt hingegen zu Lys angespannt. Aber seine Augen sind geschlossen. Erst jetzt merke ich, dass sein Kopf nur Millimeter von Lys Kopf entfernt liegt. „Warum hast du das getan?", flüstere ich und lege meine Hand auf seine Wange. Als ich sie wegnehme, bleibt ein blutiger Abdruck. Sofort blicke ich auf meine Hände und fange an zu schreien. Finns Blut klebt daran. Anscheinend habe ich, ohne es zu merken, hineingegriffen. Eine Welle an Panik überrollt mich und ich wische meine Hände an meiner Hose ab. Aber noch immer bleiben Rückstände auf meiner Haut zurück. „Mia, wir müssen gehen.", dringt Leons Stimme zu mir durch. "Finn ist tot und seine Kräfte sind verschwunden. Sie waren es, die das Schloss zusammen gehaltem haben. Da er gestorben ist, stürzt es ein!" Ich blicke zu ihm auf. Auch seine Wangen sind nass.

Langsam durchforste ich den Raum mit meinen Augen und kann sehen, wie immer größere Steinbrocken sind von der Wand lösen und auf den Boden krachen. „Wie soll ich denn jetzt weitermachen?", hauche ich und lasse mich gegen den Altar sinken. „Wir schaffen das.", verspricht Leon mir. Aber ich schüttle nur den Kopf. „Es ist meine Schuld. Zuerst Ly und nun auch Finn." „Mia!", entgegnet Leon energisch und deutet auf die Decke. „Ich kann nicht! Ich kann sie hier nicht zurück lassen." „Das musst du! Komm jetzt!", ruft Leon über das Grollen hinweg. Das einzige was ich machen kann, ist den Kopf zu schütteln. Plötzlich kommt er zu mir her. Vorsichtig beugt er sich zu mir herab. Wie ein kleines Kind hebt er mich hoch und in dem Moment fühle ich mich so zerbrechlich wie ein Streichholz. Sofort schlinge ich meine Arme um seinen Hals, während er seine Hände an meinen Oberschenkeln platziert. Dann dreht er sich um und verlässt den Raum.

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