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Mia

Langsam lasse ich mich auf den Boden sinken. Mein Puls hat sich während dem Kampf verdoppelt und auch mein Atem geht schneller. Leon starrt den Elementor verdutzt an. Aber auf seinen Lippen liegt ein Lächeln. „Ich dachte nicht, dass ich dich jemals jemanden verprügeln sehe.", richtet er sich an mich. Stolz stemme ich meine Hände auf meine Hüfte. „Kannst du deine Kräfte benutzen", wechselt Leon das Thema. Nach einem Versuch, schüttle ich mit dem Kopf. „Das heißt, dass er es auch nicht kann.", schlussfolgert er. „Stimmt. Das heißt aber auch, dass wir ihn jetzt töten müssen." „Ich muss ihn töten.", verbessert Leon mich. „Sieh mich nicht so an.", bittet er mich. „Wie denn?", frage ich verwirrt. „In deinen Augen liegt Schuld. So, als würdest du mich zwingen, ihn zu töten und du dich dafür schuldig fühlst." Ich schlucke, denn er hat Recht. Wie kann ich von ihm erwarten, dass er meine Aufgaben übernimmt? „Wegen mir tötest du den unschuldigen Mann." „Er ist nicht unschuldig!", bestreitet Leon. „Er hat Elementoren getötet, um sich selbst am Leben zu halten. Glaub mir, keinem wünsche ich den Tod. Bis auf ihm. Er hat Ly und Finn Schmerzen zugefügt und auch dir." „Und dir.", flüstere ich. „Ja, auch mir. Siehst du, er ist keineswegs unschuldig!"

Plötzlich höre ich einen Schrei. So laut, dass ich mir beinahe die Ohren zuhalten muss. Etwas huscht an mir vorbei und es ist so schnell, dass ich es nur als Schatten wahrnehme. Mein Puls, der sich etwas beruhigt hat, beschleunigt sich wieder. Ein schmatzendes Geräusch lässt mich zusammen zucken. Als mein Blick zu dem Elementor schnellt, sehe ich, wie eine kleine Gestalt über ihn gebeugt ist. „Was zum...", fängt Leon an, als sich die Gestalt aufrichtet. Ich keuche auf, als ich ein kleines Mädchen erkenne, welche mit einem blutigem Messer vor uns steht. In ihrem Gesicht hängt ein schiefes Grinsen. Ihre braunen Haare reichen ihr gerade Mal bis zum Ohr. Sowohl Leon als auch ich sind sprachlos. Auf der Brust des Elementors bildet sich ein immer größer werdender Blutfleck. An der Stelle wo sein Herz ist, hat sein Oberteil ein Loch, hinter dem man blutrotes Fleisch sehen kann. Als sich vom Leichnam eine Art weißer Nebel erhebt, glaube ich endgültig, dass ich verrückt werde. Anstatt sich zu verflüchtigen, schwebt er auf mich zu. Langsam kommt es mir immer näher und als ich einen Schritt zurück treten will, schießt es nach vorne. Durch mich hindurch. Nein, in mich hinein. Kurz schreie ich auf und taste mit meinen Händen meinen Bauch ab, wo der Nebel in mich gedrungen ist. Als wäre das nicht genug, verbeugt sich das kleine Mädchen vor mir. Sie ist nicht älter als dreizehn. Minutenlang starren wir uns gegenseitig an. „Wer zum Teufel bist du?", frage ich als ich das, was passiert ist, einigermaßen realisieren kann. „Aya.", antwortet sie kurz. „Das beantwortet meine Frage nicht." Noch immer hält sie das Messer in der Hand, was sie gefährlich aussehen lässt. Sie bemerkt meinen Blick und wirft das Messer weg. Als es klirrend über den Boden schlittert, hinterlässt es eine Blutspur. „Ich bin der Elementor des Luftreichs.", beantwortet sie endlich meine Frage. „Du bist vielleicht zehn!", bemerkt Leon ungläubig. „Zwölf.", verbessert sie ihn sichtlich gekränkt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass trotz ihres Alters sie die Gabe Luft zu beherrschen mehr kontrollieren kann als ich. „Was machst du hier? Und warum hast du ihn getötet?", führe ich meine Befragung fort. „Er", und deutet mit einem Kopfnicken auf den toten Elementor. „hat mich eingesperrt. Kurz nachdem meine Ausbildung abgeschlossen war. Ihm passte der Weg, wie ich meine Kräfte ausübte nicht. Seit dreiundvierzig Tage hält er mich gefangen. Meine Zelle war durch seine Kräfte verschlossen. Als ihr dann diese deaktiviert habt, ging meine Zellentür auf. Sofort habe ich meine Chance gesehen. Ihr, welche seine Taten nicht wirklich begreifen könnt, habt gezögert ihn zu töten. Ich weiß genug über seine Vergangenheit und habe selbst seine Grausamkeit erlebt, sodass ich ihn ohne Schuldgefühle töten konnte."

Meine Kinnlade fällt fast auf den Boden. Das Mädchen ist um einige Jahre jünger als ich und hat schon mehr Lebenserfahrung als ich. „Was war das Weiße, was in meinen Körper geflogen ist." „Woher kommst du?", kommt als Gegenfrage. Schnell werfe ich Leon einen Blick zu, der einfach nur stumm nickt. „Aus dem Wald.", antworte ich und erwarte entweder Sprachlosigkeit oder einen Haufen an Fragen, die sie auf uns hereinprasseln werden. Aber es passiert weder das eine noch das andere. „Cool.", meint sie. Jetzt bin ich vollkommen verwirrt. „Du wusstest von den Lebewesen im Wald?" „Nein, doch es gibt Geschichten über den Wald. Auch ist es meiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass ein gesamter Kontinent nur von ein paar Wesen, die alle anderen fressen, bewohnt wird." Ich nicke, denn es macht sogar irgendwie Sinn. Vielleicht bin ich es einfach nicht gewöhnt, dass Menschen selbstständig über das Leben außerhalb ihres Stammes nachdenken. Sonst hätten ja schon lang Fluxe und auch Fairys herausgefunden, dass es noch anderes Leben geben muss. Allerdings kann es auch daher kommen, dass wir nicht hinterfragen und mit unserem Leben zufrieden sind. Bis auf mich, die alles immer hinterfragen muss und zu einer gefährlichen Reise aufgebrochen ist. Und das allein! Obwohl ich ja nicht wirklich lang allein war.

„Der Nebel deutet auf den neuen Elementor hin. Es ist selten, dass der Nebel oder wie er sonst immer genannt wird, Funjaki, von einem Körper auf den nächsten übergeht. Normalerweise nehmen ihn die Götter an sich und wählen so den neuen Elementor." Es klingt so, als wäre es etwas besonders, wobei ich mich ganz und gar nicht besonders gefühlt habe, als der Nebel in mich überging. „Was macht ihr nun?", fährt Aya fort und gibt uns keine Pause um alles zu verarbeiten. Was machen wir jetzt? Das ist eine gute Frage. Wir müssen Ly und Finn finden. „Wir müssen unsere Freunde finden." „Wen?", bohrt Aya nach. „Du kennst sie nicht. Jemand namens Finn und Ly Ann." Sofort reißt sie ihre Augen auf und starrt mich an. „Natürlich kenne ich sie! Wer nicht?", ruft siebegeistert. „Woher...", fange ich an doch Leon beantwortet meine Frage. „In ihrer Ausbildung wir sie sicher gelernt haben, wie die anderen Elementoren heißen. „Der Junge hat Recht.", meint Aya strahlend. Noch nie habe ich jemanden so glücklich gesehen. „Ich bin übrigens Leon und das ist Mia." Wieder nickt sie. „Kannst du auch etwas?", meint sie nach einer kurzen Denkpause. Ich fange an zu lachen. Irgendwie finde ich Aya sympathisch, auch wenn sie mit blutüberzogenen Händen vor mir steht. „Ich kann mich in einen großen Wolf verwandeln. Es ist aber nicht annähernd so cool wie deine Gabe.", erwidert er. „Ist das dein Ernst? Ein Wolf? Ich will es sehen!", fordert sie Leon sofort auf. Er wirft mir einen kurzen Blick zu und geht dann ein paar Schritte nach hinten. Plötzlich fangen seine Gliedmaßen an, sich in Pranken zu entwickeln. Neben mir höre ich Aya, die in die Hände klatscht. Ich muss zugeben, dass mich Leons Wolfsgestalt immer wieder beeindruckt. Seine gelben Augen, die noch intensiver wirken, sein Silber glänzendes Fell und seine Größe. Langsam kommt er auf uns zu und Aya stürmt nach vorne um ihn zu streicheln. Unschlüssig was ich machen soll, stehe ich einfach nur so da. Außerdem muss ich bei dem Gedanken, wie es wohl aussehen würde, wenn Aya dem menschlichen Leon übers Gesicht streichen, grinsen. Erst nach einer Weile bemerke ich, dass mich die Wolfsaugen mustern. Will er, dass ich auch zu ihm komme. Vorsichtig, komme ich auf ihn zu. Auch wenn ich weiß, dass er mir nichts tun wird, habe ich großen Respekt vor ihm. „Fühl wie weich sein Fell ist!", ruft Aya gegeistert. Mit einem Nicken als Antwort gibt sie sich nicht zufrieden und schnappt meine Hand. Langsam legt sie sie auf Leons Schnauze.

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