06. Auferstanden

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Leon

Ich liege schon seit Stunden wach. Es ist mitten in der Nacht. Ich starre gegen die mir gegenüber liegende Wand. Ich kann Mias gleichmäßiges Atmen hören, was mich etwas beruhigt. Aber ich weiß dass sie nicht schläft. Immer wieder spiele ich im Kopf durch, was ich zu ihr sagen könnte. Angefangen mit "Hey" über "Wir schaffen das schon." bis zu "Ich liebe dich". Allerdings bezweifle ich, dass ihr das Letzte gefallen würde. "Irgendwann musst du mit mir reden.", fange ich an, nachdem ich all meinen Mut zusammen genommen habe. Ich höre ein lautes Seufzen. "Wie hast du es geschafft?", fragt sie schließlich. "Was geschafft?", frage ich verwirrt. "Du warst tot. Hast nicht mehr geatmet. Und doch bist du hier." "Ich habe keine Ahnung. Aber wenn du willst kann ich dir alles erzählen. Zumindest das was ich noch weiß." Sie brummt zustimmend. Ich atme erleichtert auf. "Als dich der Mann mitgenommen hat, war ich am Boden zerstört. Aber ich wusste, dass ich dich retten werde. Koste was es wolle. Zum Glück konnte ich Ly und Xaver auch davon überzeugen. Naja hauptsächlich hat sie wohl meine Wolfsgestalt überzeugt. Ly war aber noch immer skeptisch. Doch sie willigte ein", fange ich sofort an zu erzählen, bevor sie ihre Meinung ändert. „Ich machte mich sofort auf den Weg und nach wenigen Minuten erreichte ich das kleine Dorf. Sofort stellten sich mir zwei dutzend Soldaten entgegen. Allerdings waren die nur ein kleines Problem. Das wahrhaftige Problem war, dich zu finden. Es waren etwa ein Dutzend Hütten. Aber ich hatte Glück. Der Mann, der dich entführt hatte kam aus dem ganz linken Haus. Daher war es nur logisch, dass auch du da drin warst. Schnell stieß ich den Mann zur Seite und jagte zu jener Hütte. Und tatsächlich: im Keller war eine Eisentür. Ich stieß sie auf und sah dich. Natürlich war ich sofort überglücklich und ich war mir sicher, dass ich dich gerettet hatte. Aber dann sah ich einen Schatten. Doch es war zu spät um zu reagieren. Ich konnte ein Geräusch hören und sofort spürte ich das Brennen und den unfassbaren Schmerz, der durch meinen Körper fuhr. Und ich hörte deinen Schrei. Dann kippt alles seitwärts. Mir war bewusst, dass ich am Boden lag. Ich konnte spüren, wie sich mein T-Shirt immer mehr mit meinem Blut vollsog. Deine Schreie drangen aber noch immer zu mir durch. Es war schrecklich. Ich wollte aufstehen und dich in den Arm nehmen. Sagen, das alles wieder gut wird und über deine Haase streichen. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Plötzlich warst du bei mir und zogst mich auf deinen Schoß. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich nichts mehr. Als du dein Gesicht über meines beugtest, konnte ich die Tränen spüren, die von deinem Gesicht hinabrannen. Und wieder hörte ich dich schreien. Du bettelteste mich an, dass ich bei dir bleiben sollte. Aber langsam fielen meine Augen zu. Ich wollte sie wieder aufmachen, aber es ging nicht. Nichts wollte ich lieber als bei dir zu bleiben. Doch alles wurde schwarz.", ich mache eine kurze Pause, rede aber, nachdem ich mir sicher war, dass Mia nichts sagt aber auch nicht eingeschlafen ist, weiter.

"Plötzlich stand ich in einem schwarzen Raum. Alles was ich hörte, war mein eigener Atem. Ich wollte wieder zurück. Zurück zu dir. Plötzlich hörte ich eine Stimme. Es war deine. Du riefst nach mir. Obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn hatte antwortete ich. Da fing alles an zu wackeln. Irgendetwas fiel mir auf den Kopf und ich verlor mein Bewusstsein. Das nächste an was ich mich erinnere ist die Zelle. Sofort fuhr ich an meinen Hals. Ich konnte eine Narbe spüren, die sich quer über meinen Hals zog. Zuerst überlegte ich, ob ich tot bin, doch als ich begriff, dass ich es nicht der Fall war, fing ich an zu schreien. Ich schrie nach dir. Und dann hast du ja gesehen, was passiert ist." Eine ganze Weile passiert nichts. Dann höre ich ein Rascheln. "Mia?", frage ich vorsichtig. "Wir müssen dich hier rausholen. Hier läuft einiges schief. Und du und ich, wir werden es herausfinden." Ich muss schlucken. Sie ist plötzlich voller Enthusiasmus. "Wie willst du mich hier rausholen?", zögere ich. "Ich habe dich dort reingebracht, also schaffe ich es auch, dich wieder zu befreien." "Du glaubst mir? Also das ich real bin?", setze ich hoffnungsvoll an. "Ja. Ich habe zwar keine Ahnung wie du das angestellt hast, aber auch das werden wir herausfinden." Ich lächle. Diese Antwort ist alles, was ich mir in den letzten Tagen erträumt hatte. "Und was willst du jetzt machen?", frage ich vorsichtig. "Als ich dich hier einsperrte, konzentrierte ich mich auf auf deinen Tod. Also auf eine negative Erinnerung, die ich mit dir erlebt habe. Jetzt..." "rufst du dir eine positive Erinnerung ins Gedächtnis.", beende ich den Satz für sie. "Genau.", stimmt sie mir zu. Dann ist es wieder still. Plötzlich fängt alles an zu wackeln. Der Boden und die Steine. Langsam bröckeln die ersten Steine von der Wand. "Es funktioniert!", rufe ich über das Grollen hinweg. Plötzlich bricht alles auseinander. Die Steine fallen auf die Seite und auch das Dach rutscht weg. Mit einem lauten Knall und einer riesigen Staubwolke schlagen die Trümmer auf dem Boden auf. Ich fange an zu husten und ich halte mir meine Hände vors Gesicht. Doch als sich der Staub verflüchtigt hat, sehe ich Mia. Sie steht verdutzt in dem Trümmerfeld und starrt mich überrascht an.

Mia

Plötzlich fällt alles in sich zusammen. Da eine riesige Staubwolke entsteht halte ich mir schützend meine Hände vor meine Augen. Als ich vorsichtig dahinter hervor luge, steht Leon vor mir. Er läuft auf mich zu, bleibt aber etwa einen Meter vor mir stehen. Er lächelt mich an. "Hey.", begrüßt er mich. "Hi.", lächle ich zurück. Er tritt einen Schritt nach vorne. Uns trennen nur noch ein paar Zentimeter. Plötzlich werde ich wieder von der Welle an Bildern mitgerissen. Ich keuche auf und Leon tritt schnell einen Schritt zurück. "Ich...Es tut mir leid. Ich weiß, dass du mich nicht in deiner Nähe haben willst. „entschuldigt er sich. Ich nicke. Traurig blickt er auf mich herab. Nichts würde ich lieber als ihn küssen. Aber ich weiß, dass das nicht geht. Ich komme noch immer noch nicht mit meinen Erinnerungen klar. Da sehe ich eine rosa Narbe auf Leons Hals. Langsam gehe ich einen Schritt nach vorne. Leon bleibt still stehen, aber sein Atem beschleunigt sich. Meine Hand gleitet zu seinem Hals. Ich weiß, dass ich ihn nicht berühren werde, aber es fühlt sich gut an, so nah an seiner Haut zu sein. Auf diese Weise kann ich ihn spüren, ohne ihn berühren zu müssen. Schauer jagt mir über den Körper und Leon hat Gänsehaut. "Tut es weh?", frage ich leise. Er schüttelt den Kopf. "Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen konnte." "Du hast mich gerettet.", wiederspricht er mir. Sanft nimmt er meine Hand. Sofort ziehe ich sie weg und gehe einen Schritt zurück. In seinen Augen kann ich die Enttäuschung sehen, die er empfindet. "Wir schaffen das.", verspricht er mir. Ich zwinge mich zu Lächeln. Dann gleitet mein Blick über seine Schulter. Etwa fünfzig Meter entfernt sehe ich, wie ein paar Leute auf uns zukommen. Schnell zähle ich eins und eins zusammen. "Du hast sie hergeholt?", fauche ich empört. "Was? Wen?", fragt er in einer unschuldigen Stimme. Ich deute in die Ferne und weiche weiter zurück. "Sobald du mein Vertrauen wiedergewonnen hast, hast du sie gerufen." "Wie soll ich das denn gemacht haben?", fragt Leon ruhig. "Keine Ahnung, aber irgendwie hast du es geschafft! Oder ist es ein Zufall, dass sie sofort nachdem du aus diesem Steinding befreit wurdest, herkommen? Ich glaube nicht!" Wütend starre ich ihn an. "Ich schwöre dir! Ich habe nichts damit zu tun." "Sie haben dich geschickt, nicht wahr? Du sollst mich zurückbringen!" Betreten blickt er zu Boden. "Ich wusste es!", knurre ich. "Nein!", streitet er ab und hebt die Hände. "Sie haben gesagt, dass ich dich zurückholen soll, aber das wollte ich nicht. Ich wollte, dass es zwischen uns wieder so wie früher wird. Mein Ziel war es, das du mir glaubst, wenn ich sage, dass ich real bin. Außerdem wollte ich dir alles erklären! Das mit meiner Verwandlung und..." Mit einer Handbewegung zeige ich ihm, dass er nicht weiterreden sollte. Dann schüttle ich enttäuscht den Kopf.

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