25. Die wahre Geschichte

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Ly Ann

"Sie ist dir sehr wichtig.", bemerke ich. Er blickt mich nur an. "Wenn wir sie herholen und vor deinen Augen töten würden, dann würdest du uns etwas sagen oder?" Wieder nichts. Wie kann ich ihn dazu bringen, uns zu sagen, warum er sich verwandeln kann. "Ich kann dir Geld geben.", sage ich, obwohl ich genau weiß, dass er das am wenigsten will. "Was sollen wir jetzt mit dir tun? Dich einsperren, bis du alt und grau bist? Du musst uns helfen, das ist auch zu deinem Vorteil. Verstehst du das nicht?" Immer noch führe ich ein einseitiges Gespräch. "Leon, warum bist du hier? Niemand kommt freiwillig in diese Wüste. Vor allem nicht jemand mit diesen Fähigkeiten. Wie bist du aus den Bergen geflohen?" Seine Augen verengen sich. "Ich komme nicht aus den Bergen!" Ich stöhne und rolle mit den Augen. Aber es war immerhin Mal eine Antwort. "Woher kommt ihr dann?" Doch er ist wieder still. "Ich kann sie auch herholen.", fange ich wieder an. "Dann wird sie mich sehen, meine Wunden und euch noch weniger vertrauen." "Mia oder?", erinnere ich mich an ihren Namen. Scharf zieht er die Luft ein. Seine Schwachstelle! "Nun, Mia wird nicht sehr begeistert sein, wenn sie herausfindet, dass du sie angelogen hast." "Ich habe sie nie angelogen.", entgegnet er sofort. "Dann weiß sie von deinen Fähigkeiten?", frage ich ihn. "Natürlich.", antwortet er. "Du bist ein schlechter Lügner." Er schluckt. "Woher weißt du, dass ich gelogen habe?", fragt er. "Wusste ich nicht.", sage ich schulterzuckend und sofort kann ich sehen, wie er seine Reaktion auf meine vorherige Aussage bereut. Nur durch seine Reaktion konnte ich sehen, dass er lügt.

Mia

Ich höre Schritte und ein Kratzen an der Tür. Plötzlich wird sie aufgezogen. Ich trete einige Schritte zurück. Egal wer das ist, wenn er mich auch nur anfasst wird er was erleben. Bevor ich etwas tun kann, steht er auch schon in meiner Zelle. Es ist Leon. Ich stoß einen Freudenschrei aus und falle ihm um den Hals. "Hey.", flüstert er. Als ich mich von ihm löse, sehe ich, dass seine Arme voller noch nicht ganz verheilter Kratzer sind. "Was haben sie mit die getan?", frage ich entsetzt. "Alles ok. Aber wir müssen uns beeilen." "Was...Ich verstehe nicht." Er atmet tief ein. "Wir können gehen." "Bist du ausgebrochen?", frage ich fassungslos. "Niemand ist verletzt. Komm schon!", drängt er mich. "Aber wenn wir nicht entkommen, werden sie uns nie gehen lassen." "Wir entkommen sicher nicht, wenn du noch länger zwischen laufen und stehenbleiben abwiegst." Ich blicke ihn an. "Okay. Gehen wir.", entscheide ich mich. Er nimmt meine Hand und wir laufen zusammen zum Glaskasten, den der Mann als Lift bezeichnet hat. "Und was jetzt?", frage ich ratlos. Er drückt auf den Knopf mit der Zahl 45. "Jetzt hoffen wir, dass im 45. Stock ein Ausgang ist." Als der Lift sich in Bewegung setzt, kann ich zum ersten Mal richtig durchatmen. "Wie bist du entkommen? Und woher sind diese Kratzer?", frage ich erneut. "Geht es dir gut?", lautet seine Antwort. "Weich mir nicht aus. Was ist so schlimm, dass du es mir verschweigst?" Als er den Mund aufmachen will, springt die Tür auf. Wir treten in einen kleinen Raum, der nur durch eine Deckenlampe beleuchtet wird. Doch in der Ecke kann ich eine Tür erkennen. Ich gehe darauf zu und öffne sie. Mit einem leisen Quietschen gleitet sie auf. Es kommt ein Raum zum Vorschein, der mit Licht geflutet ist. Vor mir ist eine Glasfront, mit einer Tür in der Mitte. Der Blick gibt einen atemberaubenden Blick auf die Wüste frei. Überall sind Steinhügel und der Himmel ist dunkelrot. Der Rest ist aus einem matt schimmernden Material. Als Leon hinter mir den Raum betritt, keucht er auf. "Mia.", haucht er mir ins Ohr. Ich drehe mich zu ihm um und er deutet auf den Boden. Erst jetzt fällt mir auf, dass der Boden aus Glas besteht. Als ich mich darüber beuge kann ich tief unter mir einen grünen Fleck erkennen. Die Wiese. "Das ist das Glas, das ganz oben am Krater ist. Ich habe es von unten gesehen.", staune ich. "So schön die Aussicht auch ist, wir kommen hier nicht raus. Die Tür ist verschlossen.

"Was machen wir jetzt?", frage ich und eile zur Glastür. "Wenn wir die Tür einschlagen?", überlege ich. "Das wird nicht funktionieren. Die Tür ist aus einem speziell angefertigten Glas. Niemand kommt hier raus, ohne den Schlüssel.", sagt eine Stimme hinter mir. Leon und ich wirbeln herum und vor uns steht Ly Ann. Ich weiche ein paar Schritte zurück und wappne mich innerlich für einen Kampf. "Wir tun euch nichts.", sage ich langsam. "Warum seid ihr hier?", fragt sie. Sowohl Leon als auch ich schweigen. "Du würfest es uns sowieso nicht glauben." "Ein Versuch ist es wert. Außerdem seid ihr gefangen.", erwidert Ly Ann schulterzuckend. Schnell werfe ich Leon einem Blick zu. "Wir sind aus dem Wald geflohen weil wir wissen wollten, was da draußen ist. Ich wusste nicht Mal, dass es andere Lebewesen gibt, doch dann traf ich Leon. Ich erfuhr alles über die Kontinente." Ly Ann starrt und nur an. "Wie seid ihr hier her gekommen?", fragt sie nach einer Weile. "Durch ein Portal." "Unmöglich! Nur Hexen haben Portale und pro Kontinent gibt es nur eine Hexe die ein Portal erschaffen kann." "Also ist es nicht unmöglich.", antworte ich. "Doch. Denn im Wald leben keine Lebewesen.", beharrt sie. "Ich glaube langsam nähern wir uns unserem wahrem Problem. Ihr glaubt, dass alle Lebewesen von abscheulichen Kreaturen gefressen werden, oder?" Ly Ann nickt. "Das wissen alle. Jeder kennt die Geschichten, von den grausamen Kreaturen die im Wald leben. Das wird schon über Jahrtausende erzählt." "Dann wird es Zeit diese Mythen aufzuklären.", sagt Leon.

Ly Ann

"Also wie lautet die echte Geschichte?", frage ich die zwei neugierig. Mia wirkt immer noch etwas geschockt und Leon wirft mir immer wieder einen prüfenden Blick zu. Ich weiß, dass ich ihn in der Hand habe. Leon wird nichts Unüberlegtes tun, denn ich weiß, was er ist und auch, dass er das unbedingt vor Mia geheim halten will. Aber durch das Geheimnis hat er mir Macht gegeben. Zugegeben ich habe nicht erwartet, dass er es schafft auszubrechen. Doch er konnte nicht wiederstehen, als ich weit von der Tür entfernt auf ihn einredete. Er sprang einfach so auf, stieß mich zur Seite und verschloss die Tür von außen. Dann lief er zum Beobachtungsraum und sowohl die Wissenschaftler als auch meine Soldaten. Dennoch wurde niemand verletzt. Ohne Mia, hätte es sicherlich Verletzte oder auch Tote gegeben. Allerdings weiß Mia auch noch nichts über seinen bemerkenswerten Heilungsprozess. Seine Schnittwunden sind nun gerade Mal ein Kratzer. "Ly Ann?", fragt mich Leon plötzlich. "Nennt mich Ly. Ann mochte ich noch nie wirklich." Sie sollen mir trauen, denn sonst bekomme ich sie nie auf meine Seite. Und notfalls wäre Leon sicher dazu bereit sich in einen Wolf zu verwandeln und alle die um ihn herum sind, bis auf Mia natürlich, zu töten. Beide lächeln mir zu. Sogar ich kann ihre tiefe Verbundenheit spüren. "Wie gesagt. In unseren Geschichten heißt es, dass der Wald im Laufe der Jahrhunderte als Gefängnis genutzt wurde. Irgendwann schlossen sich die Gefangenen zusammen und bildeten Zivilisationen. Ich komme aus einer anderen als Mia, aber wir wohnen nur etwa eine Tagesmarsch voneinander entfernt." "Mein Volk weiß weder, ob es Tiere oder andere intelligente Lebewesen gibt. Für sie sind die Fairys und Fluxe die einzigen im Wald. Auch wissen sie nicht, ob es nur den Wald gibt oder noch mehr." Verwirrt blicke ich zu Mia. "Was sind diese Fluxe und Fairys?" "So nennen wir uns. Fairys haben keine Flügel, während Fluxe...", plötzlich erscheinen hell glänzende Flügel hinter ihrem Rücken "Flügel haben.", beendet sie den Satz. Kurz bewundere ich Mias Flügel, dann schüttle ich meinen Kopf und richte meinen Blick auf Leon. „Aber wie seid ihr in die Wüste gekommen" „Du hast gesagt, dass nur Hexen Portale erschaffen können. Nun, unsere Hexe hieß Thea."

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