20. Vorherbestimmt

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Ly

Ich kann sehen, wie verwirrt Mia mich ansieht, doch sie läuft immer weiter. Als ich an ihr vorbeirase, schreie ich ihr die Worte "Lauf weiter!" zu. Und das macht sie. Doch jetzt habe ich keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn die Männer kommen direkt auf mich zu. Die Wände hinter mir, fangen an zu qualmen, dadurch wird der ganze Gang von Rauch geflutet. Mia und Leon müssen nicht mitansehen, was ich jetzt mache. Die Soldaten sind für einen Moment verwirrt, doch sie laufen weiter. Ich wünschte es würde eine andere Lösung gibt, doch dafür haben wir keine Zeit. Außerdem muss ich Finn rächen. Diese Menschen haben ihm alles weggenommen. Sein Blut und seine Zellen. Auch seine Freiheit. Aber seinen Lebenswillen hat er nicht verloren. Meine Hände fangen an zu brennen und ich bleibe stehen. Ruckartig reiße ich sie nach oben. Sofort gehen alle in Flammen auf. Die Männer wollen schreien, doch dazu kommen sie nicht mehr. Einer nach dem anderen fallen die um und bleiben brennen liegen. Als ich mir sicher bin, dass alle tot sind, laufe ich zurück. Doch ich kann schon die nächsten Schreie hinter mir hören. Und ich will nicht, dass es noch mehr Opfer gibt. "Schließ die Tür!", schreie ich. Ohne zu zögern drückt Finn auf den Knopf. Er vertraut mir, dass ich es rechtzeitig schaffe. Und da hat er Recht. Als sich die Türen schließen, springe ich hinein. Als sie sich geschlossen haben und sich der Lift in Bewegung setzt, höre ich Finns Stimme. "Bist du verrückt?", schimpft er. Ich drehe mich um und Finn grinst mich an. Wie ich dieses Lächeln vermisst habe! "Hast du ihnen zumindest richtig eingeheizt?", lacht er. Ich muss lachen und nicke.

Mia

Mit diesen Worten beendet Ly ihre Geschichte. Mir kommt es vor, als hätte sie den ganzen Tag geredet und doch habe ich nichts verstanden. Doch mein Gehirn braucht noch Zeit es zu verarbeiten. Nach einer Ewigkeit fange ich an. "Was willst du mir damit sagen?" Ich komme mir so dumm vor, da ich es immer noch nicht verstanden habe. Doch statt Ly antwortet mir der Junge. "Du bist ein Elementor." Ich nicke, da das das einzige ist, was ich ansatzweise begriffen habe. "Aber was heißt das? Und hat Ly auch diese Kräfte? Was ist mit dir? Hast du etwa auch Kräfte?" "Kennst du die Geschichte der Elementoren?" Ich schüttle den Kopf. "Kurz nachdem die ersten Zivilisationen entstanden sind, gab es auch die ersten Verbrechen. Es ging soweit, dass normale Wesen die Verbrecher nicht aufhalten konnten. Da kamen die Götter ins Spiel. Sie ernannten jeweils ein Lebewesen auf jeden Kontinent zu einem Elementor. Jeder hatte Kräfte, die sich seiner Umgebung anpassten. Die im Wasser konnten Wasser kontrollieren und verändern. In den Wüsten bildete sich die Feuerkraft, in den Bergen die Kraft mit dem Boden zu vereinen und im Luftreich konnte man die Winde kontrollieren. Doch dann ernannten die Götter einen Elementor, der all diese Kräfte besaß. Doch er oder sie war immer nur so stark wie drei der anderen Elementoren, sodas er nicht die gesamte Macht an sich reißen konnte. Immer wenn ein neuer Elementor geboren wurde, überzog den Himmel ein rotes, ein blaues, ein grünes und ein weißes Band. Wenn allerdings ein Elementor, der alle Kräfte besitzt geboren wird, ist das Band gold."

"Außerdem können nie zwei Elementoren, die die selben Kräfte haben, gleichzeitig am Leben sein. Immer wenn einer stirbt, wartet man sehnsüchtig auf die Bänder, die verkünden, dass sich die Götter einen neuen Elementor gesucht haben. An dessen Tür erscheinen dann die Bänder und der neu ernannte Elementor tritt seinem Schicksal entgegen. Meist sind es noch Kinder um die zwölf Jahre, denn in diesem Altern lernt man am besten. Da es keinen Elementor mit derselben Kraft gibt, wird der der Jüngling von Meistern, die ihr Leben den Elementoren und deren Kräfte verschrieben haben, ausgebildet, während die anderen vier Elementoren ihre Aufgaben erledigen. Der Elementor mit allen Fähigkeiten übernimmt, während der noch unerfahrene Junge lernt, die Aufgabe auf seinem Kontinent. Und diese Tradition wird bis zum heutigen Tag weitergeführt. Doch heute hat sich etwas verändert. Du bist aus dem Wald, wo eigentlich nichts überlebt, gekommen. Noch nie wurde jemand aus dem Wald gesehen, geschweige denn auserwählt."

Daraufhin herrscht eine Weile lang Stille. Doch meine Gedanken rasen. Was sind meine Aufgaben? Von wem soll ich lernen meine Kräfte zu beherrschen? Und wie geht es danach weiter? Bin ich wirklich der erste Elementor, der aus dem Wald komm? Und was wird aus Leon? Ich schüttle den Kopf und rapple mich auf. Dann beginne ich herum zu laufen, in der Hoffnung, dass es meine Gedanken vertreibt. Allerdings ist das nicht der Fall. Nach ein paar Minuten, in den keiner ein Wort gesagt hat, komme ich wieder zurück und lasse mich nieder. "Wie geht es weiter?", frage ich mit fester Stimme. "Du glaubst uns also?", fragt Ly mit einem fröhlichen Unterton. Ich nicke langsam. Sie lächelt mich an und fängt dann wieder an zu reden. "Bevor ich dir erzähle wie es weitergehen wird, muss ich wissen ob du mir vertraust und verzeihst." Ich starre sie an und die ganze Wut und Trauer von den letzten Tagen kommt in mir hoch. Aber ich will ihr eine Chance geben, ihre Taten zu rechtfertigen. "Erklär es mir.", fordere ich sie auf.

"Die Bergmenschen glauben, dass wir keine Erlösung oder Beschützer sind. Sie halten uns für eine Seuche. Als Finn zu ihnen kam, um ihnen gegen die Räuber aus den Bergen, zu helfen, nahmen sie ihn gefangen. Er wurde betäubt und in einen Raum gesperrt, der seinen Kräften standhält. Von da an wurde ihm alles abgenommen, was sie nur kriegen konnten: Blut, Knochenmark, Stammzellen. Sie wollten, und wollen wahrscheinlich immer noch, eine Heilung finden. Als du von ihnen in die Zelle gesperrt wurdest, konnte ich nicht zu dir und dir das Ausmaß deiner Kräfte erzählen. Sie hätten es mit der Überwachungskamera aufgezeichnet und du wärst dort drinnen gestorben. Auch konnte ich meine Kräfte nicht zeigen, da sie auch mich festgehalten hätten." Langsam lasse ich Luft in meine Lungen strömen, da ich unbewusst meine Luft angehalten hatte. "Wie lang wusstest du es schon?", frage ich leise. Sie blickt mich mit einem durchdringenden Blick an. "Seit wir dich und Leon gefunden haben.", antwortet sie, sichtlich unwohl in ihrer Haut. Ich starre sie verblüfft an. "So lange schon?", bricht es aus mir heraus. "Wie? Ich meine warum hast du es gewusst?" "Du warst resistent gegen die Hitze. Leon ist, wie du sicher noch weißt, beim ersten Schritt in die Wüste zusammen gebrochen. Du jedoch hast es Minutenlang in der Hitze ausgehalten. So etwas ist nur möglich, wenn man in der Wüste geboren ist. Oder eben, wenn man die Feuerkräfte in sich hat. Zuerst konnte ich es selbst nicht glauben. Aber als wir zu Poseidon in die Unterwasserwelt kamen, brauchtest du keine Kiemen. Dein Körper hat sich auch perfekt an das Wasser angepasst. Damals wusste auch Liah, die Tochter Poseidons, davon. Sie ist übrigens der Elementor des Wasserreichs. Auch hast du Flügel, die dich sowohl im Erd- als auch im Luftreich weiterbringen."

Ungläubig starre ich sie an. Es erscheint alles so logisch. Dennoch hat sie mich seit unserem ersten Treffen beobachtet. Und sie hat es gewusst und dennoch nichts gesagt. "Warum erzählst du mir das erst jetzt?" "Du hättest es zu der Zeit nicht verstanden. Du wusstest gerade Mal, dass es die Kontinente gibt, da konnte ich dir nicht sagen, dass dein Schicksal schon vorherbestimmt ist." Ich nicke, denn ich verstehe es wirklich. "Also vertraust du mir?", fragt sie leise. "Ja.", antworte ich. Sie hat mir alles erzählt und ich habe es verstanden. Ihre Beweggründe sind nun nachvollziehbar. Als ich ihren Blick auf mir liegen sehe, bekomme ich sofort ein mulmiges Gefühl im Magen. "Du hast mir noch nicht alles erzählt, oder?", frage ich ruhig. Denn was kann jetzt noch kommen? "Stimmt.", sagt sie leise. Ihre Stimme ist bedrückt und auch traurig, etwas was nicht zu ihr passt. Ly war immer glücklich oder wütend, aber wirklich traurig habe ich sie noch nie gesehen. Gerade als sie anfangen will, wird sie vom Jungen unterbrochen. "Ich mach das.", sagt er und wirft Ly einen flüchtigen Blick zu. Wie lang sie sich wohl schon kennen? Sie wirken wie ein eingespieltes Team. Synchron und tödlich. "Also.", sagt der Junge etwas lauter, fährt dann aber sofort fort.

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