25. Hellseher

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Mia

"Bereit?", fragt Ly. Wir stehen zu viert vor de Portal und ich versuche in der blauen Flüssigkeit irgenderwas zu erkennen. "Mia, wir schaffen das.", muntert mich Finn auf. "Wir sind drei Elementoren und ein riesiger Wolf. Er ist allein und schwach." Meine Gedanken rasen und doch kann ich nicht klar denken. Was passiert, wenn etwas schief geht? Sterbe ich? Wie kommen Leon, Ly und Finn da wieder heil raus? Kann Leon ihn wirklich töten oder muss ich das machen? Leon schiebt vorsichtig seine Finger in meine und beruhigt mich so mehr, als alle Worte es könnten. Er blickt auf mich herab und lächelt mich an. Dann beugt er sich nach vorne und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. "Ann und ich gehen zuerst. Ihr kommt nach.", erklärt Finn und nun kann auch ich seine Nervosität aus seiner Stimme hören. Langsam nicke ich und schon tauchen sie in das Portal ein. Ich zupfe mein T-shirt zurecht und blicke zu Leon. "Ich liebe dich.", sagt er, bevor er mich mit ihm durch das Portal zieht. Alles fängt an zu tosen und ich will meine Ohren mit meinen Händen bedecken. Doch als ich meine Hände hebe, lande ich schon hart auf einem Steinboden. Sofort zuckt schmerz durch meinen Körper und ich werde auf die Beine gezogen. Neben mir steht Leon. Wir stehen in dem großen Eingangsbereichs eines Schlosses. Die hohen Decken und die steinerne Treppe, die in den erste Stock führt, sind klare Merkmale dafür. Überall sehe ich weißen Marmor, was alles noch prächtiger erscheinen lässt und ein riesiger Kronleuchter hängt von der Decke, ein paar Schritte vor uns. Leise schleichen wir uns an der Stiege vorbei, wo ein Gang sich in einen großen Ballsaal mündet. "Wo müssen wir hin?", flüstere ich, da ich absolut keine Ahnung habe, wie ich mich in einem derartig riesigem Schloss zurecht finden soll. "Dort!", flüstert Ly zurück und eilt ein paar Schritte nach vorne. Diese Antwort hat mich nicht befriedigt und deshalb laufe ich ihr einfach nach. "Das geht alles viel zu schnell und viel zu einfach!", warnt mich meine innere Stimme. Und in gewisser Weise hat sie Recht. Mir kommt es plötzlich vor, als wären von dem Moment am See mit Leon bis jetzt nur ein paar Stunden vergangen und keine ganze Woche. "Du schaffst das!", sage ich zu mir selbst. Du hast Ly, Finn und Leon, die dir helfen. Wir sind am Ende des Gangs angekommen und spähen nun in den Saal hinein. In der Mitte steht eine riesige Tafel, auf der allerdings nur ein Mensch sitzt. Es ist ein alter Mann, der gemütlich sein Abendessen verputzt. Ansonsten ist der Saal menschenleer.

"Was sollen wir denn jetzt machen?", flüstere ich panisch. "Wir können doch nicht einfach hineinspazieren und ihn töten." "Das müssen wir aber.", erwidert Finn. "Wenn wir noch länger warten, entdeckt er uns vielleicht." "Ihr könnt herein kommen!", höre ich eine tiefe, kratzige Stimme, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Geschockt starre ich meine Freunde an, die genauso verblüfft sind wie ich. "Ihr braucht euch nicht zu verstecken.", ruft er nun. Finn steht auf und tritt in den Saal. "Was machst du denn da?", zisch Ly wütend. Er sieht uns an und zuckt mit den Schultern. "Er weiß doch bereits, dass wir da sind." Wie hat er es gewusst? Was wird nun aus unserem Plan? Werde ich heute noch sterben? Da es, wie Finn gesagt hat, nichts mehr bringt, uns zu verstecken, kommen wir alle hinter der Wand hervor und positionieren uns. Unbeeindruckt isst er weiter und würdigt uns nicht einmal eines Blickes. Vorsichtig gehen wir an der Tafel entlang und kommen ihm immer näher. Und je mehr wir die Distanz verkleinern, desto harmloser wirkt er. Es ist nur ein alter Mann, der sein Essen genießt. "Nein! Lass dich nicht von seinem Aussehen blenden! Er hat Menschen getötet. Und er wird auch dich töten, wenn du nicht aufpasst!", fährt meine innere Stimme mich an. Aber er sieht so friedvoll aus. Seine Augen sehen müde aus und in seinem Gesicht sind Falten. Er hat einen Anzug an, was mir ziemlich komisch vorkommt, denn wer zieht einen Anzug an, wenn er alleine zu Abend isst? Ich schüttle den Kopf, um meine Gedanken los zu werden. Doch es funktioniert nicht. "Ihr habt ernsthaft geglaubt, dass ich es nicht merke, wenn meine Nachfolgerin in meiner Nähe ist?", fragt er lächelnd. An den Gesichtsausdrücken den anderen, kann ich erkennen, dass es ihnen genauso geht, wie mir. Sie sind verwirrt, haben Angst und wissen nicht was sie machen sollen. "Ich habe nur eine Frage: Wer ist der junge Mann?", redet er weiter und deutet auf Leon. "Der, der sie töten wird!", knurrt Leon und stürzt sich auf ihn. Während des Laufens, verwandelt er sich in den Wolf und gerade als er zum Sprung ansetzen will, wird er quert durch den Raum geschleudert. Ich kann seine Knochen brechen hören und er jault auf. "Leon!", schreie ich entsetzt. Aber er steht wieder auf und jagt auf den Mann zu, deutlich langsamer allerdings. "Leon nicht!", rufe ich, doch es ist zu spät. Wieder fliegt er durch die Luft und schlittert an die Wand. Diesmal bleibt er regungslos liegen.

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