zwei

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Mia

Langsam fängt der Rucksack an, auf meine Flügel zu drücken. Ich bin seit ein paar Stunden unterwegs, aber der Wald ist immer noch so dicht und unendlich wie seit der ersten Minute. Der Mond hängt gerade noch an der Kante des marineblauen Himmels. Aber auch er verschwindet langsam. Nur wenige Minuten später hat sich die Sonne auf den Horizont gehievt. Deshalb schimmert jetzt alles in einem zarten orange-rot. Als ich eine kleine Lichtung sehe, fliege ich sofort auf sie zu. Ich brauche eine kleine Pause. Als ich auf den weichen Moosboden aufkomme, lasse ich sofort den Rucksack von meinem Rücken gleiten. Er fällt auf den Boden und ich hole die Wasserflasche heraus. Gierig trinke ich ein paar Schlucke. Ich habe genug Wasser für ein paar Tage mit, dann, so hoffe ich, finde ich eine Quelle. Im Schneidersitz beuge ich mich über meine Tasche. Als ich mein Frühstück herausholen will, höre ich es hinter mir knacksen. Erschrocken springe ich auf und stoße mich vom Boden ab. In zwei Meter Höhe, erkenne ich wie sich langsam ein Schatten von den Bäumen löst. Als ich erkenne wer es ist, quietsche ich auf.

Es ist Emma. Schnell lasse ich mich auf den Boden fallen und laufe zu ihr hin. Als ich sie umarmen will, hält sie die Hand zwischen uns. Sie fängt an zu sprechen und ich stutze. Es ist meine Stimme. "Sei nicht töricht! Sie ist nicht hier!" Als ich einen Schritt zurückweichen will, stolpere ich und ehe ich es realisiere, liege ich zwischen Gräsern und Wurzeln. Schnell rapple ich mich wieder auf, allerdings lässt der nächste Schock nicht lange auf sich warten. Auch hinter mir höre ich eine Stimme.

Wieder ist es meine. "Was für ein mieser Trick. Emma zu benutzen!" Ich drehe meinen Kopf und sehe eine Gestalt, die in einem grauen Mantel gekleidet ist. Ihr Gesicht ist nicht zu erkennen. Um sie herum hat sich Nebel gebildet. "Wer seid ihr?", rufe ich panisch. Emma lacht. Beide gehen auf mich zu und bleiben vor mir stehen. "Was wollt ihr von mir?" "Wir wollen beide etwas Verschiedenes!", stellt die Kaputzengestalt klar. "Darf ich mich vorstellen?", fragt Emma. "Ich bin dein Gewissen. Und das," sie deutet auf die andere "ist deine Neugierde."

"Träume ich?", frage ich langsam. Kann so etwas real sein? "Keineswegs. Wir haben nur den ganzen Weg hierher gestritten." "Ihr seid also real?" "Naja. Für dich schon. Andere würden sagen, dass du bist verrückt bist." Ich atme tief ein und setze mich auf einen Baumstumpf. "Was muss ich machen, damit ihr wieder verschwindet?", frage ich nach einer Weile, als ich alles etwas verarbeitet habe. "Wir gehen nicht weg. Du kannst eine von uns wählen, die andere jedoch bleibt dir jedoch erhalten.", erklärt mir Emma. Die Gestalt nickt zustimmend. "Ich, die Neugier, will dass du weiterfliegst. Die Welt entdeckst, was es alles zu sehen gibt. Das du Sachen erlebst, die keine Flux je erlebt hat!" "Und du?", frage ich Emma. "Nun, Emma wartet zu Hause auf dich. Auch deine Mutter. Deine Verpflichtungen und auch deine Sicherheit. Wenn du zurück gehst wirst du sicher sein. Über Abenteuer kannst du auch in Büchern lesen!" "Aber stell dir vor, was du alles sehen könntest. Dann würden andere deine Geschichte in Büchern lesen!", kommt sofort die Antwort von der Gestalt. Vollkommen verwirrt huscht mein Blick zwischen den beiden hin und her. "Also eine von euch, will dass ich nach Hause gehe und die andere will, dass ich weiterfliege.", wiederhole ich. Beide nicken. "Und?", fragen sie gespannt.

"Keine Ahnung!", rufe ich verzweifelt. „Ich habe diese Reise schon lange geplant, also habe ich mich so gut es nur geht darauf vorbereitet, andererseits habe ich absolut keine Ahnung, was mich alles erwartet. Es könnte sein, dass ich in Situationen komme, die ich mir nie träumen hätte lassen. Jedoch konnte der Rat auch Recht haben, und da draußen ist wirklich nichts außer den Fluxen und den Fairys!" "Du sollest dich schnell entscheiden. Hier draußen ist es gefährlich.", stellt Emma fest. "Mia! Wenn du jetzt umkehrst, wird dich Emma auslachen. Du wirst versagt haben!" "Nein! Sie würde dich mit strahlenden Augen empfangen." "Hat der Wald denn ein Ende?", frage ich verzweifelt. Als Antwort bekomme ich nur Schulterzucken. Langsam atme ich ein und wieder aus. Was soll ich denn jetzt machen? Die Idee wieder nach Hause zukommen, in meinem Bett zu schlafen, genug Essen zu haben, meine Freunde wiedersehen, ist zu verlockend. Aber der Gedanke an die Welt, die vor mir liegt, hat auch eine gewisse Anziehungskraft. Würde ich je wieder nach Hause kommen, wenn ich jetzt gehe? Sehe ich meine Mutter wieder? Emma? "Ich gehe heim. Wer weiß, ob der Wald je endet. Und ob es noch andere Lebewesen gibt." "Was?", ruft die Gestalt überrascht. "Wenn du wüsstest, dass es andere Lebewesen gibt, würdest du dann weitergehen?", fragt sie mich und ich merke, dass sie so schnell nicht aufgeben will. Ich überlege. "Ja."

FairytaleWhere stories live. Discover now