26. Henkersmahlzeit

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Ly Ann

Die Tür schlägt zu und ich lehne mich an die Wand. Leon und Mia sind in dem Raum hinter mir, indem zwei Betten und eine Mahlzeit stehen. Noch immer sind sie skeptisch, was mich betrifft. Wäre ich wohl auch, wenn jemand mich zuerst töten will und mir dann hilft. Aber sie scheinen das, was ich als ausschlaggebend betrachte, nur als kleines Detail wahrzunehmen. Die Existenz von Thea hat alles verändert. Als ich ihren Namen aus Mias Mund hörte, wusste ich sofort, dass sie wirklich aus dem Wald sein müssen. Vielleicht wissen sie nicht Mal, was oder wer Thea ist, aber wenn die Mythen stimmen, dann ist sie mächtiger als alles, was wir uns je vorstellen können. Ich habe nicht die geringste Idee, wie es jetzt weitergehen soll. Doch irgendwie muss ich über das Schicksal der zwei bestimmen. Schnell gehe ich zu einem kleinen Raum, indem um einen runden Tisch eine Vielzahl an Stühle steht. Vorne ist eine Tafel an der Wand. Neben dem ersten Stuhl ist ein kleiner Knopf, den ich drücke. Sofort ertönt ein Summen, und nacheinander treten Männer und Frauen in den Raum. Nach wenigen Minuten sind alle zwölf beisammen. Ich stelle mich vor sie hin und beginne zu sprechen. "Wie alle von euch wissen, befinden sich zwei fremde Lebewesen in unserer Stadt. Sie sagen sie kommen aus dem Wald und nun habe auch ich keinen Zweifel mehr daran.", beginne ich. "Was hat deine Meinung geändert?", fragt mich eine Frau mittleren Alters, namens Nina. "Die Erwähnung eines Namens. Einen denn ihre alle kennt und auch fürchtet. Thea." Ein Raunen erfüllt kurz den Raum, bevor es wieder still wird. "Sie wissen wohl nichts von ihrer Kraft und haben es als alltäglich abgetan." "Was verleitet dich dazu ihnen zu vertrauen? Auch sie können die Geschichten gehört haben und die Unwissenheit vorspielen." Ich schüttle den Kopf. "Sie schienen vollkommen ehrlich zu sein, als sie es mir sagten. Außerdem waren sie davon überzeugt, dass ich sie foltern werde. Eine Lüge hätten sie in dem Zustand nicht riskiert."

"Ich traue ihnen nicht.", kritisiert ein Axanon. "Was sollen wir deiner Meinung nach tun?", frage ich. Er zuckt mit den Schultern. "Foltern, damit sie uns Informationen geben und dann töten." "Glaubst du denn, dass sie nützliche Informationen haben? Sie wissen nichts über uns oder das Leben außerhalb des Waldes. Nicht mal innerhalb scheinen sie Bescheid zu wissen." "Wir sollten herausfinden, was im Wald vor sich geht. Und das geht nur, wenn wir eine Insiederquelle haben." "Ich bin mir sicher, dass dir sowohl Leon als auch Mia deine Fragen beantworten." "Und was ist mit dem Wolfsjungen?", fragt er skeptisch. "Das weiß ich nicht. Er hält seine Gabe vor Mia geheim." "Warum das?", mischt sich jetzt Lokoan, ein Mann Mitte 30, ein. "Ich denke er will Mia keine Angst einjagen. Sie hat erzählt, dass sie von etwas angegriffen worden ist. Vielleicht hat es damit etwas zu tun." "Wir könnten diese Information als Druckmittel nehmen." Ich schüttle den Kopf. "Dadurch würden wir ihr Vertrauen wieder verlieren." "Was haben sie vor?", fragt eine junge Frau. "Axanon hat sie befragt.", antworte ich und bitte ihn mit einer Handbewegung zu mir heraus. "Sie wollen auf alle Kontinente um dort etwas über die Völker und Naturräume zu lernen. Anschließend kehren sie in ihre Heimat zurück." "Sind sie wirklich so dumm, oder wissen sie einfach nicht, was da draußen für Gefahren lauern? Und das alles für Wissen?", bemerkt Nina. "Das richtige Wissen kann manchmal Leben retten. Sie wollen dadurch alles verändern. Mia sagte, dass ihr Volk nicht mal weiß, dass es andere Lebewesen gibt.", erzählt Axanon weiter. "Ich finde wir sollten ihnen helfen.", sage ich. Stimmengewirr erfüllt den Raum. „Wissen sie wirklich nicht wer Thea ist?", "Können wir ihnen wirklich vertrauen?" und "Was springt für uns dabei heraus?", sind nur einige Fragen. Ich hebe meine Hand. Alle kommen langsam zur Ruhe und es ist wieder still. "Ich gehe mit ihnen. Mich wird Axanon vertreten. Ich will, dass alles so weitergeführt wird, wie ich es wollen würde. Ihr alle werdet ihm zur Seite stehen. Das ist mein letztes Wort.", bestimme ich.

Mia

Langsam legt sich die Dämmerung über den Trichter. Das Zimmer, in das uns Ly gebracht hat, ist beinahe dunkel. Am Tisch stehen noch immer die zwei leeren Teller. Ich liege in meinem Bett und Leon steht am großen Fenster. "Du willst mir noch immer nicht sagen, was sie mit dir angestellt haben?", frage ich nun schon zum zweiten Mal. "Nein. Es war nichts, was ich nicht verkraften könnte.", wiederholt er seine Antwort von vorhin. "Haben sie dich gefoltert?" "Mia.", antwortet er sanft und dreht sich zu mir um. "Ich hätte mir nie verziehen, wenn dir etwas passiert wäre.", antworte ich leise. "Du wirst mich noch lange ertragen müssen. Versprochen." Ich lächle und stelle mich neben ihn ans Fenster. "Was hat Ly überzeugt?", fragt er. "Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Sie ist plötzlich ganz blass geworden. Aber es könnte sein, dass das alles eine Falle ist." "Dann ist das unsere Henkersmahlzeit?", fragt er skeptisch. "Was ist das denn." Lachend sieht er mich an. "Kurz bevor du getötet wirst, kannst du so viel essen wie du willst." Geschockt starre ich ihn an. "Woher weiß du das?" "Geschichten.", antwortet er grinsen. „Das heißt sie würden bald kommen und uns töten?", frage ich etwas panisch. „Genau. Aber findest du nicht auch, dass wir diese Zeit sinnvoll nutzen sollten?" Ich nicke, habe aber keine Ahnung, was wir machen sollen. „Komm.", sagt er geheimnisvoll, nimmt meine Hand und zieht mich zur Tür. „Wohin gehen wir?", frage ich gespannt." "Lass uns hoffen, dass sie den Lift über Nacht nicht abstellen. Das ist alles was ich dir sage.", antwortet er mir.

Wir stehen an der Fensterfront, die denn wundervollen Blick auf die Wüste und den Himmel freigibt. Plötzlich ertönt ein Geräusch. "Woher kommt das?", frage ich verwirrt. "Aus den Lautsprechern in der Ecke dort.", erklärt Leon. "Wir bitten kurz um ihre Aufmerksamkeit. Bettruhe ist wie jeden Tag um Mitternacht. Morgen Früh wird es Kuchen zum Frühstück geben, es lohnt sich also, früh aufzustehen. Ich wünsche allen noch einen wundervollen Abend." Es war Ly Anns Stimme. "Kuchen?", fragt Leon begeistert. Lachend blicke ich zu ihm hoch. Doch bevor ich etwas erwidern kann, ertönt Musik.

Ly Ann

Langsam ziehe ich die Tür auf. Sofort sehe ich Mia und Leon wie sie nebeneinander stehen und sich über die Musik wundern. "Klassische Musik?", fragt Mia. "Perfekt zum Tanzen.", antwortet Leon lächelnd. Er nimmt ihre Hand und legt sie auf seine Schulter, dann verschränkt er ihre linke Hand mit seiner. Die andere legt er auf ihre Hüfte. "Wir schaffen das doch sicher ein zweites Mal, oder nicht? Geh mir einfach wieder nach.", sagt er leise. Langsam fangen sie an, durch den Raum zu tanzen. Zuerst stockend aber dann immer flüssiger. Leon zieht ihre Hand nach oben und sie dreht sich um ihre eigene Achse. Dann hört sie auf und legt ihre Kopf an Leons Burst. Ich kann das Glänzen, welches Leons Augen vollkommen einnimmt, bis hierher sehen. Plötzlich hört die Musik auf und sie lösen sich voneinander. Schweigend blicken sie einander an. Seufzend drücke ich die Tür auf und Mia wirbelt herum, während Leon mich angespannt beobachtet. Ich habe das Geheimnis seiner Kräfte noch immer gewahrt, und werde es auch nicht lüften, solange es nicht unbedingt notwendig ist. "Was willst du?", knurrt Mia. Sie vertraut uns und mir immer noch nicht. Doch ich will nichts mehr, als ihr Vertrauen. "Ich weiß zwar nicht, was ihr mit Leon angestellt habt, aber das werde ich dir nicht verzeihen." "Es tut mir aufrichtig leid. Leon...", will ich erklären, doch Leon kommt mir zuvor. Er hat Angst, dass ich sein Geheimnis verrate. Ich versuche ihm einen beruhigenden Blick zuzuwerfen, doch er ignoriert mich. "Ich habe mich gewährt und wollte sie verletzten.", kommt mir Leon überraschender Weise zu Hilfe. Er will anscheinend um keinen Preis, dass Mia etwas von seinen Kräften erfährt. "Verteidigst du sie etwa?", fragt Mia verdutzt. "Nein.", antwortet Leon zögernd. "Aber ich will nicht, dass du ihnen die Schuld gibst. Wir müssen ihnen vertrauen um hier raus zu kommen.", ergänzt er und wirft mir einen vielsagendem Blick zu.

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