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Mia

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Dann noch einen. Rasselnd hole ich Luft und raufe mir die Haare. Das ist einfach unmöglich! „Weißt du noch, als du über die Schwelle dieses Hauses tratst?", fragt sie leise nach einer Weile. Ich nicke. Es fühlte sich vertraut an. So als würde ich nach einer langen Zeit wieder nach Hause kommen. „Ich empfand dies, da ich schon tausende Male hier war. Es war wie ein zu Hause für mich.", schlussfolgerte ich. „Genau. Auch die Blockade, die deine Erinnerungen unter Verschluss halten, konnte dieses Gefühl nicht verhindern." Plötzlich fällt mir etwas ein. „Die Bilder!" Kurz leuchteten Theas Augen auf, doch dieses Leuchten verschwinet sofort wieder. „In deinem Wohnzimmer und in deiner Küche hängen Bilder von einem kleinen Mädchen. Ich habe dich damals gefragt, ob das deine Tochter ist, und du hast abgeblockt. Du hast nichts gesagt, da ich das kleine Mädchen auf den Bildern bin.", meine ich leise. Thea nickt. „Ich hatte viel Zeit und habe angefangen zu malen." „Haben wir diese Momente wirklich zusammen erlebt?", frage ich gespannt. Nur zu gut kann ich mich an die Bilder und die Faszination, in die sie mich gezogen haben, erinnern. „Ja. Auf einem ist auch dein Vater zu sehen." Ich erinnere mich. Es hängt über dem Sofa im Wohnzimmer. Das Mädchen, also ich, sitze auf dem Schoß meines Dads. Eigentlich hätte ich ihn erkennen müssen. Als hätte Thea meine Gedanken gelesen, reagiert sie mit dieser Aussage. „Ich bin zwar eine Göttin, doch das heißt nicht, dass ich auf Anhieb gut zeichnen kann. Der Mann auf dem Bild sieht deinem Vater nicht sehr ähnlich." „Das zweite Bild ist von dem Mädchen und einer Puppe, die sie in der Hand hält. Um sie herum wachsen wunderschöne Blumen. Und dann gibt es noch eines, wie ich mit einer Art Stock dastehe und aus der Spitze des Stocks bunte Linien schießen." Es wäre so, als würde ich vor ihnen stehen, so klar kann ich sie sehen. „Auch das ist passiert.", erwidert sie. „Aber wie habe ich diese Linien geschaffen?", überlege ich. Als Thea nicht antwortet, blicke ich sie forschend an. „Was ist?", bohre ich nach. „Da du meine Tochter bist, hast du auch einige Fähigkeiten von mir. Kannst du dich noch an Leons Tod erinnern?" „Nur zu gut!", murmle ich.

„Du hast ich von den Toten auferstehen lassen, ihn geheilt. Das aber nicht mit der Kraft, die du durch deinen Elementorenstatus erhalten hast. Es war vielmehr eine göttliche Kraft. Es hat schon öfter solche Wesen wie dich gegeben. Man nennt sie Halbgötter. Ein Elternteil ist sterblich, der andere ist ein Gott. Früher warst du unsterblich, doch da du ein Elementor wurdest, bist du sterblich geworden. Dennoch hast du einige Kräfte, die auch Götter haben. Welche, hängt von dir ab." Langsam lasse ich Luft in meine Lungen strömen. Mir ist nicht aufgefallen, dass ich die Luft angehalten habe. Es erscheint alles viel zu surreal, als das es alles wahr sein könnte. Aber ich träume nicht, was ich an meinen Fingern erkennen kann. Jeder weiß, dass wenn man träumt, mehr Finger hat. Doch ich habe fünf an jeder Hand. „Ich muss zu meiner Mum und Emma!", rufe ich plötzlich. Kurz kann ich Schmerz in Theas Augen sehen, als ich meine nicht biologische Mum, Mum nenne. Schnell starre ich zu Boden, doch ich weiß nicht genau, wie ich Thea nun nennen soll. „Dir ist klar, dass es sehr gefährlich und riskant ist, oder?", meint sie nun. Das war schon mal kein Verbot. Ich nicke. „Ich war mehrere Monate weg, sie wissen nicht einmal, dass es andere Lebewesen gibt. Aber Emma muss es einfach erfahren. Außerdem macht sich Mum... Xenja sicher schon Sorgen." Sie wird krank vor Sorge sein, schließlich habe ich sie allein gelassen. „Sie wurde gefangen genommen.", gibt Thea von sich. „Was?", rufe ich. „Letzte Woche habe ich sie noch gesehen, und sie fühlte sich schon seitdem du weg bist beobachtet. Und als sie sagte, fall sie diese Woche nicht kommt, weiß ich, was los ist." Thea sieht meinen geschockten Gesichtsausdruck.

„Sie tun ihr nichts! Keine Sorge, das lasse ich nicht zu. Der Rat denkt, dass sie nichts weiß und du einfach abgehauen bist." Erst jetzt fällt mir auf, dass ich etwas Wichtiges übersehen hatte. „Der Rat weiß also wirklich alles über die Welt hier draußen." „Ja. Sie halten es aber vor allen geheim, da sie denken, dass es zur Eskalation kommen würde. Ihr seid aus ein paar Verbrechern entstanden, die in den Wald verbannt worden sind, und das zuzugeben, ist mehr als schwierig. Schließlich weiß auf den Kontinenten auch niemand etwas von den Stämmen im Wald. Der Rat will in Ruhe leben und das ohne eventuelle Störenfriede. Wenn du also zurückkehrst, wirst du genau zu diesem Feind. Dir mögen die Methoden, wie sie ihre Leute drinnen und andere draußen behalten rustikal vorkommen, doch sie sehen nur das positive. Das sich da draußen Möglichkeiten bieten würden, erkennen sie nicht." „Ich gehe trotzdem!", beschließe ich. „Heute Abend. Vielmehr fliege ich am Nachmittag los, damit ich um etwa Mitternacht dort ankomme. Langsam nickt Thea. Sie wiegt wahrscheinlich gerade zwischen gut und schlecht ab. „Wie soll es zwischen uns weitergehen?", meine ich und blicke sie verlegen an. „Ich kann dich nicht zwingen, mich als Mutter an zu sehen. Und das verlange ich auch nicht, denn Xenja wird für dich immer deine Mutter bleiben. Ich will nur, dass du weißt, dass es mir Leid tut. Ich hätte mehr für dich da sein müssen. Wenn schon nicht als Mutter, dann als Tante." Ich schlucke. Sie hat wirklich ein schlechtes Gewissen. Hat sie denn Grund dazu? Sie hat mein Gehirn manipuliert und mir meine Erinnerung genommen. „Kannst du mir meine Erinnerungen wieder geben?", frage ich leise. Ich wüsste gerne, was ich von ihr gehalten habe und was wir alles gemeinsam erlebt hatten.

„Willst du das wirklich?", erwidert Thea und mustert mich. Schnell nicke ich energisch. Thea macht einen Schritt auf mich zu und drückt jeweils zwei Finger an meine Schläfen. Als sie sie wieder wegnimmt, fühle ich mich nicht anders. „Und du bist dir sicher, dass das so funktioniert?", überlege ich. „Natürlich!" Gerade als sie antwortet, spüre ich es. Es ist eine Wärme, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitet. Und es fühlt sich so an, als wäre ein Teil von mir zu mir zurückgekehrt. Plötzlich schießen mir Bilder durch den Kopf. Es sind wir, Thea und ich, mit meinem Vater, wie wir über die Blumenwiese tollen. Wir lachen und sind glücklich. Das nächste Bild zeigt und in der Küche. Den Platz meines Vaters hat Xenja eingenommen. Wir trinken Tee und tun so, als wären wir vornehme Damen. Allein bei dem Anblick, wie unsere kleinen Finger von den Teetassen gespreizt sind, bringt mich zum Lächeln. Es folgen weitere glückliche Familienerinnerungen und es kommt mir fast so vor, als würde ich in einem Familienalbum blättern, wobei mir bei jedem Bild die Geschichte dahinter wieder einfällt. Irgendwann ebbt die Überflutung an Bildern und Erinnerungen ab und ich öffne meine Augen, die ich irgendwann geschlossen habe. Thea sieht mich fragend an und ich kann nicht anders. Schnell gehe ich einen Schritt nach vorne und ziehe sie in eine feste Umarmung. Zuerst ist sie perplex, doch dann schlingt sie ihre Arme um meinen Oberkörper. „Ich habe dich lieb.", murmle ich, wobei meine Stimme von ihren Haaren gedämpft wird. Plötzlich höre ich Schritte hinter mir. Sofort löse ich mich aus der Umarmung, in der ich mich geborgen gefühlt hatte, und wirble herum. Es wundert mich nicht, dass Leon vor mir steht. Sofort habe ich das Glück vergessen und ich starre ihn hasserfüllt an. „Verschwinde!", knurre ich. Er sieht mich verzweifelt an. Als er nicht geht, verengen sich meine Augen.

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