33. Muss immer der Junge den ersten Schritt machen?

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Mia

Mein Herz setzt einen Schlag aus und meine Knie werden weich. Verzweifelt blicke ich zu Leon und Ly, die mich panisch ansehen. "Sie heißt Mia.", erklärt der Mann weiter. "Er meint mich! Er meint mich!", schreie ich in meinem Inneren. "Wir wissen, dass du hier bist, also ist es sinnlos dich zu verstecken!" Jetzt redet er direkt zu mir, allerdings hat er mich noch nicht gefunden, und so schweifen seine Augen über die Menschenmenge hinweg. Ich atme nun ganz flach und kann mich nicht rühren. Mit großen Schritten geht er zur Menschenmenge und nimmt eine Frau an der Hand. Diese schreit auf, doch er zerrt sie entschlossen mit sich. Aus seiner Jacke holt er eine Pistole und hält sie ihr an die Schläfe. Die Frau fängt an zu wimmern und Tränen rinnen ihr über die Wangen. "Die Frau wird wegen dir sterben, Mia. Du hast zehn Sekunden, um doch zu zeigen." Nun erwache ich aus meiner Starre. "10...9...", fängt er den Countdown an. Ohne zu zögern stolpere ich durch die Menschen vor den Mann. Hinter mir kann ich Leon auf keuchen hören. "Stopp! Halt! Ich bin hier." Langsam lässt er die Pistole sinken und lächelt mich an. "Mia!", begrüßt er mich erfreut. Die wimmernde Frau blickt mich an. "Lass sie gehen. Du hast mich doch jetzt!", fauche ich ihn an. Ich habe keine Ahnung, woher ich dieses Selbstbewusstsein nehme. Nach einer Ewigkeit lässt er die Frau los, die sofort in die Menge zurückstolpert, wo sie von ihrer Familie empfangen wird. "Geht es ihnen gut?", rufe ich ihr hinterher. Panisch dreht sie sich um. In ihren Augen steht blankes Entsetzen. Doch sie nickt und lächelt mich an. Ich lächle zurück. "Also was wollen sie von mir.", wende ich mich wieder an den Mann. "Oh ich glaube das kannst du dir vorstellen." Ich atme tief durch und schüttle den Kopf. "Dann werden wir deinem Gedächtnis wohl auf die Sprünge helfen müssen.", antwortet er mir gefährlich ruhig. Da packt er mich am Arm, zerrt mich zu sich und dreht mich zur Menge um. "Dankeschön für ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche noch einen schönen Tag.", mit diesen Worten dreht er sich um und zieht mich hinter ihm her. "Warte! Darf ich noch kurz etwas machen?", frage ich panisch. "Wehe du kommst nicht mehr zurück." Ich nicke kurz und fange an zu laufen. Noch nie lief ich schneller. Dann bremse ich ab und stehe direkt vor Leon. Der starrt mich vollkommen überrumpelt an. Doch ohne zu zögern lege ich meine Finger um seinen Nacken und ziehe sein Gesicht zu mir hinunter. Bevor er reagieren kann, liegen meine Lippen schon auf seinen. Sanft drücke ich meinen Kopf an seinen. Unsere Lippen berühren sich und es fühlt sich so an, als würden tausend Schmetterlinge in meinem Körper Saltos schlagen. Vorsichtig öffne meinen Mund. Er erwacht aus seiner Starre und schlingt seine Arme um meinen Oberkörper. Dann öffnet auch er seinen Mund. Der Kuss wird inniger und ich erkunde mit meinen Fingern seine Haare. Ich drücke meinen Körper fordernd an seinen. Eine Wärme, die ich noch nie zuvor gespürt habe, füllt mich vollkommen aus und ich habe Gänsehaut. Leon stöhnt leise in meinen Mund. Langsam zwinge ich mich von ihm zu lösen. Vollkommen überrascht, von dem, was gerade passiert ist, starrt er mich an. Ich streiche ihm liebevolle über die Haare. Dann blicke ich noch ein letztes Mal in seine wunderschönen gelben Augen, drehe mich um und gehe zu dem schwarz gekleideten Mann. Mein Herz schlägt so schnell gegen meine Brust, dass ich Angst habe, es springt heraus. Der Mann nimmt mich an meinem Arm und zerrt mich mit sich. Ich kann noch meinen Kopf drehen und sehe Leon, der verzweifelt versucht mir zu folgen. Doch Ly hält ihn zurück. Er versucht sich zu befreien, aber Ly hat genug Kraft, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Ohne es zu merken rinnen mir Tränen über meine Wangen. Doch da verschwindet der Platz, und auch Leon aus meinem Blickfeld, denn wir sind in einen steinernen Gang eingebogen.

Immer weiter werde ich durch den steinernen Tunnel gezerrt. Irgendwann kann ich einen hellen Kreis am Ende sehen. Es dauert noch ewig, doch irgendwann erreichen wir den Ausgang. Schon von etwas weiter weg, spüre ich die kälter werdende Luft. Endlich treten wir ins Freie und der Ausblick, der sich mir bietet, raubt mir den Atem. Wir stehen an einem Felsvorsprung und vor uns erstecken sich hunderte Berge. Alle sind so hoch, dass die Spitzen in den Wolken hängen. Ich kann grüne Täler erkennen und der Himmel ist in einem wunderschönen blau gefärbt. Weit unter mir sehe ich Bäume, die mir ein kleines Stechen ins Herz setzen, denn sie erinnern mich an zu Hause. Plötzlich werde ich nach hinten gerissen und ich spüre ein kurzes Brennen an meine Handgelenke. Sofort gleitet mein Blick auf meine Hände und ich kann gerade noch erkennen, dass winzige Tropen Blut aus einer Einstichstelle tropft. "Was war das?", frage ich mit fester Stimme. "Ach das? Es lässt dich etwas entspannen." Plötzlich verschwimmt alles. Die wunderschöne Landschaft sind nur noch langgezogene Striche und ich kann spüren, dass meine Füße den Boden nicht mehr berühren. Dann wird alles schwarz.

Leise Stimme ist das erste was ich höre. Sie werden immer lauter und schließlich öffne ich die Augen. Ich sitze auf einem sehr unbequemen Stuhl, in einem dämmrigen Raum. Da sehe ich Schatten an der Wand und ich drehe meinen Kopf. Hinter mir stehen zwei Männer. Als ich bemerke, dass meine Hände zwar aneinander gebunden sind, aber dass meine Füße sich frei bewegen können, springe ich auf. Ich drehe mich und nutze den Schwung der Drehung für eine ordentliche Backpfeife. Der erste Mann stöhnt auf und taumelt zurück. Da stürzt der zweite auf mich zu. Auch ihm verpasse ich einen saftigen Hieb. Der erste hat sich wieder erholt und rammt mich an die Wand. Mein Kopf knallt dagegen und ich verliere mein Bewusstsein.

Wieder wache ich durch Stimmen auf, doch ich öffne meine Augen nicht, denn mein Kopf fühlt sich an als würde er platzen. Vorsichtig bewege ich meine Hände und Beine. Doch ich höre nur, wie Ketten klappern. Nun öffne ich doch meine Augen, was mich fast wieder in Ohnmacht fallen lässt, da mein Kopf dröhnt. Aber bevor ich meine Augenlieder wieder nach unten gleiten lasse, erkenne ich, dass sowohl meine Beine, als auch meine Hände an die Wand gekettet sind.

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