xiii. the rescue

Beginne am Anfang
                                    

Die Stimmung im Kontrollraum wird angespannter, als eine Durchsage der Pilotin informiert, dass sie bald den Luftraum des Kapitols durchdringen werden. "Noch 20 Sekunden bis zum Verteidigungsring", gibt ein Mitarbeiter der Pilotin durch, vor dessen Augen das Radar stets aktualisiert wird.

"Noch 10 Sekunden."

// Juniper //

"Noch 9 Sekunden."

Nervös greife ich nach der Hand von Finnick, als ich meine Augen schließe und darauf warte, dass wir unbemerkt den Verteidigungsring durchdringen. Neben uns zählt ein Kommandeur die letzten Sekunden ab.

Auch wenn Alma Coin uns kurz vor dem Start des Hovercrafts davon überzeugen wollte, dass es besser ist wenn wir in Distrikt 13 bleiben, so hatten wir unsere Entscheidung bereits getroffen. Wir sind uns der Gefahr bewusst, die wir uns damit aussetzen, doch ebenso war Finnick und mir klar, dass wir bei der Befreiung unserer Freunde aktiv helfen möchten. Wir würden für sie das Gleiche riskieren, dass wir auch füreinander aufs Spiel setzten würden.

"3", höre ich der angespannten Stimme in meinen Kopfhörern zu. "2."

"1." Für einen Augenblick halte ich die Luft an und warte auf ein Signal oder Ähnliches, dass unsere Ankunft im Kapitol verraten würde. Doch sowohl im Hovercraft, als auch außerhalb im Luftraum bleibt das einzige hörbare Geräusch das mechanische Surren des Hovercrafts. Durch ein kleines Fenster gegenüber von mir erkenne ich die rot blickenden Säulen des Verteidigungsrings, die ohne einen Alarm von sich zu geben, in regelmäßigen Abständen weiter blinken.

"Keine Reaktion des Verteidigungsrings. Wir sind im Luftraum des Kapitols", gibt uns die Pilotin schlussendlich die Entwarnung. Mit aufeinander gepressten Lippen atme ich tief aus, während ich meine Augen für einen weiteren Moment schließe. Auch wenn wir bis jetzt unbemerkt geblieben sind, bedeutet das nicht, dass unsere Rettungsmission einwandfrei funktionieren wird. Entspannung ist längst noch nicht angebracht.

"Wir schalten um auf Nachtsicht, macht euch bereit", erteilt Boggs uns die ersten Anweisungen, als wenig später unser Hovercraft auf das Trainingscenter zusteuert, in dem unsere Verbündeten gefangen gehalten werden. Mit einer zackigen Handbewegung löse ich den Sicherheitsgurt über meinem Oberkörper und stehe vorsichtig auf, bis ich im wackelnden Hovercraft einen einigermaßen sichereren Stand habe. Stützend halte ich mich an Finnick fest, der groß genug ist um über einen Gurt an der Decke etwas Sicherheit zu bekommen. Durch meine Anspannung und mein immer schneller schlagendes Herz wird mir in den dicken, schwarzen Klamotten mit denen wir ausgerüstet wurden, immer wärmer. Es kommt mir wie gelegen, als Boggs uns aufträgt die Gasmasken aufzuziehen und wir uns dafür bereit machen uns in das Trainingscenter abzuseilen.

"Fertig machen zum Gaseinsatz."

Kurz bevor wir das Hovercraft verlassen bemerke ich, wie ich Finnick einen letzten Blick zuwerfe, mit der Hoffnung dass er meiner Anspannung entgegenwirken kann. Durch das Rotlicht an unseren Masken erkenne ich seinen beruhigenden Gesichtsausdruck. Selbst in der größten Aufregung, wie in einer Situation wie dieser, schafft er es mir Sicherheit zu geben. "Wir schaffen das, June. Wir werden sie befreien."

Kaum eine Sekunde später verlassen wir den halbwegs festen Boden zu unseren Füßen. Die kühle Nachtluft weht mir über meine warmen Hände, die mit festen Griff die Schusswaffe umschließen, die wir für unsere Mission ausgehändigt bekommen haben. Immer tiefer seilen wir uns die Stockwerke des Trainingscenters herab. Einzig und allein die roten Lichter der Zielvorrichtungen an den Waffen und der Masken leuchten in dem undurchsichtigen Schwarz der Nacht um uns herum.

Nachdem wir endlich den festen Boden in der Halle des Trainingscenters erreicht haben, scannt Boggs als erstes die Umgebung ab, bis er uns Entwarnung gibt und wir weiter in das Gebäude vordringen können. In der Stille unserer vorsichtigen, dumpfen Schritte ist mein lauter Herzschlag das einzige Geräusch, dass in meinen Ohren vibriert. Mein Fokus liegt fest auf den Räumen, die wir nach und nach durchqueren, um zu den Zellen zu gelangen, bis wir schlussendlich vor einer großen Metalltür stehen bleiben. "Hinter diesem Raum müssten wir zu den Zellen kommen. Es ist höchste Vorsicht geboten."

Ich halte die Luft an, als die Tür geöffnet wird und wir nacheinander in die Gänge aus Tischen stürmen. Fast auf Zehenspitzen begebe ich mich in Schussposition langsam von links nach rechts, um jeden Winkel um mich herum abzusichern. Doch umso weiter ich meine Umgebung begutachte, desto öfter überfährt mich ein kalter Schauer, bis mir bewusst wird, dass es höchste Zeit wurde, dass wir unsere Verbündeten befreien.

Auf den Tischen um mich herum liegen unzählige Werkzeuge auf Metallblechen verteilt, darunter vieles das ich überhaupt nicht erkenne. Scheren, Messer, Pinzetten, Kanülen.  Auf einer Ablage stehen verschiedene Flüssigkeiten und Pulver in schmalen Reaktionsgläsern, neben denen breite Spritzen aus Metall liegen. Als meine Schritte mich in den hinteren Teil des Ganges führen, ändern sich die Werkzeuge, die in verschieden großen Metallschalen bereit liegen. Die meisten Schalen die sich auf den hinteren Tischen befinden sind mit Wasserresten gefüllt; an einigen Bestecken hat sich bereits Rost gebildet. Kleine Aufkleber sind an einer Unterlage befestigt worden, an derem unteren Ende dünne Stromkabel befestigt sind.

Ein ungutes Gefühl macht sich in meinem Magen breit, als meine Sorge um unsere Verbündeten immer größer wird. Erst durch den Anblick dieses Raumes bekomme ich ein Bild davon, was ihnen während ihrer Gefangenschaft angetan wurde.

Doch plötzlich ertönt er ein helles Geräusch in dem bis eben stillen Raum. Die Leuchten an den Decken springen gleichzeitig an, woraufhin ich reflexartig die Augen schließe, um mich vor der unerwarteten Helligkeit zu schützen. Sichernd falle ich in eine hockende Position und beiße schmerzerfüllt die Zähne aufeinander, als durch meine Hörgeräte ein schrilles Piepsen fährt und unsere Funkverbindung zu Distrikt 13 abbricht.

In Eile versuche ich eine Hand vor die Deckenleuchte über mir zu halten, um meine Augen langsam an das grelle Licht zu gewöhnen, damit meine Orientierung zurückkehrt. Doch auch wenn die Situation hektisch erscheint, bleibt mir nichts anderes übrig als in meiner Position zu verharren, bis endlich das Licht erträglicher wird und ich mich erheben kann. Mit zusammen gekniffenen Augen erkenne ich, dass zum Glück niemand von uns zu Schaden gekommen ist.

"Wir müssen sofort weiter", sagt Boggs alarmiert und nimmt als Erster unsere Route wieder auf. Mit großen Schritten schließe ich mich ihm gemeinsam mit Finnick an und ziehe meine Waffe wieder schützend vor meine Brust, als wir dir den Raum verlassen und in den schmalen Gang blicken, an dessen Ende eine letzte Tür uns von den Anderen trennt. Ich versuche meine Sorge für einen Moment abzuschalten, denn auch wenn Präsident Snow uns bemerkt haben sollte, müssen wir das Ziel vor Augen behalten. Ist es nicht sowieso hoffnungslos, wenn wir jetzt gefangen genommen werden würden?

Mit einer hastigen Handbewegung wirft Finnick die Gasbombe hinter die helle Metalltür, während ich aufgeregt mit meinem Daumen gegen das Gehäuse tippe. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, als Boggs auf seiner Uhr die Sekunden abzählt, die wir warten müssen, bis wir den Raum betreten können. Doch dann ist es endlich soweit.

Gemeinsam stürmen wir den Raum und beginnen die Milchgläser der Zelltüren aufzustoßen. Die ersten Zellen sind zwar leer, doch als nur noch drei geschlossene Türen übrig bleiben, die wir gleichzeitig öffnen, haben wir endlich die Gewissheit, dass unsere Verbündeten am Leben sind und ich mit zittriger Stimme zu einer von ihnen sagen kann: "Johanna, ich bin es: Juniper."

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt