Irgendwann wird es mir zu doof hier und ich beschließe, dass ich Zeit für mich brauche. Ich verschwinde also mit der Ausrede, dass ich auf Klo muss, in die Toilette und atme erleichtert durch, als ich bemerke, dass ich allein hier drin bin.

Zwar ist es total kalt, weil es ein Fenster gibt, das offensteht und es schon mitten in der Nacht ist und bestimmt Minusgrade hat, aber lieber erfriere ich auf einer versifften McDonaldstoilette als mir Alex' Erfolgsstory weiter anhören zu müssen.

Für klingt das alles nach: Mit dir hätte ich das nie erreicht. Oder: Du könntest mich niemals so glücklich machen. Und: Ich bin froh, dich losgeworden zu sein.

Für Alex ist das alles so unglaublich einfach. Er hat Spaß mit seinem Fußball und alles, was bisher nicht gut lief, scheint sich gelegt zu haben. Er versteht sich mit seinem Team, er spielt regelmäßig und er ist sogar schon so bekannt, dass er eigene Fans hat.

Ich will mich für ihn freuen, ich will das wirklich. Aber dann müsste ich mir eingesehen, dass mit mir Schluss zu machen die richtige Entscheidung war und das kann ich nicht. Denn das würde bedeuten, dass Alex und ich niemals wirklich zusammengehört haben. Dass es einfach nur Einbildung oder Wunschdenken war, in ihm sowas wie einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Dass ich weitermachen muss und nach vorne blicken und ohne ihn Leben. Ab jetzt und für immer.

Diese Erkenntnis erschüttert mich deutlich mehr als sie das sollte in Anbetracht dessen, dass wir jetzt schon seit fünf Monaten getrennt sind und nicht damit zu rechnen war, dass wir jemals wieder zusammenkommen werden.

Aber ich kann doch jetzt nicht rausgehen, mich an diesen Tisch setzen und einfach so tun, als sei mein Herz nicht endgültig in tausend Teile zerbrochen, nachdem ich mir solange die Mühe gegeben habe, es zusammenzuhalten.

Verdammt tut das weh. Ich will schreien und weinen, diesen Druck auf meiner Brust, diese Anspannung in meinen Adern, diesen Schmerz in jeder meiner Zellen irgendwie loswerden. Ich fühle mich, als stünde ich in Flammen, doch kann es mir nicht leisten zuzulassen, dass mich jemand brennen sieht.

Ich weiß selbst nicht, ob es das irgendwie leichter machen würde, keine Scharade spielen zu müssen. Wahrscheinlich nicht. Es ist gut, dass keiner weiß, was in mir vor sich geht. Das geht einfach keinen was an und es würde auch nichts bringen.

Vorhin mit Julian zu reden hat mir geholfen, etwas Druck abzulassen. Was er gesagt hat, hat Sinn ergeben und allgemein kam ich mir danach ein wenig leichter vor, so als hätte ich ein paar Gramm des tonnenschweren Gewichts auf meinen Schultern ablegen können. Doch jetzt grade fühlt es sich so an, als würde ich darunter zusammenbrechen und ich weiß nicht, wie lange ich noch aufrecht stehen kann oder ob ich vielleicht schon längst am Kriechen bin.

Wenn ich mit wenigstens sicher sein könnte, dass ich Alex guten Gewissens diesen Weg gehen lassen kann, wäre die Sache ja nochmal anders. Dann könnte ich mich damit zufriedengeben, dass er so glücklich werden kann, dass er was gefunden hat, das ihm guttut und das ihn erfüllt. Aber so? Ich kann nicht einfach wegsehen und so tun als wüsste ich nicht, was dieser Sport mit ihm macht. Dafür ist er mir einfach zu wichtig.

Ich bin mir sehr sicher, dass Alex mit Fußball alleine nicht glücklich werden wird. Vielleicht jetzt noch am Anfang, aber irgendwann wird er sich nach etwas sehnen, das ihm nur eine Person geben kann, die ihn über alles liebt. Ich zum Beispiel. Ich sorge mich um ihn, ich kümmere mich um ihn, ich will sein Bestes, ich bin dazu bereit, wirklich alles für ihn zu tun. Nur ihn gehen lassen, wenn ich nicht davon überzeugt bin, dass er so glücklich werden kann, das nicht.

Als die Türe sich öffnet, zucke ich leicht zusammen und beginne, meine Hände zu waschen, damit es nicht allzu auffällig ist, dass ich die ganze Zeit nur vor dem Waschbecken gestanden bin und mir selbst beim Verzweifeln zugesehen habe.

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