Kapitel 349

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Wut war eine Emotion, die dem dunkelsten Teil der Seele entsprang. Dabei war es vollkommen irrelevant, ob Liebe die Ursache für dieses heftige Gefühl war. Wut blieb Wut. Von Bedeutung war, wie man sie kanalisierte; wie man sie einsetzte; ob man mit ihr gute oder böse Taten vollbrachte. Letzteres war natürlich Ansichtssache, je nachdem, auf welcher Seite man sich positionierte, welche Ansichten man vertrat oder welchen Weg man beschritt.

Keiji war gewillt, aus seiner Wut einen Vorteil für Tobio und einen Nachteil für dessen Eltern zu machen. Außerdem sann er nach Rache... Ein möglicherweise noch verabscheuungswürdigeres Gefühl als Wut.

Aber so, wie er Koutarou mit hängendem Kopf zurück in die Reihen der Zuschauer schleichen sah, war es das einzige, woran er denken konnte. Mit Adleraugen verfolgte er Kous Weg, bis dieser vor ihm zum Stehen kam.

„T-Tut mir leid, ich habe es total versaut", krächzte Kou am Boden zerstört. Es war unklar, an wen genau er diese Entschuldigung gerichtet hatte: an Tetsurou, Keiji oder sich selbst.

„Die Anklage ruft Keiji Akaashi in den Zeugenstand!", hallte es durch den Gerichtssaal.

Ohne auf Bokutos Worte einzugehen, erhob sich Keiji und griff nach der Hand seines Freundes. Nicht mal diese Berührung veranlasste den Grauhaarigen dazu, den Kopf zu heben und ihn anzuschauen. „Kou, du musst auf Tetsurou aufpassen. Hast du gehört? Kou?"

Bokuto nickte schwerfällig, unfähig, Keiji in die Augen zu schauen.

„Okay", erwiderte Keiji knapp, ehe er Kous Hand losließ und an diesem vorbei ging. Zielstrebig schritt er in den Zeugenstand und setzte sich auf den noch immer warmen Stuhl. Anders als bei Kou überkam ihn jedoch kein Schauer des Grauens, sondern ein noch größerer Wille, dem Verteidiger ordentlich Paroli zu bieten, denn es war Kous Wärme, die er spürte.

„Keiji."

Akaashi sah überrascht auf. Vor ihm stand Fujisawa, verschwörerisch zu ihm nach unten gebeugt.

„Beruhige dich, okay? Tief durchatmen."

Diese Mahnung verwunderte Keiji sogar noch mehr, denn sie ließ ihn realisieren, dass ihm sein Ärger von jemanden mit einer guten Beobachtungsgabe angesehen werden konnte. Und das geschah nicht oft. Er knickte knapp zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Und so nutzte er die Belehrung durch den vorsitzenden Richter, um seine aufgewühlte Gefühlswelt zu bändigen.

„Hast du die Belehrung verstanden?", fragte der Vorsitzende.

„Ja", antwortete Keiji einsilbig.

„Herr Staatsanwalt, Ihr Zeuge", sagte der Vorsitzende und deutete eine vage Handbewegung in Richtung Akaashi an.

„Danke, euer Ehren." Fujisawa trat wieder näher an den Zeugenstand heran, um einen besseren Blick auf Akaashi werfen zu können. Dieser bemerkte seine Musterung und nickte ihm kaum merklich zu. Das war wohl das Zeichen, dass dieser seine Emotionen wieder unter Kontrolle gebracht hatte. „Keiji, du bist nicht nur Koutarous Freund, sondern warst auch sein Teamkollege im Volleyballverein der Fukurodani-Oberschule, die ihr gemeinsam besucht habt. Du hast Tobio also auch zum ersten Mal im Rahmen des Trainingscamps an der Nekoma-Oberschule hier in Tokio kennengelernt."

„Ja."

„Kannst du uns beschreiben, welchen Eindruck du von Tobio in der Zeit, in der ihr euch nun schon kennt, gewonnen hast?"

„Genau wie Koutarou habe auch ich das erste Mal von Tobio gehört, als Tetsurou uns von seinem Testspiel in Miyagi gegen die Karasuno-Oberschule erzählte. Und das war für sich genommen schon sehr ungewöhnlich, denn Tetsurou entwickelte üblicherweise nie so viel Interesse an einer Person beziehungsweise einer flüchtigen Bekanntschaft, dass er mehr als zwei oder drei Sätze über sie verlor. Von Tobio konnte er aber gar nicht mehr aufhören zu reden. Das weckte meine Neugier und meine Erwartungen an Tobio waren dementsprechend hoch", begann Keiji aus der Vergangenheit zu berichten.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Où les histoires vivent. Découvrez maintenant