Kapitel 312

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Der vertraute Anblick des Ajinomoto National Training Centers ließ Tobios Herz vor Aufregung flattern. Mit diesem Ort verband er so viele unterschiedliche Emotionen, dass ihm beim Gedanken daran ganz schwindelig wurde.

Hier hatte er während seines einwöchigen Trainingscamps seinen ersten, krank machenden Liebeskummer durchlitten. Atsumu Miya hatte ihn durch zwielichtige und unwahre Aussagen an Tetsurous ehrlichen Absichten mit ihm zweifeln lassen.

Nur wenige Monate später war er erneut hier gewesen. Auf dem Frühlingsturnier hatte er übersprudelndes Glück empfunden, nachdem sie gesiegt hatten, und niederringende Trauer, nachdem sie aus dem Turnier ausgeschieden waren. Sein Herz war Achterbahn gefahren, als sich Tetsurou ihm anvertraut und ihm von seinen Verlustängsten erzählt hatte – auf der einen Seite pure Freude darüber, so sehr von seinem Freund geliebt zu werden, dass dieser schreckliche Panik davor hatte, ihn zu verlieren; auf der anderen Seite ein schmerzendes, weinendes Herz, weil ihn der Anblick eines so – grundlos – leidenden Tetsurous zutiefst getroffen hatte. Dann hatte Angst, alles umfassende Angst, von ihm Besitz ergriffen, weil ihn ein völlig fremder Junge auf der Toilette überfallen und ihm von den perversen Dingen erzählt hatte, die dieser mit seinem Freund hatte anstellen wollen. Trotz seiner enormen Zweifel, ob Tetsurou diesem muskelbepackten, riesenhaften Widerling körperlich etwas entgegenzusetzen hatte, hatte Tetsurou dem Kerl mehr als deutlich die Leviten gelesen und ihm einmal mehr gezeigt, was für einen traumhaft tollen, coolen und verdammt heißen Freund er hatte.

„Woran denkst du gerade?", fragte Tetsurou mit gedämpfter Stimme den geistesabwesenden Jungen. Sie standen gerade an einer roten Ampel, von der sie den perfekten Blick auf die beeindruckende Sportstätte hatten.

Lächelnd lehnte sich Tobio an die Schulter des Großgewachsenen und sah über das Seitenfenster hinaus auf den fernwirksamen Schriftzug des Gebäudes. Das Auto setzte sich in Bewegung und ließ das Sportcenter aus seinem Sichtfeld verschwinden. „Daran, dass ich den besten Freund habe, den die Welt je gesehen hat."

Ein Schmunzeln huschte über Kuroos Antlitz. „Zuhause darfst du mir gern davon erzählen, wie du auf diese sehr richtige und mehr als offensichtliche Schlussfolgerung gekommen bist."

Dieses Selbstvertrauen, welches zeitweilig an Arroganz grenzte... Oh, wie Tobio das liebte. „Okay."

Tetsurou grinste, konnte er das Herz des Setters doch kräftig klopfen spüren. Er legte eine Hand auf den rechten Oberschenkel des Jungen und begann diesen mit gleichmäßigem Druck zu kneten. Die Nähe seines Freundes genießend, harrte er geduldig auf seinem Platz, während Takahashi das Auto in das Parkhaus steuerte, das den Besuchern von sportlichen Events dem sicheren Abstellen ihres PKWs diente. Hellhörig wurde er erst wieder, als Nakamura seine Kollegin zu einem ganz bestimmten Stellplatz dirigierte: Offenbar hatten die Polizisten ihren Besuch hier genauestens durchgeplant.

Aufgrund der städtebaulichen Gegebenheiten hatte man das zum Sportcenter gehörige Parkhaus einige Hundert Meter entfernt auf der anderen Straßenseite bauen müssen. Kluge Stadtplanende hatten jedoch dafür gesorgt, dass eine Ampel mit einer großen Überquerungsbreite die Besucher sicher von einem Bürgersteig auf den anderen brachte.

Von Takahashi und Nakamura in Begleitschutz genommen, folgten sie der Polizistin, die die Vorhut übernommen hatte, auf dem Fuß. Die Bushaltestelle, an welcher sie in einigen Metern Entfernung vorbeiliefen, war für sich betrachtet nichts Besonderes, dennoch zog sie Tobios Blick magisch an. Es handelte sich um eben jene Bushaltestelle, an der er zusammen mit Tetsurou ausgestiegen war, als dieser ihn während des Trainingscamps jeden Tag mitten in der Nacht zurückgebracht hatte. Diese durchaus schönen Erinnerungen wurden jedoch überschattet von den jüngsten Ereignissen. Es war noch gar nicht so lange her, da war er an dieser Haltestelle vollkommen kopflos aus dem Bus gefallen und hart mit den Knien aufgeschlagen. Nur allzu lebhaft erinnerte er sich an die entsetzliche Angst, die ihn vorwärts getrieben hatte – zu Tetsurou. Der Ring und die unmissverständliche Nachricht, die ihm seine Eltern in einem Brief hatten zukommen lassen, hatten seine schlimmsten Befürchtungen, Tetsurou könne etwas zugestoßen sein, geweckt und ihn überstürzt nach seinem Freund suchen lassen. Zum Glücke hatte er ihn unversehrt an der hier in unmittelbarer Nähe liegenden Universität gefunden. Er war noch ganz in seine Erinnerungen vertieft, als er Tetsurous klangvolle Stimme vernahm.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Where stories live. Discover now