Kapitel 249

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Tobio konnte nicht von sich behaupten, einen entspannten Sonntagabend oder gar einen erholsamen Schlaf gehabt zu haben. Nachdem sie von ihrem Krankenhausbesuch zurück waren, hatten sie gemeinsam mit Atsuka und Takumi Abendbrot gegessen. Danach hatte Tetsurou ihn ins Bett verbannt – was im ersten Moment durchaus verlockend klang, wenn man den Umstand außer Acht ließ, dass seine Schulhefter ihn begleitet hatten. Zwar hatte er an Tetsurou gekuschelt lernen ‚dürfen', doch wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte er mit dem Kapitän ganz andere Dinge angestellt. Aber ein Gutes hatte die ganze quälende Lernerei unter Tetsurous strenger Aufsicht immerhin gehabt: Es hatte ihn zumindest ein bisschen von seinen Sorgen um Herrn Saitou abgelenkt, sodass er nicht wie ein nervliches Wrack vor dem Telefon gehockt und auf Minamis Anruf gewartet hatte.

Als dann endlich der ersehnte – gleichzeitig aber auch gefürchtete – Anruf kam, war es schon recht spät gewesen. Doch der Hauptkommissar hatte erfreuliche Nachrichten für sie gehabt: Bisher waren alle Tests auf Vergiftung bei Herrn Saitou negativ gewesen. Eine Erleichterung. Zudem ließ der alte Herr liebe Grüße und die Nachricht ausrichten, dass es ihm sehr gut ginge und man im Krankenhaus äußerst höflich und zuvorkommend ihm gegenüber war.

Daraufhin hatte sich Tobio deutlich besser auf das Lernen konzentrieren können – wobei das Wort ‚deutlich' hier in klarer Relation zu seinen zuvor katastrophalen Lernversuchen stand. Was zunächst also durchaus vielversprechend begann, endete wenig später dennoch in einem Desaster, denn sein Gehirn, welches eine Sorge ein Stück hatte beiseiteschieben können, hatte aufmerksamer Weise einfach direkt eine neue hinterhergeschoben: Wenn er durch eine der Prüfungen rasselte, dann würde er in den Sommerferien Lernkurse aufgedrückt bekommen, für die er jeden Tag zur Schule fahren müsste. Eine grauenvolle Vorstellung. So grauenvoll, dass sie ihm prompt einen unruhigen Schlaf beschert hatte. Und auch jetzt fühlte er sich alles andere als tiefenentspannt.

„Tobio, beruhige dich. Du schaffst das, das weiß ich", sagte Tetsurou, während er dem Jungen, der mit der Vorderseite eng an ihn gedrückt in dem gut gefüllten Bus stand, zärtlich über den Rücken streichelte. Tobios Herz schlug so wahnsinnig schnell, dass er das an seinem Oberkörper spüren konnte.

„Ich wünschte, du könntest die Klausuren für mich schreiben, dann würde ich in jedem Fach eine Eins bekommen", nuschelte Tobio fahrig.

„Du wirst sehen, dass du es ganz allein schaffst, gute Noten zu schreiben."

Seine Ohren mussten ihm einen Streich spielen. „Wir sprechen hier immer noch vor mir, oder?", fragte Tobio tonlos.

Tetsurou lächelte. „Du wirst schon sehen."

Ja! Und zwar Vieren, Fünfen und Sechsen! Tobio schrie innerlich.

„Na komm, wir sind da", sagte Tetsurou und zog seinen Freund kurzerhand mit nach draußen auf den Bürgersteig, auf welchem geschäftiges Treiben herrschte.

Es kam Tobio so vor, als würde er gegen eine Wand laufen. Sich plötzlich dieser Heerschar an Schülern gegenüber zu sehen, die alle strebsam dem Unterrichtsgebäude entgegeneilten, ließ sein Herz kurzzeitig stillstehen. Die ganze Panikmache um die Abschlussprüfungen, das unerwartete Wiedersehen mit seinen Eltern und die ständige Angst um Herrn Saitou hatten ihn total vergessen lassen, wie problembehaftet sein alltägliches Schülerdasein an der Nekoma-Oberschule war: Er war das Gesprächsthema Nummer eins unter den Schülern und gleichzeitig das Ziel ihrer ausufernden, realitätsfernen Fantasien, die stets in bösen Verleumdungen und niveaulosen Beleidigungen endeten.

Er fragte sich, welche neuen Gerüchte das Trainingsspiel am Wochenende wohl so nach sich gezogen hat. Zwar hatte er gesagt, dass es ihm egal sei, wenn neues Gerede aufkam – was soweit auch der Wahrheit entsprach –, aber sein Blut würde es dennoch zum Kochen bringen. Vor allem dann, wenn das Gerede nicht nur ihn betraf, sondern auch Tetsurou oder die anderen Volleyballer aus seinem Team. Der Weg hinauf zum Schulhaus würde demnach mal wieder ‚sehr interessant' werden. Er nahm einen tiefen Atemzug und wappnete sich innerlich gegen die haarsträubenden Klatschgeschichten, die gleich sein Ohr erreichen würden.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Where stories live. Discover now