Kapitel 318

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Blut, so kalt wie flüssiger Stickstoff, rauschte durch Levs Blutbahnen und ließ seinen Körper vollkommen erstarren. Yakus Stimme, die vom Flur her an seine Ohren drang, hatte diesen lebensbedrohlichen Zustand ausgelöst.

„Hey, atmest du noch?", fragte Tobio besorgt, den Grauhaarigen ängstlich musternd.

Lev schüttelte mit dem Kopf. Weder atmete er, noch schlug sein Herz. Eigentlich war er tot. Und wenn zu diesem Zeitpunkt noch ein Zweifel an dieser Tatsache bestand, so wurde dieser in dem Moment aus der Welt geschafft, in welchem Yaku das Wohnzimmer betrat und einen tödlichen Blick auf ihn abfeuerte.

„Hallo, Lev...", begrüßte Morisuke den Grauhaarigen in schneidendem Tonfall.

Schweigen breitete sich in dem großen Wohnzimmer aus. Tobio linste zu Lev hinauf, der Yaku mit weit aufgerissenen Augen und ausdrucksloser Miene einfach nur anstierte. Um den Grauhaarigen aus dessen Angststarre zu reißen, rammte er ihm mit wohl gewählter Stärke seinen Ellenbogen in die Seite.

Der Schmerz, der nun durch Levs Nerven schoss, holte ihn aus seiner Trance. „Y-Y-Y-Y-Y-Y-Y-Yaku..."

Morisukes Augen zogen sich abschätzig zusammen. Er durfte sich nicht anmerken lassen, wie niedlich er es fand, wenn der Halbrusse so konfus herumstotterte. Sein Ärger darüber, dass Lev ihn seit der Abschiedsfeier komplett ignorierte, half ihm bei diesem Vorhaben ausgesprochen gut. „Wie schön zu sehen, dass du noch lebst", zischte er zornig.

„J-J-J-Ja, a-a-auch sch-schön d-dich z-zu sehen." Lev wollte sich am liebsten mit der offenen Hand vor den Kopf schlagen. Diese Stotterei war ihm totpeinlich.

„Ach, ja?" Morisuke verschränkte seine Arme demonstrativ vor dem Oberkörper. „Ich frage mich, was wohl der Grund ist, weshalb ich dir das nicht abkaufe."

Lev schluckte schwer. Im ganzen letzten Jahr hatte er den Libero noch nie so böse gesehen.

„Ich höre?", bohrte Morisuke unbarmherzig nach.

„Wie wäre es, wenn ihr euch unter vier Augen unterhaltet?", schlug Tetsurou vor. „Ihr könntet in die Küche gehen oder nach oben in mein Zimmer."

„K-K-K-K-K-KÜCHE!", brüllte Lev. Alle Augen hefteten sich ungläubig auf ihn und er senkte beschämt den Kopf. „K-Küche", wiederholte er leise. Unmöglich konnte er jetzt mit Yaku allein in einem abgeschlossenen Raum sein.

„Bitte, nach dir", sagte Yaku bissig.

Der Knoten in Levs Hals wurde immer größer. War dieser auch der Grund dafür, weshalb ihm so schrecklich heiß war? Nein, das war unmöglich. Was sollte ein Schluckproblem mit einem Hitzeproblem zu tun haben? Da bestand keinerlei Zusammenhang. Nicht einmal, wenn man ganz viel Fantasie anwendete, um—

„LEV!"

„J-J-J-JA!", fuhr Lev erschrocken auf. Mit zittrigen Beinen setzte er sich in Bewegung. Yakus Blicke, bohrend wie tausend Nadeln, machten ihm das Laufen zur Qual. Ungelenk stakste er mit angehaltenem Atem an dem angsteinflößenden Libero vorbei. Doch es sollte noch schlimmer kommen: Er spürte Yakus heißen Atem in seinem Nacken, als dieser ihm in die Küche folgte. Um im Falle eines Schwächeanfalls nicht wie ein Klappstuhl zu Boden zu sinken, trat er an die Arbeitsplatte und hielt sich dort fest, als wäre sie sein Garant, es heil aus dieser Situation herauszuschaffen. Eine weitere seiner Überlebensstrategien war die, den Kopf eisern gesenkt zu halten, um von dem lodernden Zorn in Yakus Augen nicht verschlungen zu werden.

Morisuke betrachtete den Grauhaarigen neugierig. Für gewöhnlich war Lev ein Energiebündel ohne Seinesgleichen, aber an diesem Tag sah der Junge aus wie ein Häufchen Elend, aus welchem alles Leben gewichen war. Trotzdem durfte er kein Erbarmen zeigen. „Nun?"

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Where stories live. Discover now