Rivalität mit Folgen [Teil 2]

Kapitel 336

„Die Staatsanwaltschaft ruft Herrn Ota Saitou in den Zeugenstand", verkündete Dr. Fujisawa mit klangvoller Stimme.

Suchend ließ Tobio seinen Blick über die versammelten Zuschauer schweifen, doch egal wie angestrengt er die Gesichter auch scannte, einen Herrn Saitou konnte er nicht entdecken. Ein unheilvolles Gefühl begann in seinem tiefsten Inneren zu keimen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und seine Atmung wurde immer schwerer.

„Herr Saitou, sind Sie anwesend?", fragte der vorsitzende Richter in strengem Tonfall.

Die undurchdringliche Stille, die über dem Sitzungssaal lag, während jeder Anwesende darauf wartete, dass sich der Aufgerufene meldete, wurde nach kürzester Zeit abgelöst durch leises Getuschel und umherschweifende Blicke.

„Herr Saitou!", rief der vorsitzende Richter in den Raum hinein, aber auch dieses Mal erhob sich niemand von seinem Stuhl.

Tetsurou kam die ganze Situation äußerst merkwürdig vor – und da war er nicht der einzige. Er drehte sich zu Minami um. „Wo ist Herr Saitou?"

Minami tauschte nur einen flüchtigen Blick mit Tetsurou, bevor er sich erhob. „Euer Ehren, ich bin Hauptkommissar Minami. Ich habe einen meiner Männer geschickt, um Herrn Saitou aus Miyagi abzuholen und hierherzubringen. Wenn Sie erlauben, würde ich den Beamten gerne anrufen und mich um den Verbleib des Zeugen erkundigen."

„Tun Sie das", erwiderte der Vorsitzende knapp, dabei ungeduldig mit der Hand wedelnd.

Um nicht auch noch eine einzige weitere Sekunde zu verlieren, wählte Minami prompt die Handynummer des von ihm losgeschickten Beamten. Während er sich das Telefon ans Ohr hielt und darauf wartete, dass das nervige Tuten von einer Stimme abgelöst wurde, spürte er Kageyamas stechenden Blick auf sich. Tunlichst vermied er es, zu Tobio hinüberzuschauen, denn das Klingeln wollte nicht abreißen und die Nervosität, die nun auch allmählich in ihm aufzusteigen und sich in seiner Mimik abzuzeichnen begann, sollte nicht unnötig auf Tobio überspringen.

Dem Richter, der unter den im Bezirksgericht arbeitenden Menschen für seinen kurzen Geduldsfaden bekannt war, entfloh ein genervter Seufzer. „Herr Hauptkommissar, was ist nun? Können Sie jetzt Kontakt zu Ihrem Mitarbeiter herstellen oder nicht?"

Minami wollte sich gerade mit einer Erklärung an den vorsitzenden Richter wenden, als plötzlich mit einem lauten Knall die Türen des Gerichtssaals aufflogen und ein aufgelöster Polizist in Uniform hineingestürmt kam. Sofort erkannte er den Mann als den, den er mit dem Auftrag, Herrn Saitou hierherzubringen, nach Miyagi geschickt hatte.

„Herr Hauptkommissar! Herr Hauptkommissar?!", rief der Polizist mit sich überschlagender Stimme.

Angesichts des aufgewühlten Zustands des Polizisten schlussfolgerte Minami, dass etwas Schlimmes geschehen sein musste. Hastig trat er in den Mittelgang, um den Mann abzufangen. „Was ist passiert? Wo ist Herr Saitou?"

Dr. Fujisawa verfolgte die aktuellen Entwicklungen mit einem und beobachtete Tobio mit dem anderen Auge. Der Schwarzhaarige war zum Zerreißen gespannt, nur eine falsche Bewegung, nur ein falsches Wort und der Junge würde explodieren.

„Herr Hauptkommissar, etwas Grauenvolles ist passiert!", begann der Beamte, der es nun endlich zu seinem Vorgesetzten geschafft hatte. „H-Herr Saitou, ich... ich habe ihn wie von Ihnen angewiesen heute Morgen abgeholt. Alles lief reibungslos, wir lagen sehr gut in der Zeit. Wir haben seine Sachen ins Auto geladen und sind losgefahren, aber dann... dann—„

„Atmen Sie, atmen Sie", wies Minami den Mann an, der ganz vergessen hatte Luft zu holen.

„A-Alles ging plötzlich so schnell... H-Herr Saitou... e-er griff sich aus heiterem Himmel an die Brust, klagte über starke Schmerzen, doch bevor ich etwas unternehmen konnte, sackte er schon in sich zusammen. I-Ich habe angehalten, den Krankenwagen gerufen und Erste Hilfe geleistet, aber... aber..."