Kapitel 278

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„Was machst du da?", fragte Tetsurou, nachdem er mehrere Sekunden lang beobachtet hatte, wie Tobio vor dem geöffneten Kleiderschrank unsicher von einem Bein auf das andere trat. Nun erstarrte der Setter plötzlich zur Salzsäure und gab seiner Neugier neue Nahrung. „Tobio?"

„Ich..." Zögernd wandte sich Tobio seinem Freund zu, der sich noch immer das Haar mit einem weißen Handtuch abtrocknete. Fasziniert bewunderte er die durchtrainierte Gestalt des Volleyballkapitäns und das Spiel der Muskeln bei jeder Bewegung, die er tat. Er liebte die Art, wie sich der Bund der Boxershorts um dessen Hüften schmiegte und die feinen Härchen, für das bloße Auge kaum sichtbar, die sich bis zu seinem Bauchnabel hinaufschlängelten. Ein lediglich in Unterwäsche gehüllter Tetsurou war mehr als es brauchte, um ihn sexuell zu erregen. Zu schade, dass er diesem Drang vorerst widerstehen musste. „Darf ich eines deiner Shirts anziehen?"

Tetsurou hielt in der Bewegung inne. Er würde eines Tages nicht an Altersschwäche sterben, sondern an einem Zuckerschock. „Ja." Ergriffen sah er dabei zu, wie der Setter mit in Rot getränkten Wangen eines seiner Oberteile aus dem Schrank fischte. Ihm war aufgefallen, dass Tobio diesen Wunsch meistens dann an ihn richtete, wenn er eine unangenehme Situation überstanden hatte oder ihm eine bevorstand – und das Aufeinandertreffen mit seiner Mutter war definitiv eines dieser Ereignisse, denen man lieber aus dem Weg ging. Tobio musste sich noch sicherer, noch beschützter fühlen, wenn er eines seiner Oberteile trug. Ihm fiel eine Möglichkeit ein, wie er diesen Effekt noch verstärken konnte.

„T-Tetsu?", rief Tobio seinem Freund, der wortlos das Zimmer verlassen hatte, nervös nach. Mit angehaltenem Atem harrte er der Rückkehr des Kapitäns. Sein Herz hüpfte freudig in die Höhe, als sein Warten ein schnelleres Ende fand als er gedacht hatte.

„Komm her."

Mit rasendem Puls, den Tobio sich nur schwerlich erklären konnte, tapste er auf den Drittklässler zu.

„Kopf hoch."

Tobio blinzelte verwirrt, kam der Aufforderung jedoch protestlos nach. Nur eine Millisekunde später hörte er ein leises Zischen, dann füllte sich seine Nase mit Tetsurous Duft. Seine Augen begannen zu leuchten. „Dein Parfüm!"

Lächelnd beobachtete Tetsurou, wie glücklich Tobio an dem Shirt schnupperte. Da er jedoch nicht gegen ein Kleidungsstück verlieren wollte, trug er ebenfalls etwas von dem Duft auf. Er hätte Tobio stundenlang dabei zuschauen können, wie er sich in seinem Oberteil verlor, doch leider gab die Situation es in diesem Moment nicht her. Nur widerwillig riss er sich von Tobios Anblick los und machte auf dem Absatz kehrt, um das Fläschchen zurück ins Bad zu bringen. Und da geschah es: Mit einem Mal überkam ihn ein Anfall von Schwindel, der die Welt zum Rotieren und ihn aus dem Tritt brachte. Sternchen tanzten vor seinen Augen und erschwerten ihm zusätzlich die Sicht. Strauchelnd langte er nach dem rettenden Türrahmen.

„Tetsu! Ist alles in Ordnung?", rief Tobio besorgt.

„Ja, alles gut, ich habe mich nur zu schwungvoll umgedreht", antwortete Tetsurou grinsend.

Tobio trat auf seinen Freund zu und nahm ihm das Parfüm aus der Hand. „Geh dich anziehen, ich bringe das weg."

„Okay." Tetsurou hielt seine Fassade noch einen Moment aufrecht, doch sobald Tobio aus seinem Sichtfeld verschwunden war, kniff er seine Augen zusammen, um den sich drehenden Flur auszublenden. Aber anders als gehofft, verschaffte ihm das keine Erleichterung, sondern verschlimmerte sein Leiden: Das Schwarz vor seinen Augen sorgte lediglich dafür, dass er das Schwindelgefühl um ein Vielfaches stärker wahrnahm. Ein gequältes Stöhnen drang aus seinem Innern, während er zurücktaumelte und sich mit dem Rücken an den Türrahmen lehnte. Er wollte den sicheren Stand nutzen, um sich einen Moment der Erholung zu gönnen, doch ein Geräusch ganz aus der Nähe machte seine Pläne zunichte. Gerade rechtzeitig hob er den Kopf, um Tobio, der soeben aus dem Bad trat, ein Lächeln zu schenken.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Where stories live. Discover now