Kapitel 320

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Samstag

Ein wundervoller, leichter Klang holte Tetsurou aus seinem unruhigen Schlaf. Trotz der Müdigkeit, die seinen Geist noch immer umgab, erkannte er, dass es Tobios hinreißendes Lachen war, welches den Raum am frühen Morgen erhellte. Um zu sehen, was den Jungen so erfreute, schlug er seine schweren Lider auf. Er fand Tobio neben sich auf dem Bauch im Bett liegend, vor sich ein Handy auf dem Kopfkissen. Ein Lächeln stahl sich beim Anblick der verwuschelten Haare des Setters auf seine Lippen. In der nächsten Sekunde wurde seine Mimik jedoch wieder ernst – eine fremde Stimme hatte diesen drastischen Stimmungswandel hervorgerufen.

„Heißt das, du bist auf der ganzen weiten Welt der Einzige, der einen Backspin spielen kann?"

Tobio schmunzelte. „Nein, das glaube ich nicht."

„Das ist so cool!", sagte Hideyoshi, als hätte er Kageyamas Einwand gar nicht gehört.

„Ich glaube wirklich nicht, dass—" Tobio hielt mitten im Satz inne. Er sah nach links, von wo er eine Bewegung wahrgenommen hatte. Sein Herz machte einen Hüpfer, als er auf Kuroos funkelnde, bernsteinfarbene Augen traf, die sich fest auf ihn gerichtet hatten. „Tetsu, du bist—HUH!"

Alles ging so schnell, dass Tobio erst wusste, wie ihm geschehen war, als er sich auf Kuroos Brust wiederfand, die Lippen mit denen seines Freundes versiegelt. Ein leises Wimmern zeugte von der Aufwallung seiner Gefühle und dem unglaublichen Genuss des Kusses, in den Kuroo ihn so leidenschaftlich verwickelte. Heftig nach Luft keuchend, trennten sie sich voneinander.

Tetsurou war zufrieden mit dem kräftigen Rot, welches er auf Tobios Wangen gezaubert hatte, und dem glasigen, entrückten Blick, mit dem der Junge ihn bedachte. „Guten Morgen", raunte er mit tiefer Stimme und dem charmantesten Lächeln, zu dem er im Stande war.

„G-G-Guten Morgen", stammelte Tobio atemlos.

„Was macht ihr da?", erkundigte sich Tetsurou.

„Wir gucken uns die Wiederholung des Spiels an, bei dem Tobio gestern zwischendurch eingeschlafen ist", erklärte Hideyoshi, der hinter Kageyama hervorschaute und dem eher unzufrieden dreinschauenden Kapitän mit kindlicher Naivität fröhlich zuwinkte.

„Ihr wart scheinbar beide sehr müde, wenn ich bedenke, dass ihr es nicht mehr geschafft habt, den Futon aus dem Schrank zu holen und auszulegen...", merkte Kuroo finster an.

Kalte Schauer rieselten Tobios Wirbelsäule hinab. Es war kaum zu übersehen, dass Kuroo über den Gast in ihrem Bett alles andere als erfreut war. „Tut mir leid. Es war meine Idee. Ich war so furchtbar müde, dass ich ihm angeboten habe, bei uns im Bett zu schlafen."

„Ich weiß nicht, ob mich das beruhigt, Tobio", knurrte Tetsurou.

Tobios Gehirn arbeitete auf der Suche nach einer Lösung auf Hochtouren. Er konnte aber nur eine finden. „Heute Abend mache ich es wieder gut, versprochen." Auf irgendeine positive Reaktion hoffend, behielt er seinen Freund fest im Blick. Die Sekunden vergingen, doch von Kuroos Mimik konnte er keine Gefühlsregung ablesen. Sie sahen einander an, abwartend, prüfend.

Schließlich stieß Tetsurou einen lauten Seufzer aus. Er packte die Decke und schlug sie zur Seite. Während er schwungvoll aufstand, sagte er: „Ich nehme dich beim Wort."

„D-Das kannst du!", rief Tobio dem Großgewachsenen nach, der just in diesem Moment den Raum verließ und das gegenüberliegende Badezimmer betrat.

Tetsurou ging zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn ganz nach rechts – auf die kälteste Stufe. Er wartete einen Augenblick, ehe er sich das eisige Leitungswasser ins Gesicht warf, um seine Lebensgeister zu wecken, seine Hoffnungen jedoch im Keim zu ersticken. Aus Erfahrung konnte er bereits jetzt sagen, dass sie sich auch an diesem Abend nicht miteinander vereinen würden. Deshalb musste er, trotz Tobios sicherlich ernst gemeintem Versprechen, sein Verlangen zügeln.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt