Kapitel 212

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Noch vor dem ersten Klingeln des Weckers schlug Tetsurou seine Augen auf. Schummriges Licht fiel auf den Jungen vor ihm, der in Löffelchen-Stellung fest an ihn geschmiegt, selig schlummerte. Er schloss die Augen und drückte Tobio sanft an sich. Genießerisch ließ er seine Nase über Tobios Nacken und durch dessen seidenweiches Haar streichen, um den einzigartigen Duft des Jungen in sich aufzunehmen. Er dachte an die gemeinsame Zeit und ihren sanften, zärtlichen Liebesakt zurück, den sie gestern unter freiem Himmel miteinander vollzogen hatten. Es war schön gewesen, ausgesprochen schön sogar. Dennoch hatte ihn die quälende Angst, Tobios Bauchwunde würde ein weiteres Mal aufplatzen, nicht ganz losgelassen. Zu seiner größten Erleichterung hatte sich seine Befürchtung nicht bewahrheitet. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er eine Bewegung wahrnahm. „Bist du wach?", fragte er ganz leise.

„Ja", wisperte Tobio, die Hand des Kapitäns, die ihn umschlungen hielt, fest an sich drückend.

„Hast du gut geschlafen?"

Ein Lächeln schlich sich auf Tobios Lippen und er drehte sich zu Tetsurou um, sodass sie nun einander unmittelbar gegenüberlagen. Den Schmerz, den sein Bauch ausstrahlte, versuchte er dabei zu unterdrücken. Sanft legte er seine Hand an die Wange des Kapitäns und streichelte mit dem Daumen liebevoll darüber. „Mit dir an meiner Seite schlafe ich immer gut."

Natürlich wusste Tetsurou, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach: Tobio hatte auch in seinen Armen Alpträume gehabt. Doch die Anzahl war verschwindend gering, wenn man sie mit der Masse an Alpträumen verglich, die Tobio in seiner Abwesenheit hatte – oder in der Zeit, in der sie einander noch nicht gekannt hatten. „Wie fühlst du dich? Hast du Schmerzen?"

Tobio nickte sachte. Wenn die Wirkung der Schmerztablette nachließ, dann trieb ihm der Schmerz die Tränen in die Augen. Auch jetzt musste er blinzeln, um die Tränenflüssigkeit zu verteilen, damit sie nicht in Form einer Träne über seine Wange kullerte.

Aber Tetsurou war ein guter Beobachter. Er setzte sich auf und griff nach den Medikamentenschachteln, die auf dem kleinen Nachttisch lagen. Nacheinander holte er die drei verschiedenen Tabletten aus ihren Blistern: Antibiotikum, Schmerztablette, Magenschoner. „Setz dich auf", sagte er und half dem Jungen dabei.

„Danke." Tobio nahm das dargereichte Wasserglas entgegen und schluckte eine Tablette nach der anderen hinunter.

„Willst du noch ein bisschen liegen bleiben?"

„Bis die Tablette wirkt."

Tetsurou nickte verständnisvoll. Er ließ sich auf den Rücken gleiten und wartete, bis Tobio sich an ihn geschmiegt hatte.

„Kraulst du mir den Kopf?", fragte Tobio zaghaft, nachdem er seinen Kopf auf Kuroos Burst gebettet hatte.

„Bis dir alle Haare ausfallen", witzelte Tetsurou.

„Du würdest mich also auch mit Glatze lieben?"

„Natürlich. Wobei ich gestehen muss, dass ich deine Haare schon sehr mag", antwortete Tetsurou, während er eine der weichen, glänzenden, schwarzen Strähnen zwischen seine Finger hindurchgleiten ließ.

Tobio lächelte und schloss die Augen. Er hatte noch etwa eine halbe Stunde, ehe der Wecker klingelte. Und diese 30 Minuten würde er intensiv nutzen, um in dem wundervollen Gefühl zu baden, welches Kuroos Streicheleinheiten in ihm auslösten.

Auch Kuroo genoss die wenigen Minuten, die sie noch so zusammengekuschelt verbringen konnten. Ihm graute vor dem heutigen Tag. Ach was, eigentlich graute ihm vor der ganzen Woche! Er hätte Tobio am liebsten zuhause im Bett gewusst. Aber nein. Der Junge hatte ja unbedingt darauf bestehen müssen, in diesem angeschlagenen Zustand durch das Schulgebäude zu krauchen und stundenlang auf diesen viel zu harten Stühlen zu sitzen. Die Chancen, dass Tobio aus Versehen angerempelt wurde und sich wehtat, waren ihm viel zu hoch. Sollte die Naht noch ein weiteres Mal aufreißen, so würde er vermutlich komplett durchdrehen und den Jungen anschließend, nachdem er wieder zusammengeflickt wurde, in seinem Zimmer einsperren – eingewickelt in eine dicke Decke, so, dass er sich nicht mehr bewegen konnte.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Where stories live. Discover now