Kapitel 267

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Um Tobio vor einem desaströsen, alles vernichtenden Zusammenbruch zu bewahren, hatte seine Seele in aller letzter Sekunde sämtliche Abwehrmechanismen hochgefahren, mit denen sie aufwarten konnte. Der Gedanke, dass Tetsurou von Masato Kageyama entführt worden war und sich nun in dessen Gewalt befand, war so grauenvoll, dass Tobio daran zugrunde gegangen wäre. Die Vorstellung, wie sein Ein und Alles von seinem Vater gefoltert und schließlich umgebracht wurde, war mehr, als er jemals in seinem ganzen Leben würde ertragen können. Also hatte sein Geist beschlossen, diese grauenvolle Realität aus seinem Bewusstsein zu verbannen und in sein Unterbewusstsein abzuschieben.

Es war einzig und allein diese Schutzfunktion, die es Tobio möglich machte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Innerhalb weniger Sekunden hatte er so den Flur durchquert und die Fahrstühle erreicht. Die Verdrängung der Realität ließ auch die niederdrückenden Gefühle an Gewicht verlieren, doch gänzlich verschwanden sie nicht. Deshalb wurde er von seiner Ungeduld, als er auf die Ankunft des Fahrstuhls warten musste, geradezu verschlungen. Wie ein Wahnsinniger hämmerte er auf den Knopf. Als das vertraute *Bing* endlich verkündete, dass sein Warten ein Ende hatte, stürzte er in die Kabine und wiederholte hier das pausenlose Drücken auf die Taste mit der Aufschrift ‚EG'.

Tobio wusste nicht, dass in diesem Hochhaus vor einigen Monaten die allerneuste Fahrstuhltechnik installiert worden war und die Kabine so schnell nach oben und unten fuhr, wie in keinem anderen Gebäude Tokios. Und dennoch kam ihm die Fahrt wie eine Ewigkeit vor. Es kam einer wahren Befreiung gleich, als sich die Türen im Erdgeschoss öffneten und er mit voller Geschwindigkeit durch das Foyer preschen konnte.

Der Pförtner schreckte auf, als er aus dem Augenwinkel heraus plötzlich eine rasant schnelle Bewegung wahrnahm. Er entdeckte den Schwarzhaarigen, der hier seit einigen Wochen bei den Kuroos wohnte. Verdutzt beobachtete er diesen dabei, wie er förmlich durch das Foyer flog. Und dabei fiel ihm etwas Ungewöhnliches auf. „H-Herr Kageyama! Ihre Schuhe! Sie fehlen!" Doch der Junge hörte ihn gar nicht. Ohne auch nur eine geringste Reaktion auf seine Worte zu zeigen, hastete dieser durch die Tür und die Straße hinunter Richtung Bushaltestelle.

Wie ein Blitz legte Tobio die Strecke zwischen Wohnhaus und Bushaltestelle zurück. Er war noch nicht gänzlich bei ihr angekommen, da sah er in der Ferne den Bus kommen, in welchen er einsteigen musste, um zum Trainingscenter zu gelangen. Er beschleunigte sein Tempo und kam genau in jenem Moment an der Hauptstraße an, als der Bus seine Türen öffnete. Ohne Rücksicht auf die aussteigenden Passagiere sprang er ungebremst in den Bus und krachte prompt gegen die Haltestange auf der gegenüberliegenden Seite, dort, wo die Sitze ausgespart wurden, um Kinderwägen und Rollstuhlfahrern Platz zu bieten. Den Schmerz, der durch seinen Körper zuckte, spürte er gar nicht, ebenso wenig wie die pikierten, zum Teil sogar angewiderten und abschätzigen Blicke der Mitfahrenden, die sich in ihn bohrten.

Die Türen schlossen sich und der Bus setzte sich ruckelnd in Bewegung. Die Tatsache, dass sie in dem dichten Verkehr nur langsam vorankamen, brachte ihn beinahe um den Verstand. „Schneller, schneller, verdammt", brabbelte er pausenlos vor sich her, während er nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Die Menschen, die um ihn herumgestanden waren, hatten ängstlich das Weite gesucht. Niemand wusste, was mit dem schwarzhaarigen Jungen, der in einer schwarzen Shorts und einem weißen Shirt, jedoch ohne Schuhe oder gar Socken unterwegs war, los war. Sein wirrer, ziellos umherirrender Blick war ebenso gruselig wie sein zusammenhangloses Gebrabbel. Gut und gerne wäre er in diesem Moment als ein verrückter Junkie durchgegangen, bei dem die Drogen bereits die Hälfte des Gehirns weggefressen hatten.

Doch von all dem bekam Tobio in seinem Wahn nichts mit. Das einzige, worauf sich sein Bewusstsein schaffte zu konzentrieren, war die Ansage der kommenden Haltestelle. Und dann, endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, erklangen die Worte, auf die er gewartet hatte.

Rivalität mit Folgen [Teil 2]Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang