Teil 355

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Wincent

Ich war insgeheim wirklich sauer auf Mike. Er war in den letzten Monaten ohnehin schon so komisch gewesen, hatte sich kaum gemeldet. Trotz der eigentlichen Versöhnung. Und jetzt das? Er wusste doch, wie sehr Sofy sich gewünscht hatte, ihn heute an ihrer Seite zu haben. Und ihm war das offenbar ziemlich egal. Aber es half jetzt auch nichts, sich darüber aufzuregen. Sofy hatte recht. Heute sollten wir uns damit gar nicht beschäftigen. Das war unser Tag. Und den würde auch ein Mike nicht ruinieren.
Als wir mit den Fotos fertig waren, ging es wieder zurück. Ich war Paul echt dankbar, dass er darauf bestanden hatte, trotzdem Fotos zu machen. So mussten wir uns nicht noch extra um wen Außenstehenden kümmern. Als wir zurück waren, bestand ich drauf, wenigstens ein paar Fotos angucken zu dürfen. Ich überlegte ja schon, in den nächsten Tagen eins davon zu posten. Doch wirklich viele Fotos bekam ich nicht zu Gesicht. Denn plötzlich stand Amelie bei uns und scheuchte uns nach drinnen. „Ähm Amelie? Du weißt schon, dass wir hier gerade nicht auf Tour sind, oder?", wollte ich etwas verwirrt wissen. Was war denn los? Hatte ich irgendwas vergessen? „Ich weiß. Trotzdem wäre es super wichtig. Du wirst dann schon früh genug sehen, was los ist", sagte sie nur. „Nö. Ich will erst wissen, was los ist", meinte ich stirnrunzelnd. „Schalt deinen Dickschädel aus und beweg deinen Arsch!", erwiderte Amelie ernst, „Ich diskutier auch gar nicht groß mit dir." „Was für eine Ausdrucksweise. Es sind kleine Kinder anwesend, tzz." „Ach du mich auch. Ich will gar nicht wissen, was du schon alles für Wörter in Gegenwart der Zwei verwendet hast. Ich frag Sofy am besten mal und dann können wir darüber gern noch mal reden", überlegte sie, „Jetzt kommt endlich. Sonst kannst du das deiner Frau erklären und dann wünsche ich dir viel Spaß!" „Ist ja gut, komm mal wieder runter", murmelte ich seufzend. „Geht doch", meinte Amelie jetzt zufrieden und marschierte dann wieder davon. „Was war das denn?", wollte Marco lachend wissen. „Das wüsste ich auch gern. Ich hab absolut keine Ahnung", murmelte ich schulterzuckend, „Hab auch grad gar keine Idee, wo Sofy eigentlich ist." „Hm. Schon komisch, dass du so gar keinen Plan hast. Vielleicht hat ja Melina eine Idee", überlegte Marco und deutete auf Melina, die gerade in unsere Richtung kam. „Wovon soll ich eine Idee haben?", fragte sie sichtlich verwirrt. „Wieso Amelie gerade hier herumrennt und alle reinschickt", erklärte Marco, „Wincent weiß auch von nichts und da dachte ich, dass du deine Finger mit im Spiel hast." „Schön wärs", sagte sie schulterzuckend, „Ich hab auch absolut keine Idee. Also wirklich nicht. Guckt mich nicht so an. Amelie scheint hier grad die Einzige zu sein, die eine Idee hat." „Also das ist aber schon komisch, wenn du auch nichts weißt", überlegte Marco, „Dann bin ich aber echt gespannt, was hier gleich los ist. Wo hast du Flo und Elias gelassen?" „Ich hab mich mit Miriam und Marika verquatscht. Flo wollte schon mal vorgehen und Elias wollte eben mit", meinte sie schulterzuckend, „Na ja dann lasst uns lieber rein. Amelie dreht sonst durch." „Tut sie das nicht bereits", merkte ich schmunzelnd an, „Aber gut. Ich will ja auch wissen, was los ist."
Wir schnappten uns also die Kinder und gingen rein. Was mich dann erwartete ... darauf wäre ich wohl in tausend Jahren nicht gekommen. Amelie zog Paul beiseite und raunte ihm etwas ins Ohr. Dieser nickte nur etwas verwirrt und zückte seine Kamera. Amelie selbst stellte sich breit grinsend mit ihrem Handy in der Hand an die Seite. Was ging hier vor sich? Marco stupste mich an und deutete auf etwas. Ich folgte seinem Blick und erkannte Sofy, die sich an das große Klavier gesetzt hatte. „Was ist denn jetzt los?", fragte ich so leise, dass es niemand verstand. Die Frage war auch eher an mich gerichtet. Seit dem einen Mal in der Wohnung ihrer Großeltern, hatte ich sie nicht mehr an einem Klavier gesehen. Sie schien einmal tief durchzuatmen und fing dann an, zu spielen. Augenblicklich war es mucksmäuschenstill.

„𝘐'𝘮 𝘯𝘰𝘵 𝘢 𝘱𝘦𝘳𝘧𝘦𝘤𝘵 𝘱𝘦𝘳𝘴𝘰𝘯
𝘛𝘩𝘦𝘳𝘦'𝘴 𝘮𝘢𝘯𝘺 𝘵𝘩𝘪𝘯𝘨𝘴 𝘐 𝘸𝘪𝘴𝘩 𝘐 𝘥𝘪𝘥𝘯'𝘵 𝘥𝘰
𝘉𝘶𝘵 𝘐 𝘤𝘰𝘯𝘵𝘪𝘯𝘶𝘦 𝘭𝘦𝘢𝘳𝘯𝘪𝘯𝘨
𝘐 𝘯𝘦𝘷𝘦𝘳 𝘮𝘦𝘢𝘯𝘵 𝘵𝘰 𝘥𝘰 𝘵𝘩𝘰𝘴𝘦 𝘵𝘩𝘪𝘯𝘨𝘴 𝘵𝘰 𝘺𝘰𝘶
𝘈𝘯𝘥 𝘴𝘰, 𝘐 𝘩𝘢𝘷𝘦 𝘵𝘰 𝘴𝘢𝘺 𝘣𝘦𝘧𝘰𝘳𝘦 𝘐 𝘨𝘰
𝘛𝘩𝘢𝘵 𝘐 𝘫𝘶𝘴𝘵 𝘸𝘢𝘯𝘵 𝘺𝘰𝘶 𝘵𝘰 𝘬𝘯𝘰𝘸", fing sie dann auch noch an zu singen.
Ich hatte sie in der ganzen Zeit, in der wir uns kannten, noch nicht einmal singen hören. Deshalb war ich im ersten Moment extrem perplex und vermutlich auch ordentlich überfordert.

„𝘐'𝘷𝘦 𝘧𝘰𝘶𝘯𝘥 𝘢 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘧𝘰𝘳 𝘮𝘦
𝘛𝘰 𝘤𝘩𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘸𝘩𝘰 𝘐 𝘶𝘴𝘦𝘥 𝘵𝘰 𝘣𝘦
𝘈 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘵𝘰 𝘴𝘵𝘢𝘳𝘵 𝘰𝘷𝘦𝘳 𝘯𝘦𝘸
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶."
Alter. Wo hatte sie das all die Jahre versteckt? Wieso hatte ich sie vorher nie singen gehört? Sie hatte so unfassbar viel Gefühl in ihrer Stimme, dass sich eine richtige Gänsehaut über meinen Körper zog. „Alter. Mach mal den Mund zu", raunte Marco mir grinsend zu, „Sonst fängst du noch an zu sabbern." Ich ignorierte Marco. Zu sehr hing ich gerade an dem, was da passierte. Inzwischen fiel mir aber auch auf, dass sie von meiner Band begleitet wurde.

„𝘐'𝘮 𝘴𝘰𝘳𝘳𝘺 𝘵𝘩𝘢𝘵 𝘐 𝘩𝘶𝘳𝘵 𝘺𝘰𝘶
𝘐𝘵'𝘴 𝘴𝘰𝘮𝘦𝘵𝘩𝘪𝘯𝘨 𝘐 𝘮𝘶𝘴𝘵 𝘭𝘪𝘷𝘦 𝘸𝘪𝘵𝘩 𝘦𝘷𝘦𝘳𝘺𝘥𝘢𝘺
𝘈𝘯𝘥 𝘢𝘭𝘭 𝘵𝘩𝘦 𝘱𝘢𝘪𝘯 𝘐 𝘱𝘶𝘵 𝘺𝘰𝘶 𝘵𝘩𝘳𝘰𝘶𝘨𝘩
𝘐 𝘸𝘪𝘴𝘩 𝘵𝘩𝘢𝘵 𝘐 𝘤𝘰𝘶𝘭𝘥 𝘵𝘢𝘬𝘦 𝘪𝘵 𝘢𝘭𝘭 𝘢𝘸𝘢𝘺
𝘈𝘯𝘥 𝘣𝘦 𝘵𝘩𝘦 𝘰𝘯𝘦 𝘸𝘩𝘰 𝘤𝘢𝘵𝘤𝘩𝘦𝘴 𝘢𝘭𝘭 𝘺𝘰𝘶𝘳 𝘵𝘦𝘢𝘳𝘴
𝘛𝘩𝘢𝘵'𝘴 𝘸𝘩𝘺 𝘐 𝘯𝘦𝘦𝘥 𝘺𝘰𝘶 𝘵𝘰 𝘩𝘦𝘢𝘳
𝘐'𝘷𝘦 𝘧𝘰𝘶𝘯𝘥 𝘢 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘧𝘰𝘳 𝘮𝘦
𝘛𝘰 𝘤𝘩𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘸𝘩𝘰 𝘐 𝘶𝘴𝘦𝘥 𝘵𝘰 𝘣𝘦
𝘈 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘵𝘰 𝘴𝘵𝘢𝘳𝘵 𝘰𝘷𝘦𝘳 𝘯𝘦𝘸
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶."
Wann hatten die das geplant? Ich hatte absolut nichts mitbekommen. Und wer wusste davon? Ich schaffte es dann doch, meinen Blick von Sofy zu lösen und schaute unauffällig durch den Raum. Okay. Melina sah man die Überraschung genauso an. Nur Amelie grinste wissend und schien alles mit ihrem Handy zu filmen.

„𝘐'𝘮 𝘯𝘰𝘵 𝘢 𝘱𝘦𝘳𝘧𝘦𝘤𝘵 𝘱𝘦𝘳𝘴𝘰𝘯
𝘐 𝘯𝘦𝘷𝘦𝘳 𝘮𝘦𝘢𝘯𝘵 𝘵𝘰 𝘥𝘰 𝘵𝘩𝘰𝘴𝘦 𝘵𝘩𝘪𝘯𝘨𝘴 𝘵𝘰 𝘺𝘰𝘶
𝘈𝘯𝘥 𝘴𝘰 𝘐 𝘩𝘢𝘷𝘦 𝘵𝘰 𝘴𝘢𝘺 𝘣𝘦𝘧𝘰𝘳𝘦 𝘐 𝘨𝘰
𝘛𝘩𝘢𝘵 𝘐 𝘫𝘶𝘴𝘵 𝘸𝘢𝘯𝘵 𝘺𝘰𝘶 𝘵𝘰 𝘬𝘯𝘰𝘸
𝘐'𝘷𝘦 𝘧𝘰𝘶𝘯𝘥 𝘢 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘧𝘰𝘳 𝘮𝘦
𝘛𝘰 𝘤𝘩𝘢𝘯𝘨𝘦 𝘸𝘩𝘰 𝘐 𝘶𝘴𝘦𝘥 𝘵𝘰 𝘣𝘦
𝘈 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘵𝘰 𝘴𝘵𝘢𝘳𝘵 𝘰𝘷𝘦𝘳 𝘯𝘦𝘸
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶."
Ein wenig überfordert war ich schon. Und dieses Mal konnte ich wohl auch die Tränen nicht mehr zurückhalten. Denn allmählich merkte ich, wie sich die ersten in meinen Augen sammelten und langsam über das Gesicht kullerten.

„𝘐'𝘷𝘦 𝘧𝘰𝘶𝘯𝘥 𝘢 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘵𝘰 𝘴𝘩𝘰𝘸
𝘈 𝘴𝘪𝘥𝘦 𝘰𝘧 𝘮𝘦 𝘺𝘰𝘶 𝘥𝘪𝘥𝘯'𝘵 𝘬𝘯𝘰𝘸
𝘈 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘧𝘰𝘳 𝘢𝘭𝘭 𝘵𝘩𝘢𝘵 𝘐 𝘥𝘰
𝘈𝘯𝘥 𝘵𝘩𝘦 𝘳𝘦𝘢𝘴𝘰𝘯 𝘪𝘴 𝘺𝘰𝘶."
Es war endgültig vorbei mit mir. Die Tränen konnte ich endgültig nicht mehr zurückhalten. Völlig überfordert fuhr ich mir durch die Haare. Scheiße. Was war das gerade? Eine schönere Überraschung hatte ich wohl in meinem ganzen Leben noch nie bekommen. Als der letzte Ton verklungen war, konnte ich dann auch nicht mehr anders. Ich ging direkt auf sie zu und allmählich erkannte ich auch einige Tränen bei ihr. Sie stand vom Klavier auf und kam mir entgegen. Sofort zog ich sie in meine Arme und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren. Wohl auch, um den riesigen Schwall an Tränen ein wenig zu verstecken. Denn jetzt brach es endgültig aus mir heraus. Immerhin wusste ich ganz genau wie viel Überwindung sie das gerade gekostet hatte. Mir war auch einfach nie bewusst gewesen, dass sie so hammermäßig singen konnte. Was konnte diese Frau eigentlich nicht? „Was machst du nur mit mir?", flüsterte ich, dass nur sie mich verstehen konnte. Aber eigentlich erwartete ich gar keine Antwort von ihr. Ich konnte die Frage doch selbst nicht beantworten. Wie sollte sie es dann? Sie hatte sich gerade eben selbst übertroffen. Wieder einmal. Ich versuchte, einmal tief durchzuatmen, um wenigstens wieder ein wenig klarzukommen. Selten hatte ich mich selbst so emotional erlebt. Es war echt unfassbar, was diese Frau mit mir machte.

Vielleicht irgendwann (2)Where stories live. Discover now