»Du bist mein Zuhause, Yoongi«, murmelte ich. »Mir ist egal, wo wir wohnen. Hauptsache ich kann bei dir sein.«
»Aww.« Der Rapper drückte mir einen Kuss auf meinen Scheitel und wiegte mich ein wenig hin und her. »Ich werde mein Bestes geben, jede freie Minute, in der wir nicht unterwegs sind, hier mit dir zu verbringen. Aber wir haben sehr bald unseren freien Monat, komplett ohne Verpflichtungen. Den würde ich sehr gerne Vollzeit mit dir verbringen und dich vielleicht auch meiner Familie vorstellen...wenn es dir nichts ausmacht.«
»Klingt gut«, erwiderte ich lächelnd. »Mehr als das.«
Tatsächlich war ich mir schon sehr lange darüber im Klaren, was für eine besondere, ja wahrscheinlich einmalige Zeit uns da bevorstand. Ich würde zeitgleich mit Yoongi wieder beginnen, zu arbeiten. Bei BigHit, in der Grafik- und Marketingabteilung. Es hatte zu meinem eigenen Erstaunen nicht einmal viel Überzeugungsarbeit gebraucht, um an diesen Job zu gelangen. Bang PD persönlich war nach Yoongis Bekanntgabe seinerseits über meinen Umzug nach Seoul auf mich zugekommen, um ihn mir anzubieten. Ich wusste natürlich, dass hierbei eine Menge Eigennutz mitgeschwungen war. Sie hielten mich unter Verschluss in den eigenen vier Wänden – unter ihrer Kontrolle. Gleichzeitig wollte ich mir aber auch nicht kaputtreden, dass ich diesen Job niemals bekommen hätte, würde BigHit mir nicht vertrauen. Ob sie es nun zugeben würden oder nicht – irgendwie schienen sie Julia und mir ja doch ganz schön dankbar zu sein und ein gewisses Bedürfnis nach einer Revangierung zu besitzen. Immerhin durfte sie – obwohl sie kein offizieller Mitarbeiter war – mit entsprechender Anmeldung im Gebäude ein- und ausgehen, um Taehyung zu besuchen. Ebenfalls eine Win-Win-Situation für das Paar und das Unternehmen, da jenes so vermeiden konnte, dass sich die beiden irgendwo draußen trafen.
»Dann bin ich beruhigt...«, riss mich Yoongi wieder aus meinen Gedanken. »Bevor du mir allerdings hier an meiner Schulter einschläfst, würde ich dir gerne noch etwas zeigen. Dafür müsstest du dich aber vorerst drüben auf die Couch setzen.«
Ich zögerte einige Sekunden unsicher, ehe ich seiner Aufforderung nachkam. Yoongi schritt unterdessen auf die Wand zu und hob eine der Gitarren aus ihren Halterungen. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als er damit zu mir zurückkehrte und, das Instrument auf seinem Schoß, neben mir Platz nahm.
»Du hast nicht ernsthaft...«, begann ich, doch stoppte, als er den Finger hob, um mich zum Schweigen zu bringen.
»Hör einfach zu okay?«
Und dann begann er zu spielen. Erst ein wenig vorsichtig und unsicher, dann immer selbstbewusster und zielsicherer. Und ich erkannte den Song schon nach den ersten Tönen, die mir entgegenhallten. Augenblicklich jagte mir ein Kribbeln, gepaart mit schwindelerregenden Flashbacks durch meinen Körper. Es war zu unwirklich, dass er es tatsächlich gerade spielte. Er für mich. Und dann begann er zu allem Überfluss auch noch zu singen – eine ganze Spur besser und entschlossener als ich.
»And I'd give up forever to touch you
'Cause I know that you feel me somehow
You're the closest to heaven that I'll ever be
And I don't want to go home right now«
Yoongi sah mir immer wieder in die Augen, während er spielte – auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel, die Saiten mit den Fingern zu treffen ohne dabei hinzusehen. Er gab sich so viel Mühe dabei, dass mir innerhalb von Sekunden die Tränen in die Augen schossen. Er hatte es für mich gelernt...obwohl er bisher meines Wissens nach nie wirklich Gitarre gespielt hatte.
»And I don't want the world to see me
'Cause I don't think that they'd understand
When everything's made to be broken
I just want you to know who I am«
Inzwischen wusste ich, wer Yoongi war: ein Mann mit einem viel zu großen Herzen, das er nur für die wenigsten Menschen öffnete. Jemand, der seine Gefühle zwar schwer äußern konnte, doch immer darum bemüht war, es zumindest zu versuchen. Ein Mensch voller Ehrlichkeit, Treue und einer Beobachtungsgabe, mit der er so gut wie jeden, den ich kannte, übertraf. Jemand, der das Wohl seiner Liebsten stets über sein eigenes stellte. Ein wahrer Freund, ein Virtuose, ein Genie auf so vielen Ebenen. Und ganz nebenbei die Liebe meines Lebens.
»Ich dachte...ich müsste es dir auch einmal spielen", murmelte er etwas verlegen, nachdem die letzten Töne verklungen waren. „Als du ihn mir damals gezeigt hast...das war einer der Momente, in denen mir zum ersten Mal richtig bewusstwurde, was ich...nun ja...für dich empfinde. Auch wenn ich es da noch nicht so richtig wahrhaben wollte.«
»Du hast dir wirklich nur dafür...das Gitarre-spielen beigebracht?«, fragte ich ihn mit glühenden Wangen.
Yoongi räusperte sich und sah mit einem leicht starren Blick auf das Instrument in seinem Schoß hinab. Es stand ihm so gut. Fast so gut wie ein Klavier oder ein Keyboard. Aber nur fast.
»Um ehrlich zu sein...war das nur die Aufwärmübung«, brummte er, ohne dabei den Kopf zu heben. »Ich hatte mir schon lange vorgenommen, Gitarre spielen zu lernen. Ich hatte das, was ich dir eigentlich zeigen will, erst auf dem Keyboard geschrieben und dann auf die Gitarre übertragen, weil es damit irgendwie...glücklicher klang. Zwischendrin war ich zwar immer mal wieder kurz davor, das verdammte Ding aus den Fenstern in sechs verschiedenen Ländern zu schmeißen, aber irgendwie hab ich es dann doch hinbekommen. Ganz passabel, hoffe ich.«
»Warte, warte, stopp«, unterbrach ich ihn verwirrt. »Von was sprichst du jetzt?«
»Gleiches Spiel wie gerade«, schmunzelte Yoongi. »Sei einfach still und hör es dir an.«
Er konzentrierte sich erneut auf die Saiten und begann damit, eine mir unbekannte Melodie zu spielen. Eine, die im Gegensatz zu Iris nicht dahinfloss wie ein plätschernder Bach, sondern einen gewissen sprunghaften Beat in sich trug. Etwas Lockeres, Unbeschwertes...und als Yoongi zu singen begann, waren die Lyrics auf Koreanisch. In dem Moment wurde es mir mit voller Tragweite bewusst...und die Tatsache traf mich wie ein Komet mitten in mein Herz.
»Inmitten all meiner monotonen Tage
bin ich am glücklichsten, wenn ich dich sehe
Von all meinen täglichen Routinen
bist du die besonderste für mich«
Wenn Iris mich schon zutiefst berührt hatte, was stellte dieser Song nun bitte mit mir an? All meine Gefühle fuhren Achterbahn. Yoongi hatte das allem Anschein nach für mich geschrieben. Für mich. Konnte das wirklich wahr sein?
»Lass uns zum blauen Meer reisen,
das blaue Meer, an dem wir beide Freunde haben
Für einen Moment, deine nutzlosen Sorgen –
hör auf mit ihnen, für einen Moment
Lass uns sie zusammen genießen,
die kleine Insel im blauen Meer, an die wir uns erinnern
Selbst wenn wir uns auseinanderleben
sind unsere Herzen immer noch die Gleichen
Selbst wenn du nicht an meiner Seite bist
Selbst wenn ich nicht an deiner Seite bin
Wir wissen, dass wir zusammen sind«
Als Yoongi endete, liefen mir die Tränen bereits in stetigen Bächen die Wangen hinab. Scheiße, warum war ich nur so nah am Wasser gebaut? Aber es fühlte sich einfach so...überwältigend an. Als hätte mir Yoongi dieses eine letzte Stück gegeben, das er mir noch von sich vorenthalten hatte. Nie zuvor war ich ihm näher und verbundener gewesen. Nie zuvor hatte ich mich so geliebt von ihm gefühlt.
»Du sagst ja schon wieder gar nichts«, murmelte Yoongi nüchtern und kratzte sich am Kopf. »Der Song heißt Telepathy...Irgendwie spukt er mir schon eine Weile im Kopf rum und ich hab's gerade noch rechtzeitig geschafft, ihn fertigzuschreiben, bevor du –«
Weiter kam er nicht. Ohne Rücksicht auf die Gitarre, die zwischen uns lag, hatte ich mich zu Yoongi gebeugt und seine Lippen mit meinen vereinnahmt. Anders konnte ich gerade nicht ausdrücken, wie es mir ging.
»Heißt das...er gefällt dir?«, fragte er vorsichtig, nachdem ich mich wieder von ihm gelöst hatte.
»Ist das ein Witz?«, erwiderte ich stirnrunzelnd. »Ich kann nicht fassen, dass du das...ernsthaft gemacht hast?«
»Dir einen Song schreiben? War es echt so abwegig?«
»Unerwartet.«
Yoongi lächelte warm und legte die Gitarre neben sich auf die Couch, um endlich die Distanz zu mir überwinden zu können. »Nun...Ich werde den Song fürs Erste auch nicht beim Label einreichen...Vielleicht irgendwann mal, wenn der Zeitpunkt passt...immerhin könnte man ihn auch gut auf das Verhältnis von uns als Band mit ARMYs übertragen. Ich möchte aber trotzdem, dass dieser Song an erster Stelle immer dir gehören wird. Ohne dich würde es ihn nicht einmal geben.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken soll...Das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe.«
»Für mich«, murmelte er, »bist und bleibst das für immer du.«
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perfecт ѕтrangerѕ
Fanfiction[✔] »Über Nacht zu Stars werden« - ein Spruch, den die Freundinnen Maya und Julia nur aus überzogenen Geschichten über den American Dream kennen. Dennoch bekommt er eine ganz neue Bedeutung, als die beiden Mädels durch eine unglaubliche Verkettung a...
93 - Epilog Pt. I : Maya
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