21 - No More Dream Pt. II

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Kapitel 21
»No More Dream Pt. II«

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Julia

Seitdem ich in Kim Taehyungs Körper aufgewacht war, fühlte sich jede Minute, jede Sekunde, wie ein krampfhaftes Strampeln in einer Sturmflut an. Irgendwie hatten Maya und ich es bis hierher geschafft ohne unterzugehen, und das, obwohl uns inzwischen fünf BTS-Mitglieder gegenüberstanden. Bemerkenswert. Aber als diese Hand wie in Zeitlupe im Türspalt erschien, spürte ich, wie die Panik mich mit einem schmerzhaften Ruck Unterwasser zog. Es war meine Hand. Ich wiederhole...meine eigene Hand, die wie die eines Dementors aus Harry Potter und der Gefangene von Askaban um die Türkante griff! Das war zu viel, viel zu viel.

Es folgte ein von Sommersprossen befleckter Arm, dann tapste mein eigener Körper langsam in den Raum, und ich spürte, wie Salzwasser in meine Lungen lief und einen widerlichen Würgereiz verursachte. Alle im Raum schienen angespannt die Luft anzuhalten, aber ich sah bei mir überhaupt keine Kapazität zum Atmen mehr. Heilige Scheiße, das war wirklich real! Ich würde ertrinken, da war ich mir inzwischen sicher.

Es fühlte sich an, als hätte irgendeiner von diesen tückischen Flaschengeistern, die dir alle Worte im Mund umdrehten, mein Spiegelbild zum Leben erweckt. In gewisser Weise betrachtete ich mich selbst...andererseits könnte die Person mir gegenüber nicht weniger Julia-haft sein. Die Art, wie Kim Taehyung meine Arme baumeln ließ, meine Beine beim Stehen positionierte, meine Mimik kontrollierte...das war definitiv nicht ich.

Scheiße, scheiße, scheiße! Meine Gliedmaßen und Lippen zitterten inzwischen so unkontrolliert, dass es jeder sehen konnte – das stand völlig außer Frage. Ich wankte, drohte zu kippen. Meine Sicht schien zu verschwimmen, doch ich zwang mich, nicht zusammenzuklappen. Atmen, tief ein- und ausatmen, Julia.

Was mich letztendlich dazu brachte, völlig verstört die ungewohnt große Hand vor den Mund zu schlagen, waren meine Haare. Im ersten Moment hatte der Wall von Emotionen und Überforderung davon abgelenkt, aber nun, als meine Augen zu der neuen Frisur wanderten, wollte ich einfach nur noch losheulen. Taehyung musste meine ursprüngliche Haarlänge mindestens um die Hälfte gekürzt haben, und das nicht einmal mit einem sauberen Schnitt.

Meine rote Mähne war tatsächlich nur noch schulterlang, abgesehen von einigen Strähnen, die Taehyung scheinbar nicht richtig getroffen hatte und die als grässliche Fransen verhinderten, dass man von einer einheitlichen Länge sprechen konnte. Wie viele Schocks konnte mein Körper eigentlich noch mitmachen, ehe ich rückwärts in mein eigenes Grab stolperte?!

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie nach Taehyung eine weitere Person den Raum betrat, konnte meinen Blick aber keine Sekunde lang von meinem eigenen Körper abwenden. Lediglich Mayas schweres Keuchen drang seltsam fern an mein Ohr.

Ich stand völlig versteinert da. Solche Situationen schienen das menschliche Denkvermögen weit über seine Grenzen hinauszutreiben, denn je länger ich meinen eigenen Körper, den ich verlassen hatte, anstarrte, desto besser spürte ich, wie Gehirnzelle um Gehirnzelle ihre Kündigung einreichte. Alles, was zurückblieb, war ein hilfloser Fleischklumpen, der sich unter meiner Schädeldecke versteckte und um Logik und ein Aufwachen bettelte.

Aber da gab es nicht viel, worum er betteln konnte. Mit Logik hatte das alles hier überhaupt nichts zu tun, und dass ich nicht träumte, wurde mir spätestens bewusst, als mein Körper sich auf mich zubewegte. Oh nein. Nein, nein, heilige Scheiße NEIN! Jemand musste ihn stoppen!!

Taehyung tapste tatsächlich auf mich zu und blieb nur wenige Zentimeter vor mir stehen. Verdammte Scheiße. Solche Schweißausbrüche wie in diesem Moment hatte ich nie zuvor erlebt – zum Glück war der Schweiß von Asiaten bekanntermaßen so gut wie geruchsneutral. Ich biss mir fest auf die Innenseite meiner Unterlippe, bis sich der eisenhaltige Geschmack von Blut auf meiner Zunge ausbreitete. Taehyung war ein wenig kleiner als ich...also, ich war kleiner als ich. Wenn das Sinn machte. Wir starrten einander wortlos an, und ich gruselte mich vor meinem eigenen, stechenden Blick. Als meine eigene Hand von ihm gesteuert mein neues Handgelenk umschloss, quiekte ich schrill in der sonst sehr tiefen Stimme auf. Das war zu viel!

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now