14 - RUN | Berlin Pt. I

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Kapitel 14
»RUN | Berlin Pt. I«

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Maya

Es war bereits 15 Uhr, als Julia und ich, eingepackt wie zwei Eskimos und mit schmerzenden Füßen das rote Backsteingebäude des Rathaus-Centers Pankow betraten. Ein Glück hatte ich mit meiner Vermutung recht behalten: Es waren nicht allzu viele Menschen dort unterwegs. Nach dem noch nicht allzu lang zurückliegenden Weihnachten schienen sich wohl die meisten in ihrem Konsumverhalten wieder etwas zu zügeln. Vielleicht lag es aber auch wirklich nur einfach daran, dass es unter der Woche war und Pankow wohl nicht die erste Wahl für viele Shoppingwütige darstellte.

Ich sah aus den Augenwinkeln, wie meine beste Freundin zum fünften Mal checkte, ob die blauen Haare sicher unter meiner Beanie verwahrt waren, ehe sie sich mit mulmigem Blick in dem langgezogenen, beige-gefliesten Gang umsah, in dem sich ein Laden an den nächsten reihte. Die riesigen Anzeigeschilder des K-Kiosk, Blume 2000, GEERS Hörakustik und McPaper sprangen mir ins Auge. Alles nichts, was wir gebrauchen konnten.

»Wenn wir zuerst Schuhe wollen, müssen wir hoch ins Obergeschoss«, murmelte ich an Julia gewandt. »Da gibt es einen Deichmann.«

Als keine Reaktion von ihr kam, drehte ich ihr wieder den Kopf zu und musste überrascht feststellen, dass sich ihr Blick auf eine seltsame starrende Weise irgendwo in der Luft vor sich festgesetzt hatte.

»Ist irgendwas?«, fragte ich sie mit besorgter Stimme.

Julia schielte nervös zu mir herüber, ehe sie schluckte. »Ich...ich war seit dem Aufstehen noch nicht auf der Toilette...und ich glaube, meine Blase platzt gleich.«

Ich musste mir wirklich verkneifen, mir die Hand ins Gesicht zu schlagen. So was schaffte auch nur sie. Niemals hätte ICH bis zum späten Nachmittag durchgehalten, nicht aufs Klo zu gehen! Doch mit ihrem Sturkopf war das natürlich möglich. Leider zog die Natur nun wohl ihre Grenze...

»Dann gehen wir wohl erst ins Untergeschoss«, seufzte ich und schob sie mit zum Boden gesenkten Kopf den Gang entlang bis zu den Rolltreppen. Wie gut, dass ich mich in diesem Kaufhaus inzwischen ziemlich gut auskannte und wir uns nicht erst an der Anzeigetafel stundenlang aufhalten mussten.

Den ganzen Weg über blieb Julia still, bis wir schließlich im UG in den kleinen Seitengang gelangten, wo sich die Toiletten befanden. Nur ein gelangweilt dreinschauender Putzmann, der neben einem kleinen Teller mit Münzen an einem Tisch stand, beobachtete uns, während wir näherkamen.

Ich war so abgelenkt von dessen Anblick, dass ich fast zu spät bemerkte, wie Julia sich schnurstracks in eine völlig falsche Richtung bewegte. Gerade noch so konnte ich sie am Ärmel packen und davon abhalten, geradewegs in die Damentoilette zu marschieren.

»Oh...«, quiekte sie eine Spur zu schrill, als sie meinen eindringlichen Blick und dann auch ihren eigenen Fehler bemerkte. Mit hochroten hervorschauenden Wangen gingen wir schließlich zu zweit in den Vorraum mit den Waschbecken...wo uns schon eine perfekte Aussicht auf die Pissoirs geboten wurde. Ganz große Klasse!

»Nein!«, sagte Julia sofort eine Spur zu energisch und hob einen Finger, um auf eine der Türen zu zeigen. Ein weiteres Wort bekam sie jedoch nicht heraus.

»Jetzt mach schon, wir sollten nicht ewig hier sein«, drängte ich sie. »Mach einfach die Augen zu!«

Ich wusste genau, dass ihr das alles eigentlich viel zu viel war. Ein Eingriff in die Privatsphäre, der vollkommen gegen ihre Prinzipien verstieß, wie man heute morgen beim Umziehen ja auch schon gemerkt hatte. Aber was sollte sie denn in dieser Situation sonst tun? Sich in die Hosen machen?! Es war nun einmal so, wie es war. Erstaunlich, dass Julia sich so souverän mit der Gesamtsituation herumschlagen konnte, aber bei solchen Kleinigkeiten den Kopf verlor. Und bei mir dann genau andersrum. Manchmal fragte ich mich wirklich, wie wir zwei so unzertrennliche Freundinnen hatten werden können, wo wir doch meistens wie komplette Gegenteile agierten.

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now