88 - Am I Wrong

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Kapitel 88
»Am I Wrong«

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Julia

Als unser Chauffeur den Wagen in die Auffahrt des terrakottafarbenen Hauses lenkte, tauchte die Abendsonne die Umgebung bereits in goldenes Licht. Kaum wurde mir die Autotür geöffnet, drangen auch schon das Hundegebell und Kinderrufe aus der Nachbarschaft zu mir. Es war ein befreiendes Gefühl, von dem Großstadttumult Seouls hier in den Randsiedlungen anzukommen – es erinnerte mich ein wenig daran, wie es sich anfühlte, von Berlin nach Blankenfelde zu fahren.

»Es scheinen alle im Garten zu sein«, murmelte mir Taehyung zu, der nun ebenfalls mit Yeontan aus dem Wagen gestiegen war. Er nickte in Richtung der dichten Kirschlorbeerhecke, hinter der man tatsächlich undeutliches Stimmengewirr ausmachen konnte.

»Lass uns heute nicht so lange bleiben, ja?«, bat ich ihn. »Ich weiß, es ist deine Familie. Aber wenn uns morgen so ein langer Flug bevorsteht, würde ich gern vorher genug Schlaf bekommen.«

»Keine Sorge, ich hatte nicht vor, ewig zu bleiben«, antwortete er und schenkte mir ein versicherndes Lächeln. »Ich habe auch nochmal über die Sache mit dem...du weißt schon...Erzählen vom Körpertausch...nachgedacht. Ich kann das heute doch nicht machen. Es ist...ach, ich weiß auch nicht...«

»Es ist okay«, unterbrach ich sein nervöses Gemurmel schnell. »Ich verstehe dich.«

Wir sahen einander kurz an – wobei »kurz« eine neue Bedeutung bekam, wenn man Blickkontakt mit Taehyung hielt. Dieses Ziehen, welches meine Magengegend durchfuhr, sobald seine Augen an meinen hängen blieben, schien alles um uns herum kurz in Zeitlupe zu versetzen. Es klang kitschig...aber was konnte man schon anderes von Romeo und Julia erwarten? Ich lächelte ihn sanft an und senkte dann meinen Blick mit hitzigen Wangen gen Boden zu Yeontan, der uns mit schwarzen Knopfaugen geduldig musterte.

»Danke«, erwiderte Taehyung schließlich und griff vorsichtig nach meiner Hand. »Na dann...Bereit, nochmal das Vorzeigepärchen zu spielen?«

Ich verstärkte ermutigend unseren Händedruck. »Das wird schon.«


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Das wird nicht.

Ich konnte dieses Treffen mit Taehyungs Familie und ein paar Leuten aus der Nachbarschaft nicht einmal als Katastrophe bezeichnen – dafür waren hier alle viel zu nett. Dennoch war mein Optimismus bereits nach fünf Minuten am Esstisch verraucht und schwabberte jetzt irgendwo in der Abendluft herum. All diese Augenpaare, die erwartungsvoll auf mir lagen, machten mich allmählich wahnsinnig. Natürlich hofften sie darauf, dass ihr geliebter Taehyung sich ein wenig an ihren Gesprächen beteiligte...doch diesen Gefallen konnte ich ihnen leider nicht tun. Mich hatte allein die Begrüßung mit Umarmungen von allen Seiten so überfordert, dass ich erstmal kraftlos auf dem Stuhl zusammengesackt war und ein halbes Glas Weinschorle meine Kehle hinuntergekippt hatte.

Doch von all den Blicken, die sich immer mal wieder neugierig auf mich legten, beängstigte mich einer am meisten. Was wollte Jeongyu nur von mir? Ich spürte, wie seine Augen pausenlos an mir klebten und mich scheinbar durchbohren wollten. Bisher hatte ich sein Gestarre kein einziges Mal erwidert – zu groß war die Angst, er könne mich durchschauen. Dass er das schräge Verhalten seines »Bruders« beim letzten Besuch nicht vergessen hatte, stand überhaupt nicht zur Debatte. Wenn ich Pech hatte, hatte er sogar Nachforschungen angestellt...aber ob man dabei eine passable Wahrscheinlichkeit auf Erfolg besaß? Ich konnte nur beten, dass dem nicht so war.

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now