72 - House of Cards Pt. III

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Kapitel 72
»House of Cards Pt. III«

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Julia

Meine Finger nestelten nervös an Taehyungs metallsilberner Juul in meiner Jackentasche, während ich zügigen Schrittes über den grauen Teppich des menschenleeren Korridors huschte. Links und rechts von mir reihten sich die mahagonihölzernen Hotelzimmertüren aneinander, hinter welchen sich die aktuellen Unterkünfte der BigHit-Staff-Members befanden. Dass das Management auf Tour immer ein gesamtes Stockwerk für die ganze Crew und die Band buchte, war in Sachen Sicherheit zwar ungemein beruhigend, konnte aber auch schnell nervig werden, wenn uns verboten wurde, diese Etage zu verlassen, um mal den Rest des verdammten Fünf-Sterne-Hotels zu erkunden.

Als ich endlich vor dem Fahrstuhl hielt und ihn per Knopfdruck zu mir rief, warf ich erstmals einen Blick über meine Schulter und inspizierte den warm beleuchteten Gang mit zusammengekniffenen Augen. Nach den zwei Konzerten der letzten Tage war meine Paranoia gegenüber Sasaengs ins Unermessliche gestiegen...außerdem wollte ich nicht dabei erwischt werden, Sejins Regeln schamlos zu missachten. Es war eine Sache, wenn Taehyung das in meinem Körper tat. Doch wenn ich, aussehend wie eins der berühmtesten Idols ever, rücksichtslos durch das Hotel spazierte, würde das garantiert schwere Konsequenzen nach sich ziehen. BigHit würde vermutlich sämtliches Vertrauen in Maya und mich verlieren und uns nirgendwo mehr hingehen lassen. Was also tat ich hier gerade?!

Eigentlich war das alles auf Jeon Jungkooks Mist gewachsen. Wessen auch sonst? Der Maknae hatte echt ein Talent dafür, so auf mich einzureden, dass mir die desaströsten Ideen plötzlich wie göttliche Eingebungen vorkamen. Heute hatte er für mich seine ganz eigenen zehn Gebote formuliert und mich zur ersten Anhängerin seiner Religion – dem Kookismus ­– deklariert. Das lief dann ungefähr so ab:


1. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine Götter haben neben mir, Jeon Jungkook.

2. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. (»Ich habe keine Mutter mehr, Kook.« »Gut, dann eben deinen Vater und deine Zahnbürste. Zahnbürsten sind wichtig.«)

3. Du sollst nicht töten. Außer bei Overwatch.

4. Du sollst nicht stehlen. Außer die Süßigkeiten des Regisseurs.

5. Du sollst mit Taehyung reden, indem du ihm seine E-Zigarette anbietest und dich nachts, trotz ausdrücklichen Verbots durch unseren Manager, auf eine geschlossene Terrasse schleichst.


Während ich noch darüber nachgedacht hatte, ob wir damit nicht an die Grenzen zur Blasphemie stießen, hatte Jungkook bereits freudig begonnen, den Pod von Taehyungs Juul mit neuem Mint-Liquid aufzufüllen. Es war meinem Frust durch Mayas Distanzierung und Kooks schlechtem Einfluss zuzuschreiben, dass ich meine Proteste schließlich aufgegeben und mich tatsächlich auf den Weg gemacht hatte.

Der Fahrstuhl kündigte sich mit einem leisen Pling an, welches jedoch unangenehm laut durch die Stille hallte. Hastig und mit heftig pochendem Herzen trat ich über die Schwelle und schloss die Türen schnell wieder. Ich war eigentlich wirklich nicht der Typ Mensch dafür, der bewusst gegen die Anweisungen höhergestellter Personen handelte. Aber Ausnahmen bestätigten die Regel, richtig?

Im siebten Stock verließ ich den Aufzug und wurde augenblicklich von einer Security-Dame auf Chinesisch angehalten. Ganz toll.

»Wie bitte?«, fragte ich nervös lächelnd auf Koreanisch und dankte innerlich allen guten Geistern, als sie sofort schaltete und auf der gleichen Sprache – wenn auch sehr gebrochen – antwortete.

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now