77 - Reflection Pt. I

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Kapitel 77
»Reflection Pt. I«

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Julia

Das leichte Gluckern der Heizungsrohre...eine eher semiweiche Couch, deren Polster sich in meine Wirbelsäule bohrten...stickige Luft, die an meinen Schleimhäuten kratzte. Das waren die ersten Dinge, die ich an jenem seltsamen Morgen wahrnahm, als ich den Zustand des Wachseins erreichte. Gleich darauf folgte ein leicht süßlicher Eigengeruch, der meine inneren Alarmglocken schrillen ließ. Das Zimmer in Jins Apartment, in welchem ich momentan schlief, roch eigentlich anders.

Meine Lider öffneten sich schlagartig und offenbarten das zwielichtige Wohnzimmer, in welchem ich übernachtet hatte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich in meiner Schräglage den Raum als Teil vom BTS-Dorm identifizieren konnte. Richtig, hier hatte ich mich gestern Abend schlafen gelegt.

In einem unheimlichen Tempo, welches mir sofort fiese Kopfschmerzen einbrachte, prasselten nun mit einem Schlag alle Erinnerungen an die gestrigen Geschehnisse auf mich ein. Bis dann endlich die schreckliche Realisierung folgte, dauerte es nur wenige Sekunden.

Die Haare, die mir in feinen Strähnchen ins Gesicht fielen, waren blau. Der Arm, der halb vom Sofa herunterhing, war blass und makellos – keine Spur von Sommersprossen. Und der Druck in meiner Unterhose war definitiv eine Begleiterscheinung der verhassten Morgenlatte. Ich war es inzwischen so gewohnt, die Welt mit allen fünf Sinnen aus Taehyungs Perspektive zu erleben, dass mir zunächst gar nicht aufgefallen war, dass ich noch immer in einem fremden Körper steckte. Verdammte Scheiße.

Der Kuss hatte also nicht funktioniert. Wieso? Wieso nur machte mir mein Schicksal immer einen Strich durch die Rechnung? Die Verzweiflung überkam mich mit so heftiger und plötzlicher Gewalt, dass nicht einmal die Tränendrüsen so schnell ihrer Funktion nachkommen konnten. Und so lag ich einfach nur mit lethargischem Blick auf der harten Couch und starrte ins Nichts.

Ich fühlte mich einsam und alleingelassen vom Universum. Welche höheren Mächte hatten es für eine gute Idee gehalten, mich in das Leben eines Popstars zu zwingen? War das irgendwie frühzeitiges Karma, welches mich hier festhielt und an die Ketten von Taehyungs Beruf legte? Die einzige uns bekannte Methode gegen Körpertauschs hatte bei mir nicht gewirkt. Damit hatte sich die ganze Sache dann nun wohl erledigt. Ich war dazu verdammt, für immer in diesem Körper zu stecken und eines Tages auch in ihm zu verrecken.

Dabei gab es doch so viel, was ich noch erleben wollte. Lehrerin werden und das Leuchten in den Augen von Kindern sehen, die etwas Neues gelernt hatten. Ich wollte schwanger werden und mein eigenes Baby zur Welt bringen. Ich wollte die Welt bereisen, ohne von Groupies gejagt zu werden, und mit meinen Geschwistern auf Konzerte gehen. Oh...meine Familie. Wie lange wollte ich ihnen diese ganze Tragödie noch verheimlichen? Jetzt, wo jegliche Aussicht auf eine Rückverwandlung verpufft zu sein schien, sollten sie es allmählich erfahren. Eben nur nicht heute. Und vielleicht besser auch noch nicht morgen. Übermorgen war auch noch zu früh. Vielleicht...in einem Jahr oder so. Wenn sie mich eh schon halb vergessen haben würden.

Ich rümpfte die Nase und setzte mich langsam auf, um durch einen kleinen Spalt zwischen den Vorhängen nach draußen zu spähen. Der Horizont opalisierte in einem flammenden Orangerot, während das weite Himmelszelt darüber Seoul noch immer in eine dunkelblaue Decke hüllte. Es war definitiv noch zu früh, um wach zu sein. Apropos...wo war eigentlich Maya abgeblieben? Zu so brutalen Uhrzeiten schon auf zwei Beinen zu stehen, war eigentlich nicht ihre Art. Vielleicht war ihr das Sofa ja zu hart geworden und sie war doch nach oben in das andere Apartment gehuscht...

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now