11 - Jamais Vu | Berlin Pt. II

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Kapitel 11
»Jamais Vu | Berlin Pt. II«

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Julia

Großartig. Vielen Dank auch, Maya. Ich hatte erwartet, dass wir in so einer mehr als außergewöhnlichen Situation zusammenhalten würden. Und nun ließ sie mich hier allein mit der Verantwortung vor mich hin schimmeln und stürzte sich in das Berliner Stadtgetümmel. War das nicht fantastisch?

Ich ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Verdammt, hätte ich gestern Abend gewusst, was dieses dämliche Spiel für Konsequenzen haben würde...hätte ich gewusst, dass ich in Taehyungs Körper aufwachen würde...hätte ich gewusst, dass sich mein ganzes Leben innerhalb einer Nacht so auf den Kopf stellen würde...

Ich stand auf, entschlossen, mich nicht weiter selbst zu bemitleiden. Was würde mir das bringen? Die Zeit konnte ich eh nicht zurückdrehen. Es galt nun, Ideen zur Lösung dieses riesigen Problems zu sammeln. BigHit zu kontaktieren schien mir der vernünftigste Ansatz zu sein...

Ich ging in mein Zimmer, wobei ich jeden einzelnen Schritt viel bewusster als sonst wahrnahm. Auf so riesigen Sohlen zu laufen, fühlte sich seltsam anders an. Mit zitternder Unterlippe wagte ich es, einen weiteren Blick in den Spiegel zu werfen. Ein wirklich fertig aussehender Kim Taehyung mit Mayas weißem Longsleeve und der blauen Jeans starrte mir mit leidender Miene entgegen. Großartig...

Laut aufstöhnend – was ich mit seiner Stimme nicht zu oft wiederholen sollte – warf ich den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Das konnte einfach alles nur ein Traum sein...es war zu unwirklich und noch immer fiel es mir schwer, das alles zu glauben. Geschweige denn zu akzeptieren.

Dementsprechend musste ich mich auch erst dazu überwinden, schließlich die E-Mail-Adresse von BigHit zu ergoogeln und auf Englisch einen Text zu verfassen. Doch so formell und höflich ich mich auch auszudrücken versuchte – es klang jedes Mal mehr als lächerlich. Sobald ich erwähnte, dass meine beste Freundin und ich in den Körpern zweier Mitglieder ihrer erfolgreichsten Band aufgewacht waren, musste ich selbst freudlos auflachen. Das war einfach nur absurd.

Taehyungs zitternde Knochenfinger sausten über meine Tastatur, landeten am häufigsten allerdings wieder auf der Löschtaste. Bis ich letztendlich eine Mail zusammengebastelt hatte, die halbwegs passabel klang, musste eine Ewigkeit vergangen sein. Doch beim Absenden fühlte ich weder Erleichterung noch Hoffnung. So große Unternehmen wie dieses Management nutzten meist White Lists für ihr Postfach, um nicht zugemüllt zu werden; meine Chancen standen mehr als schlecht.

Aber...was wäre, wenn...wenn ich dort anrufen würde? Könnten sie dann nicht Taehyungs Stimme erkennen? Das würde meiner lachhaften Geschichte vielleicht wenigstens etwas Glauben schenken. Ich musste es versuchen...es versprach mehr Aussichten auf Erfolg als eine E-Mail.

Irgendwie fühlte es sich verboten an, die Telefonnummer des Entertainments rauszusuchen. Als wäre ich ein übergeschnappter Sasaeng, die sich daraus erhoffte, ihren Oppas »saranghae« sagen zu können. Gruselig. Im Gegensatz zu der Mail-Adresse dauerte es aber eine ganze Weile, bis ich tatsächlich fündig wurde. Und bis ich mich endlich traute, auf »Wählen« zu klicken, verging eine weitere Ewigkeit.

Sofort begann mir der Angstschweiß auszubrechen, als das Tuten an mein Ohr dröhnte, und mir flutschte beinahe das Handy aus der Hand, was aber auch an der ungewohnten Fingergröße liegen konnte. Aus Gewohnheit wollte ich mir nervös an den Lippen pulen, doch wie auch zuvor hing dort kein einziger Fetzen abgestorbener Haut, durch den ich mir den Mund blutig reißen konnte. Vielleicht war das wenigstes ein positiver Aspekt dieser Verwandlung...ich hatte die Chance, endlich meine lästige Angewohnheit des Lippenzupfens loszuwerden.

perfecт ѕтrangerѕWhere stories live. Discover now