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Nazar.

Die letzten zwei Tage haben wir entweder im Bett verbracht oder eine Wanderung durch das Pigeon-Valley gemacht.

Bei der Wanderung durch die Landschaft haben wir uns verlaufen, uns gestritten, wo lang es doch geht. Hussein wollte Recht behalten, nicht auf mich hören. Doch am Ende sah er ein, dass meine Wegweisung doch die Richtige war.

Es ist bereits Morgens. Unser letzter Tag hier, bevor wir morgen früh wieder abreisen und in den Alltag kehren. Zudem muss ich sagen, dass eine große Last von meinen Schultern gefallen ist, seitdem ich es Hussein erzählt habe und wir offen über meinen Herzfehler sprechen konnten.

Er hat mir erzählt, dass er in diesen drei Stunden durch die Stadt gelaufen ist. Nachgedacht hat. Etwas gegessen hat. Er hat auch wohl mit Rüya geschrieben, obwohl er es lieber mit Capi gemacht hätte. Aber dieser weiß bisher noch nichts davon.

Meine beste Freundin hat ihm dann auch einiges darüber erzählt, ihm Tipps gegeben, wie er reagieren soll. Was uns allen bevor steht, wenn ich meine Operation im August habe und dass er mich nach einer Notfall-Tablette fragen soll.

Ich würde ihm eine geben, aber momentan habe ich nur noch zwei hier, welche ich nach dem Frühstück einnehmen muss. Denn leider habe ich mir nicht genügend Medikamente mitgenommen.

„Guten Morgen", brummt mein Freund verschlafen und zieht mich an seinen Körper.

„Guten Morgen, ask", lächle ich ihn an und drücke ihn von mir weg. „Geh deine Zähne putzen. Du hast richtig Mundi."

Hussein hält seine Hand vor dem Mund und haucht kurz dagegen, ehe er sein Gesicht verzieht. „Scheisse", sagt er, springt aus dem Bett und sprintet nach unten. „Bin gleich da, mach deine Lippen bereit!"

Lachend setze ich mich auf und strecke mich leicht. Ich bin zwar schon seit zwanzig Minuten wach, habe mir auch schon die Zähne geputzt, aber dennoch bin ich hundemüde und freue mich auf mein eigenes Bett. Oder sein Bett.

Und ich vermisse Rüya und Louna. Ich vermisse die beiden so sehr, dass es mich traurig macht, weil ich beide ewig nicht mehr gesehen habe. Rüya ist schon wie eine Schwester für mich. Obwohl nein. Stimmt nicht. Sie ist meine Schwester, die ich nie hatte. Aber Louna ist die verlorene Cousine, die Cousine, die ich liebe.

Ich schreie auf, als sich Hussein auf mich wirft und ich unter ihm halb am ersticken bin. Wann hat er bitte so zugenommen?

„Du dreckiger Fettsack, geh runter von mir", kreische ich auf und versuche den Libanesen von mir zu drücken. Doch er macht sich einfach nur schwerer und lacht dabei. „Hussein!"

„Chill doch mal, oh mein Gott", lacht er und wirft sich neben mich auf das Bett. „Wenn ich beim Sex über dir bin und mich am Ende auf dich fallen lasse, bist du nicht so zimperlich. Was stimmt nicht mit dir?"

„Das ist was anderes!"

„Das ist genau das selbe. Hä?", gibt er zurück und schaut mich ernst an.

„Beweis es doch", brumme ich auf und bekomme von ihm nur ein süffisantes Lächeln zugeworfen.

Ich weiß ganz genau, was das heißt. Hoffentlich hält mein Körper das durch.

„Hussein, ich-"

„Mh?", grinst er mich an und dreht sich seitlich zu mir. „Du?"

Dieses Grinsen. Dieses verdammte Grinsen reicht einfach aus, dass mein Verstand abschaltet und alles andere meinen Körper kontrolliert. Er müsste nur mit den Augen blinzeln, und ich würde alles tun, nur damit er glücklich wird. Damit wir glücklich sind.

Er streicht mit seinen Fingern über mein Oberschenkel entlang, bleibt an der engen Radlerhose stehen und zupft leicht an dieser. Dann fällt sein Blick auf sein T-Shirt. Seine Augen glänzen und auf seinen Lippen schmückt sich immer noch ein Grinsen ab, welches immer breiter wird.

„Dir stehen meine Klamotten einfach."

„Also gibst du mir die Erlaubnis, deine Sachen zu leihen?", frage ich ihn und stütze mich leicht ab, sodass ich auf sein Gesicht herunter schauen kann.

„Ich schenke sie dir", erwidert er und blickt zu mir hoch. „Das ist das mindeste, was ich tun kann."

Lächelnd beuge ich mich zu ihm herunter und küsse ihn. Sofort erwidert er den Kuss und es beginnt wieder einmal von vorne.

Louna hatte Recht. Dieser Urlaub würde nur aus Sex bestehen. Wir können unsere Finger nicht von einander los lassen. Zu sehr hängen wir aneinander. Manchmal sogar aufeinander. Aber das macht uns nichts aus. Nicht in Geringsten. Wir lieben es.


Nach einer Stunde liegen wir wieder ausgelassen im Bett, schauen uns auf Netflix wieder einmal Vampire Diaries an, worauf Hussein eigentlich keine Lust hat. Denn ihn regen Elena und Stefan auf. Er ist mehr Team Damon.

Nachdem wir dann auch mehrere Folgen geguckt haben, machen wir uns daran, unsere Koffer zu packen.

„Kannst du unsere Sachen aus dem Bad- alter! Geht's noch?", rufe ich, nachdem er mir etwas an den Kopf geworfen hat. Ein T-Shirt von ihm. Funkelnd sehe ich zu ihm. Er grinst mich bereits an und zeigt mir seinen Mittelfinger. „Junge, geht's dir gut?"

„Oh habibti. Mir geht es blendend. Wenn du jetzt noch nackt rum laufen würdest, würde es mir perfe-", weiter kommt er nicht, denn ich werfe ihn mit dem nächstbesten Gegenstand ab - einem Schuh von mir.

Es artet aus. Alles was wir in die Hände bekommen, wird auf den anderen geworfen. Bis es die Kissen sind, mit welchen wir uns gegenseitig schlagen. Ich - stehend auf dem Bett - und er - laufend durch das Zimmer.

Das Hotelzimmer sieht schon verwüstet aus. Hier und da liegen kaputte Lampen und Vasen, welche keinen Schutz vor unserer Schlacht hatten.

Als dann auch noch ein Spiegel auf den Boden fällt, sehen wir schweigend auf die zerbrochenen Scherben und grinsen vor uns hin.

„Keine Sorge", sagt er dann und zuckt entspannt mit den Schultern. „Bezahle ich schon."

Lachend lasse ich mich auf das Bett nieder und sehe mir das Schlachtfeld an. Eigentlich wollten wir Koffer packen. Jetzt sieht alles noch unordentlicher aus als zuvor.

„Mit dir gehe ich nie wieder in ein Hotelzimmer. Das endet nicht gut", schüttle ich grinsend mit dem Kopf und sehe ihm dabei zu, wie er auf mich zu kommt.

Vor mir bleibt er stehen und stützt sich am Bett ab. „Ist auch nicht nötig, wenn wir bei mir sind. Da haben wir genug Spielraum. Für alles was du machen willst. Netflix, chillen im Bett. Kissenschlachten und Sex ohne Ende."

„Kannst du eigentlich auch an etwas anderes denken, außer an Sex?", frage ich ihn und lege meine Hände an sein Shirt, nur um ihn näher an mich zu ziehen.

„Nicht, wenn es Sex mit dir ist."

Kopfschüttelnd sehe ich ihn an und lege meine Hände um seine Schultern. „Wie wäre es, wenn wir duschen gehen, hm? Zusammen?"

„Kannst du eigentlich auch an etwas anderes denken, außer an meinen Körper?", grinst er mich an.

„Nein", antworte ich ihn und sehe ihn in seine Augen. „Leider nicht. Gott, ich wünschte ich könnte. Aber du bist so verdammt sexy. Obwohl ein Besuch im Fitness Studio dir bestimmt nicht Schaden würde."

„Mal abgesehen davon, dass du mich kränkst, was meinen Körper betrifft", beginnt er und legt seine Hand unter meinen Kinn. „Würden viele Frauen da sein, die auf mich geiern. Willst du das wirklich?"

Augenrollend schaue ich ihn an. „Wenn du schon meinst, dass du dieses Chaos hier bezahlen kannst, dann sicher auch ein privates Studio nur für dich, Akkouche. Sei kein Dagobert Duck."

„Touché."

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt