28 ✔️

1.8K 87 11
                                    

Nazar.

Meine Gedanken sind ein wirres Durcheinander. Ich weiß einfach nicht mehr, wo vorne und hinten ist, oder mit wem ich überhaupt sprechen soll.

Wenn ich Rüya darauf anspreche und ihr davon erzähle, wird sie nur wieder etwas von einer love story babbeln und darauf habe ich keine Lust.

Mit Ilyas kann ich auch nicht über Samra sprechen, wenn dieser auf mich steht. Ich schätze mal, dass es nicht so cool bei ihm ankommen würde.

Und sonst? Andere Freunde habe ich nicht mehr. Mit meiner Familie darüber zu sprechen ist auch nicht das Wahre. Eigentlich könnte ich es mit meinem Onkel machen, aber dieser würde nur zu viele Fragen stellen. Fragen, auf die ich entweder keine Antwort habe oder Fragen, bezüglich der Party. Denn ab diesem Tag fing alles an.

Also entscheide ich mich für Zeki oder Guiseppe. Doch als ich an meiner Arbeitsstelle ankam, merke ich, dass Guiseppe noch immer krankgeschrieben ist und deshalb nicht anwesend ist. Schade aber auch. Trotzdem ist noch Zeki anwesend, welchen ich nebenbei mal angesprochen habe, um mit ihm in der Mittagspause zu sprechen. Er sagt mir zu.

Als wir dann für eine Stunde geschlossen haben, setzen wir uns in unseren Pausenraum. Naja eher Aufenthaltsraum und packen erstmal unser Essen aus.

„Geht es um die Arbeit?", höre ich den älteren Mann vor mir fragen und sehe zu ihm auf.

Es hat ja irgendwie mit der Arbeit zu tun oder nicht? Immerhin haben wir uns dadurch kennengelernt.

„Mehr oder weniger", seufze ich und esse was von meinem Salat. „Es geht um eine Person, welche hier vor kurzen zwei Mal Autos ausgeliehen hat und wir sind durch eine Person in Kontakt gekommen."

Zeki schaut mich aus seinen braunen Augen musternd an. „Du kannst die Namen nennen, oder ich suche sie gleich, Nazar."

Ich lache kurz auf und nicke dann. „Es geht um Orkan und seine Schützlinge, Samra und Capi. Also eigentlich mehr um Samra." Während ich ihm das sage, versuche ich etwas aus seiner Mimik zu entnehmen, doch er bleibt normal und isst sein Reis und sein Fleisch. „Wir haben uns, also er, Capi, meine Freundin und ich, immer wieder mal getroffen. Aber es hat so geendet, das Samra und ich uns jedes Mal gestritten haben. Durch kleine Provokationen."

Zeki sieht mich grinsend an und ich weiß, was er mir sagen will. Doch ich lasse ihn gar nicht dazu kommen. „Dann auf einer Party, hatte ich einen Vorfall. Mit einer Panikattacke und Atemnot. Ich hab da nämlich ein kleines Problem mit meinem Herzen und es mischt sich nie gut mit Alkohol. Das Ding ist, weder Rüya noch ich wussten, das in den Cola's Alkohol drin war." Kurz sieht mich mein Mitarbeiter fragend an, doch nickt, damit ich weiter sprechen kann. „Jedenfalls kam er dann zu mir und hat sich um mich gesorgt, bis meine Freundin kam. Aber das ist eigentlich nicht das Thema. Eine Woche zuvor haben Capi und Rüya einen echt dummen Plan gehabt, und Samra und mich in einer Wohnung eingesperrt. Wir waren die ganze Nacht über dort, haben uns einige Male - wieder einmal - gestritten."

„Ihr streitet euch echt gerne. Kann das sein?", lacht mein Gegenüber und nimmt einen Schluck aus seiner Flasche.

„Ja schon", grinse ich und zucke mit den Schultern. „Er hat mich in jener Nacht einfach geküsst, Zeki."

Ich warte auf eine Reaktion von ihm ab, doch es kommt keine. Stumm isst er sein Mittagessen und schaut mich immer wieder mal an.

„Hallo?"

„Was denn? Ihr seid jung, ihr könnt euch küssen wann ihr wollt", zuckt der ältere Herr mit den Schultern und zeigt mit seiner Gabel in meine Richtung. „Außer du hast einen Freund, dann wäre es falsch."

Ich schüttle mit meinem Kopf. „Nein, da ist kein Freund. Es ist nur so, dass es mein erster Kuss war und er mir dann ein paar Tage später gesagt hat, dass er mich wahrscheinlich nur geküsst hat, weil er seine Ex Freundin in mir wieder sieht", kläre ich ihn auf und nehme eine weitere Portion meines Salates. „Ich bin dann total ausgeflippt, aus dem Auto gestürmt und bin zurück nach Hause gelaufen. Samra ist mir hinter her gekommen und hat nochmal versucht mit mir zu sprechen, aber ich hab abgeblockt."

„Wieso?", fragt er nach und schaut mich auch fragend an. „Hat dir der Kuss etwa nicht gefallen?" Ein Schmunzeln ziert sich um seine Lippen und sieht mich schelmisch an.

„Ich hab den Kuss nicht einmal erwidert, Zeki", seufze ich auf. „Er wusste nicht einmal, dass es mein erster Kuss ist und ich weiß nicht, wie man sowas macht."

„Dann übe es mit jemanden. Zum Beispiel mit Samra", grinst er mich an und zwinkert mir zu.

Ich reiße meine Augen auf und schüttle wie wild mit meinem Kopf. Zeki spinnt doch. Als ob ich mit Samra lerne, wie man richtig küsst. „Nein, das ist voll peinlich."

Zeki lacht kurz auf und schiebt seinen nun leeren Teller von sich weg. „Was ist mit deinem besten Freund? Lerne es doch mit ihm."

Räuspernd schaue ich auf den Tisch und schüttle wieder mit den Kopf. Mit Ilyas zu lernen, wäre noch peinlicher und falsch. „Geht auch nicht, er steht auf mich", seufze ich und stütze mich am Tisch ab.

Zeki grinst mich an und schüttelt mit dem Kopf. „Wenn du ein Buch über dein Leben schreiben solltest, will ich das Original haben und ich will in dem Buch gut aussehend sein."

Augenrollend lächle ich ihn an und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht hinter mein Ohr. „Mein Leben ist nicht so spannend wie du denkst, also würde sich der Aufwand ein Buch darüber zu schreiben gar nicht loh-"

„Ach halt die Fresse, Nazar", redet er mir dazwischen und lacht laut auf. „Dein bester Freund steht auf dich. Der Kerl, mit dem du dich jedes Mal streitest, hat dich geküsst und dir gebeichtet, dass er es nur gemacht hat, weil er seine Ex in dir sieht. Dann hast du noch ein paar gesundheitliche Probleme, was die Lesern emotional machen würde, weil sie Angst haben werden und nicht zu vergessen: du redest mit einem Mitarbeiter, anstatt mit deiner Freundin und das muss heißen, das du es ihr aus einem bestimmten Grund nicht erzählen möchtest."

Er hat jetzt zwar nur die Dinge aufgezählt, die ich ihm erzählt habe. Aber dann gibt es da noch meinen Onkel und Riza.

Seufzend nicke ich und nehme die letzte Portion meines Salates auf. „Es ist für mich einfach nur ein heftiges Durcheinander, Zeki. Ich weiß einfach nicht weiter. Ilyas kam nicht in Frage, weil er auf mich steht und ich ihm das nicht antun will", erkläre ich ihm und schließe die Tupperdose wieder. „Mit Rüya darüber zu sprechen, überhaupt nicht. Sie war sich am Anfang sicher, das Samra und ich eine love story haben werden, bis sie sich vor einer Woche selbst mit ihm angelegt hat." Schon fast verzweifelt sehe ich ihn an. Zeki mustert mich einfach nur. „Meine Familie konnte ich streichen. Klar, mit Ihsan Dayi darüber zu sprechen würde vielleicht klappen, aber er ist immer noch mein Onkel und ich denke nicht, das er sowas hören will."

Zeki stimmt mir nickend zu und stützt sich mit seinen Armen am Tisch ab. „Ja, ich würde auch nicht gerne hören, was meine Nichten machen. Oder gar meine Töchter", lacht er etwas auf. „Aber ich würde dir vorschlagen, dass du dir selbst erstmal Zeit nimmst und dir im klaren wirst, was du möchtest. Ob du es wirklich bereust, dass Samra dein erster Kuss gewesen ist oder ob du dir jemand anderen vorgestellt hast. Vielleicht würde ich auch noch überlegen, was du mit Ilyas machst. Keine Ahnung, wie ihr gerade zueinander steht, aber denk darüber nach." Er lächelt mich leicht an und schaut kurz zur Tür, wo Maria gerade herein kam, um sich einen Kaffee zu machen. „Und rede mit deiner besten Freundin. Ich glaube, sie wird dir da sogar eher weiterhelfen können, als ein alter Mann wie ich."

Über meinen Kuss mit Samra nachdenken. Darüber nachdenken, ob ich es auch wirklich will. Bereue ich es wirklich? Ich meine, es war nur ein kurzer Kuss, nicht mehr nicht weniger.

Aber wenn ich schon so darüber nachdenke, mit jemanden darüber sprechen muss, dann muss das doch was heißen, oder nicht?

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Where stories live. Discover now