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Nazar.

Ich sollte abschließen. Vielleicht sollte es nie so mit Hussein sein. Vielleicht wollte mir das Universum zeigen, dass ich mehr verdient habe. Etwas besseres. Jemand besseren als ihn.

Seit einer halben Stunde bin ich wieder zurück von meinem kleinen Trip nach Hamburg. Das einzig Gute daran war, das Gespräch mit dem Barkeeper. Er hat mir mehr oder weniger weiter geholfen. Mehr als jeder andere.

Gerade bin ich dabei meinen kleinen Koffer auszuräumen, als mein Handy klingelt. Ich greife danach und schaue auf den Display. Noah?

„Ja?", hebe ich ab und spreche direkt rein. „Was ist los, Sefa?"

„Wollte mich nur melden", lacht er und lässt mich grinsen. Wie süß. „Wie geht's dir so? Alles gut?"

Ich zögere bei meiner Antwort und werfe meine Klamotten in eine Ecke. „Geht schon, bei dir?"

„Noldu?"

Dieses Mal seufze ich und beginne von vorne. Ich erzähle ihm alles. Alles über Hussein und mir. Nur mit dem Punkt, dass er ihn unter Ali kennt.

Nachdem ich fertig bin mit erzählen und meine dreckige Wäsche in den Korb gelegt habe, lasse ich mich erschöpft auf mein Bett fallen.

„Was machst du jetzt?", fragt er mich daraufhin. „Willst du ihn wirklich vergessen und abschließen?"

„Ja", gebe ich zurück und bin mir mit meiner Entscheidung sicher. Nichts könnte mich jetzt noch daran hindern, es anders zu machen. „Ich will nicht mehr, Noah."

Noah brummt auf. „Ja verständlich. Aber guck mal. Ihr habt schon einen großen Streit hinter euch. Viele kleinere Streitereien und jetzt wieder eins. Diese Auseinandersetzungen sind dafür da, dass ihr daran wächst."

„Und wie viele soll ich noch mitmachen?", erwidere ich und fasse mir an die Schläfe. „Wie oft soll ich das noch erleben?"

„Liebst du ihn?", will er wissen. „Liebst du ihn so sehr, dass du jeden Fehler von ihm verzeihen kannst? Dass du all diese Schmerzen aufnehmen kannst?"

Schluckend denke ich nach. Warum eigentlich? Ich kenne die Antwort doch eigentlich schon. „Ja, ich liebe ihn."

„Dann beende es nicht", antwortet er mir und im Hintergrund höre ich, dass er nach irgendetwas sucht. „Was sagen deine Freunde dazu? Zu der Situation mit Ali."

„Rüya und mein Cousin, sowie eine Freundin von mir sind der Meinung, dass er mich liebt. Alle mögen ihn, außer mein bester Freund", nuschle ich die letzten Worte und seufze laut auf.

Wieso ist das alles so kompliziert? Oder ist es gar nicht kompliziert und ich mache es mir nur schwierig?

„Und was sagst du dazu?", will er dann wissen. „Würdest du dir die nächsten Tage, Wochen, Monate und vielleicht auch Jahre ohne ihn vorstellen können?"

Nein, dass kann ich nicht. Ich habe mich schon so sehr an Hussein gewöhnt, dass ich es mir nicht einmal vorstellen möchte. Ich kann mir momentan ein Leben ohne ihn nicht ausmalen.

Die ganzen unlustigen Worte. Seine Worte, die nur an mich gerichtet sind. Seine liebevolle Art. Seine wütende Seite. Die Nächte, an denen er betrunken ist. Die Küsse und Berührungen. Sein Lächeln, welches seine Lippen umspielt, wenn er sich freut.

Definitiv kann ich ihn nicht gehen lassen. Vielleicht habe ich überreagiert.

Wir sind älter geworden. Erwachsener und reifer. Die Zeit und die Erfahrungen haben uns reifen lassen. Hussein hat sich gewiss verändert. Er ist zwar immer noch an manchen Tagen impulsiv gestimmt, dennoch kann er sich am Riemen reißen.

„Ich liebe ihn, Noah", flüstere ich und starre an die Decke. „Zum ersten Mal in meinem Leben liebe ich jemanden mehr als alles andere auf dieser Welt. Und ich sterbe innerlich daran."

„Stirbst du für dich, oder für ihn?"

„Für ihn. Ich sterbe immer nur für ihn", antworte ich ihn hauchend und merke, dass mir die Tränen über die Wangen fließen.

Nachdem das Gespräch beendet wurde und wir aufgelegt haben, mache ich mich bettfertig und lege mich endlich schlafen.

Das Wochenende ist immer noch an meinem Körper zu spüren. Die lange Autofahrt und die unbequeme Matraze zeichnen sich mit Schmerzen ab.

Doch die sind nicht so schlimm, wie mein innerlicher Schmerz, den ich fühle. Immer wieder schaue ich auf meinem Handy nach, nur um herauszufinden, dass er mir nicht geschrieben hat.

Liegt aber auch daran, dass ich ihn überall blockiert habe. Sogar seine Anrufe und Nachrichten.

Sollte ich es wieder aufheben? Sollte ich ihn die Chance geben sich zu erklären? Sich zu entschuldigen?

Jeder hat doch die Chance verdient, sich rechtfertigen zu können. So auch Hussein.

Also mache ich es. Ich entblocke ihn über all. Seinen Kontakt, um mich anzurufen und mir SMS Nachrichten schreiben zu können. Auf WhatsApp und Instagram. Sogar auf Snapchat.

Nachdem ich dies getan habe, lege ich mein Handy zur Seite und schließe meine Augen.

Ein leichtes, befreiendes Gefühl durchflutet sich durch meinen Körper.

Dank des Gespräches mit Noah weiß ich, dass ich Samra definitiv verzeihen würde. Nur weiß ich nicht nicht, wann genau.

Er müsste mir Zeit lassen.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Where stories live. Discover now