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Nazar.

Die ersten Minuten unserer Fahrt verläuft schweigend. Doch ich weiß, dass es sowohl in Riza als auch in mir kocht. Und er ist der erste, der etwas sagt.

„Ich check es echt nicht", gibt er von sich und ich sehe im Augenwinkel, wie er mit dem Kopf schüttelt. „Ich verstehe nicht, wie du jemanden wie ihn ausgesucht hast, wenn du jeden haben könntest. Und dann sieht der Bastard mich noch, wie ich bei der Polizei hocke, wegen einer Kleinigkeit." Gegen Ende hin lacht er trocken auf. „Locker hat er schon schlimmere Dinge getan als ich."

„Riza, yeter. Halt die Fresse."

„Wieso? Stört dich das? Stört es dich, dass seine Vergangenheit dreckig ist? Ich meine, meine Vergangenheit stört dich ja auch, weshalb du mir leere Drohungen zuwirfst, die du eh nicht einhalten wirst", redet er weiter, was mich bald zum explodieren bringt.

„Meine Brüder und deine wissen von allem Bescheid. Ich würde es mir lieber zwei Mal überlegen, was du sagst. Denn du weißt, von wem sie es erfahren haben", kommentiere ich seine Worte und versuche ruhig zu bleiben. Doch das gelingt mir nicht so gut. „Du reißt deine Fresse so weit auf, dabei bin ich diejenige, die dich aus dem scheiß Revier geholt hat und bist nicht einmal dankbar dafür."

Ich mache eine kurze Pause und trommle dabei auf dem Lenktad herum. „Wahrscheinlich muss ich später noch für dich lügen, damit du kein Stress mit deinen Eltern hast, dabei hasse ich es, wenn ich Dayi anlügen muss und das weißt du."

Riza schweigt weiterhin und sagt nichts zu meinen Worten. Er ist einfach ruhig und lässt alles über sich ergehen. Sonst hat er doch auch immer etwas zu sagen.

„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich mittlerweile verachte? Ich will das nicht mal denken, aber du bringst mich dazu, dich zu hassen und mir zu denken, dass diese Person nicht mehr ein Teil meiner Familie ist. Weil er mich jedes Mal aufs Neue verletzt und es wahrscheinlich nicht mal bemerkt", rede ich weiter und sehe kurz zu ihm.

Riza sitzt dort wie ein Häufen Elend und hat seinen Kopf gesenkt. Er starrt auf seine Hände, welche er auf seine Beine gelegt hat und mit diesen spielt.

„Merkst du eigentlich überhaupt, dass du mich wie Stück Scheiße behandelt hast? Die ganzen letzten Jahre über?" zische ich laut und schüttle wie wild mit dem Kopf. „Weißt du eigentlich wie sehr es mich verletzt hat, als du mich eine Nutte genannt hast? Weißt du eigentlich was für extreme Schuldgefühle ich hatte, als ich dich dafür geohrfeigt habe? Obwohl ich dich nicht mehr leiden kann? Weißt du das eigentlich alles, huh?"

Noch immer antwortet er mir nicht und das macht mich verrückt. Er soll endlich etwas dazu sagen.

„Und dann nimmst du dir das Recht, mich wegen Samra auszufragen. Ihn schlecht zu machen, während er dabei steht. Denkst du eigentlich an deine Mitmenschen?", kopfschüttelnd schlage ich gegen das Lenkrad. „Amina koyim. Du hast auf alles kein Recht. Du hast kein Recht dich in mein Leben einzumischen, Riza."

Bei einer roten Ampel sehe ich zu ihm und mustere ihn. Er sagt nichts. Er macht nichts. Er hört wahrscheinlich nicht einmal zu. Aber was erwarte ich auch von ihm? Dass er sich dafür entschuldigt? Niemals würde er das tun. Ich will meine Hoffnung nicht zu hoch setzen, denn am Ende würde es mich nur enttäuschen.

„Sag was", bitte ich ihn, schon fast verzweifelt und mit einer berüchigen Stimme. Doch ich bekomme trotzdem keine Antwort von ihm.

Ja, ich sollte meine Erwartungen einfach nicht zu hoch setzen. Nicht wenn es um ihn geht.

„Alles klar", sage ich augenrollend und fahre weiter los.

Schweigend fahre ich den Weg zu ihm nach Hause. Gerade als wir fast bei ihm ankommen, halte ich erneut an einer roten Ampel und bekomme mit, wie mein Cousin sich abschnallt und aus dem Auto springt. Er knallt die Tür mit solch einer Kraft zu, dass ich Angst bekommen habe, dass sie kaputt geht.

Ich sehe noch, wie Riza sich seine Kapuze über seinen Kopf zieht und mit schnellen Schritten wegläuft.

Er läuft einfach weg.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin