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Nazar.

Der Abend mit den zwei Rappern und meiner Freundin verlief sehr gut. Im Nachhinein habe ich mich nach dem Gespräch sogar besser gefühlt, als Capi und ich anfingen uns ein wenig über Rüya lustig zu machen. Auch wenn es in diesem Moment wirklich komisch war, weiß ich, dass sie es nicht ernst nahm. Immerhin hat sie mit gelacht.

Nur Samra war etwas zurückhaltend. Ich weiß nicht, ob es seine Art ist oder weil sein Kollege einfach irgendwelche Frauen eingeladen hat. Aber er war komisch. Gut aussehend komisch.

Eine Woche später sitze ich noch bis kurz vor Feierabend an meinem Arbeitsplatz und tätige die letzten Aufgaben meiner Arbeit. Guiseppe neben mir führt gerade ein Telefonat und mein Onkel ist irgendwo im Nirgendwo. Aber hier im Gebäude. Und das obwohl er in einer halben Stunde den Mercedes zu Bushido bringen muss.

Dass mein Onkel sich nie an seine Zeiten hält, macht mich wütend und nervös zu gleich. Wütend, weil er einfach nach seinem Kopf geht und nervös, weil ich Angst vor einer Beschwerde habe.

„Wo ist dein Onkel?", fragt Guiseppe mich und steht auf, um sich nochmal einen Kaffee zu machen. Der junge Mann trinkt zu egal welcher Stunde Kaffee und ich frage mich bis heute, wie er am Abend dann einschlafen kann.

„Ich wünschte, ich könnte dir diese Frage beantworten", seufze ich und fahre mir frustriert durch die Haare. „Er muss in einer halben Stunde den Wagen ablassen und ist immer noch nicht da."

Und dann hat Guiseppe die Idee des Jahres und sieht mich grinsend an. „Bring du doch den Wagen."

Mein Kopf hebt sich in seine Richtung und perplex sehe ich meinen Kollegen an. „Bitte was?" Er hat wirklich zu viel Kaffee getrunken. Daran muss es eindeutig liegen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.

„Bring du doch den Wagen, Nazar. Er wird schon nichts dazu sagen und glaube, er schafft es sowieso nicht mehr", zuckt er mit den Schultern und nippt aus seinem schwarzen Kaffee. „Ich kann dich dann auch abholen, wenn du willst?"

Ich lasse mir diesen Plan durch den Kopf gehen und suche nach Ausweichmöglichkeiten. Aber es gibt keine. „Okay, ich mach dann Feierabend", beschließe ich letztendlich und fahre den Computer - nachdem ich alle Tabs geschlossen habe - runter. „Ich schick dir dann den Standort und du holst mich auch sicher ab?"

„Ja, Nazar", lacht Guiseppe und schüttelt den Kopf. „Wir kennen uns jetzt drei Jahre, du kannst dich auf mich verlassen."

„Also gut, bis später dann", erwidere ich sein Lachen und verschwinde aus dem Gebäude. Hinten auf dem Parkplatz steht schon der Mercedes aus der G-Klasse in schwarz bereit. Dieser Wagen ist so unglaublich sexy, dass ich es kaum noch bereue, ihn dorthin zu fahren.

Nachdem ich eingestiegen bin und meine Tasche auf den Rücksitz gelegt habe, starte ich den Motor und fahre schließlich los. Ich komme nach gut 20 Minuten am Set an und steige aus dem Wagen. Es sind viele Leute anwesend. Einer mit einer Kamera, welche um seinen ganzen Körper befestigt wurde. Ein weiterer, welcher nur eine Nikon Kamera in der Hand hält. Orkan Abi, Bushido, Capital und auch Samra sind präsent.

„Ah, Nazar", entdeckt Orkan Abi mich als erstes und kommt lächelnd auf mich zu. Als er nach mir ruft, drehen sich mindestens drei Köpfe nach mir um, und das sind nur die von den Berliner Rappern. „Endlich. Wir wollen in zehn Minuten anfangen und dachten, es kommt keiner mehr", lacht er mich an und legt mir einen Arm um meine Schulter.

Özür dilerim", lache ich unschuldig und entschuldige mich bei ihm. „Ihsan Dayi war nicht im Haus und deshalb musste ich kommen."

„Kein Thema mehr, du und das Auto seid ja da", meint er dann und sagt mir, ich solle ihm folgen. Das mache ich dann auch und stehe dann bei allen anderen im Kreis. Sie besprechen einige Dinge für das Musikvideo, was mich eigentlich nicht interessiert, weshalb ich mein Handy einfach heraushole und Guiseppe meinen Standort schicke.

„Was machst du da?", fährt mich jemand an, weshalb ich meinen Kopf hebe. Jeder im Kreis schaut zu mir.

„Was?", schaue ich zu Samra und blicke verwirrt zu ihm. Was will er jetzt von mir? Was ist sein scheiß Problem?

Er schnaubt wütend auf und greift nach meinem Handy. Einfach so und sieht auf mein Bildschirm. „Diggah, dein Ernst? Was schickst du jemanden einfach den Standort? Alter, keiner weiß von dieser Sache hier!"

Ich bin komplett verwirrt und ebenfalls wütend. Wer gibt ihm das Recht, einfach nach meinem Handy zu greifen und auf meine Chatverläufe zu gucken?

„Samra, chill mal", versucht Bushido ihn zu beruhigen und legt eine Hand an seine Schulter.

„Nein, man. Die Kleine soll mal nicht denken, dass-"

„Dass sie was?", unterbreche ich ihn ebenso wütend und hebe meine Stimme an. „Dass sie sich mit einem Rapper gut versteht und plötzlich ihre Freunde herbringt? Falsch gedacht!" Er kann vielleicht wütend sein, aber er soll nicht irgendwelche Vorwürfe gegenüber Menschen machen. „Ich hasse es mich zu rechtfertigen, aber es ist mein Arbeitskollege, welcher mich abholt, weil ich genau weiß, dass es mich hier langweilen wird." Er schaut mich überrascht an und hält noch immer mein Smartphone in der Hand, welches ich nun wieder an mich nehme. „Also wenn du so freundlich wärst, würde ich mich abholen lassen und von hier verschwinden."

Alle anderen um uns herum sind leise und schauen mich einfach nur an. Bis auf Vladi, welcher frech grinst.

„Scheisse, Nazar", lacht er nun aus dem Bauch raus und schüttelt mit dem Kopf. „Noch nie hab ich gesehen, wie eine Frau ihm die Stirn geboten hat. Respekt. Ich liebe dich dafür."

„Halt die Fresse, Capi", zischt Sanra und verschwindet dann. Ich blicke ihm hinter her und sehe nur noch, wie er mit dem Rücken zu uns steht und sich eine Zigarette anzündete. Wieso rauchen sie eigentlich alle? Ist das so ein klassisches Rapper Ding?

Ich atme tief ein und aus und entschuldige mich dann bei den anderen. Sie nehmen es mir nicht übel und sprechen dann schließlich weiter, während ich ebenfalls abseits gehe und Guiseppe's Antwort lese. Er sei wohl in einer halben Stunde da.

Ich schlag mir die Zeit tot, indem ich den Jungs eine Weile beim Dreh zusehe oder durch Instagram scrolle. Irgendwann komm dann auch Guiseppe an, doch er steigt nicht aus seinem Wagen.

Sofort verabschiede ich mich von den Jungs und jogge auf den Wagen zu, in welchem ich gleich einsteige und mich mein Arbeitskollege lächelnd ansieht. „Und wie war's?"

„Ich hatte kurz einen Konflikt mit einem von ihnen, aber seither ignoriert er mich oder schaut mich mit tötenden Blicken an", lache ich peinlich berührt auf und schnalle mich an.

Der blonde Mann neben mir fährt dann auch gleich los zurück zu unserer Arbeitsstelle, wo sich mein Auto befindet und verabschiedet sich dann von mir.

Gerade als ich nach meiner Tasche greifen will, fällt es mir wie von den Schuppen.

Ich habe sie vergessen.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Место, где живут истории. Откройте их для себя