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Nazar.

Nachdem Telefonat mit Vladislav, fühle ich mich etwas erleichterter. Er versprach mir, weder Samra davon zu erzählen, noch überhaupt jemanden anmerken zu lassen, dass er etwas weiß. Und das schätze ich ihm wirklich hoch an.

Später rief meine Mutter nach mir, damit ich ihr beim Tisch decken helfen soll. Was ich auch schließlich mache.

„Wann kommt Abi?" frage ich sie und nehme gerade das Besteck aus dem Regal. Mein Bruder arbeitet zwar in einer Werkstatt, aber nimmt sich Kunden privat an, um sich mehr dazu zu verdienen.

„Kommt gleich", antwortet sie mir knapp und kümmert sich währenddessen um das Essen, welches auf dem Herd steht. „Jetzt lenk dich nicht ab, Kızım. Und wir brauchen drei mehr, Dayın ve Yengen de geliyorlar."

Aber wieso dann drei mehr, wenn nur mein Onkel und seine Frau kommen?

Ich erwidere nichts darauf und mache, wie sie mir beholfen hat. Anschließend laufe ich im das Wohnzimmer, um dort den großen Esstisch zu decken. Mein Vater sitzt auf der schwarzen Couch und schaut sich mal wieder irgendeine türkische Mafiaserie an.

„Nazar, mach mal schneller. Du läufst die ganze Zeit vor dem Fernseher herum", brummt dieser genervt auf, was mich nur lachen lässt.

Tamam, Babo", grinse ich und laufe wieder zurück in die Küche.

Eine weitere halbe Stunde vergeht, in welcher ich den Tisch gedeckt habe, meiner Mutter in der Küche helfe und Levent Abi gekommen ist.

„Abi, kapı!", rufe ich ihm zu, als es geklingelt hat und nehme die zwei Teller, in welcher sich die Yogurt Suppe befindet. Himmlisch.

„Alo", höre ich meinen einzigen Onkel und lächle vor mich hin. Er ist einfach einer von diesen Menschen, welcher dich mit seiner Anwesenheit zum Lachen bringen kann. „Riza parkt gerade den Wagen, kannst also noch Türsteher spielen."

Das ist eine kleine Andeutung auf den Beruf, welchen mein Bruder als Hobby nachgeht. Manchmal rufen seine Kollegen ihn an, damit er für die krankgeschriebenen oder die im Urlaub gefahrenen Security Männern einspringen soll. Und er macht diesen Job echt gut.

Tabii", lacht mein Bruder, worauf es dann wieder klingelt.

Man kann mir schon deutlich ansehen, dass meine Laune nun den Tiefpunkt aller Tiefpunkte erreicht hat. Er ist noch nicht mal in der Wohnung angekommen und schon bin ich schlecht gelaunt.

„Riza, koçum benim ya", spricht mein Bruder lachend und begrüßt unseren jüngeren Cousin. Das war's.

„Ohhh, meine Lieblingsnichte", kommt mein Onkel herein und drückt mir einen Kuss auf meine Stirn. „Und was hast du für uns gekocht?"

Hiçbir şey", mischt sich meine Mutter lachend ein und gibt mir zwei weitere Teller in die Hand. „Deine Nichte macht dem Faultier Konkurrenz, wenn sie nicht arbeiten ist."

„Anne!", rufe ich lachend und schüttle mit dem Kopf, ehe ich noch immer lachend die Küche verlasse und die Teller in das Wohnzimmer bringe.

Dort sitzt schon meine Yenge mit meinem Vater, meinem Bruder und Cousin. Letztere sprechen über irgendein Thema, als der Blick von dem jüngsten Korkmaz auf mich fällt. Musternd sieht dieser mich an und als er meinen Blick auffängt, hebt er grinsend eine Augenbraue in die Höhe.

Hat ihm die Ohrfeige nicht gereicht? Wieso benimmt er sich wie das größte Arschloch? Das ist nicht mein Cousin, den ich kannte.

Yemek hazir", ruft meine Mutter alle zusammen, als nun alles fertig gedeckt wurde und stellt sich an den Tisch.

An den beiden Enden des Tisches, setzen sich die älteren zwei Männer hin, so war und ist das schon immer gewesen. Ich setzte mich auf die rechte Seite meines Vaters hin und meine Mutter sich gegenüber von mir. Neben ihr sitzt mein Bruder und vor ihm unser Cousin. Zwischen meinem Cousin und mir hat sich die Frau meines Onkels gesetzt.

Alle zusammen fangen wir mit dem Essen an. Erst nachdem wir die ersten Löffel der Suppe genommen haben, beginnen die Männer untereinander zu sprechen. Auch die jungen Männer beteiligten sich an dem Gespräch, welches über Fußball, Arbeit oder Serien handelt.

Bis mein Onkel etwas in die Runde wirft.

„Nazar, hat sich Orkan schon bei dir gemeldet gehabt?", fragt Ihsan Dayi mich und schaut zu mir rüber.

„Ja schon lange", lächle ich ihn an und stehe mit meinem nun leeren Teller auf. Dabei greife ich auch die Teller von den anderen am Tisch und bringe diese in die Küche, in welcher schon meine Mutter steht und den zweiten Gang für jeden auf den flachen Teller herrichtet.

„Wer ist Orkan?" höre ich meinen Bruder neugierig fragen und muss schmunzeln. Er ist zwar zwei Jahre älter und weiß, dass ich bis jetzt noch nie einen Freund hatte, aber trotzdem macht er sich immer Gedanken um mich. „Ein Zukünftiger, den du ihr ausgesucht hast, oder wie?"

„Natürlich nicht, Levent!", ruft mein Obkel laut auf und lacht kurz. „Orkan ist jemand, mit dem ich früher zur Schule ging und heute Geschäfte mit ihm mache. Er wollte sich bei Nazar wegen etwas melden. Aber das ist schon länger her gewesen."

Ich nehme die Teller und bringe diese jeden an den Tisch, bis nur noch der Teller meiner Mutter übrig bleibt und sie diesen selbst nimmt. „Er hat mir auch die Nummern von den beiden Rappern geschickt, was sich beim ersten Verleih als nützlich erwiesen hat", gebe ich zu und beginne mit dem Essen.

Niye?", fragt mein Cousin aus dem Nichts und mein Bruder schaut mich ebenfalls fragend an.

Ich antworte als erstes nicht und esse genüsslich mein Reis und das Fleisch, während die Blicke der beiden Jungs sowie meines Onkels noch immer auf mir liegen.

„Nazar", höre ich dann auch die tiefe Stimme meines Vaters und blicke zu ihm auf. „Niye?"

„Ich hatte meine Tasche auf dem Rücksitz vergessen und da waren meine Schlüssel für das Auto und Zuhause", erwidere ich meinem Vater und nehme mir einen Löffel Reis in den Mund. „Hab alle drei angeschrieben und angerufen und nur einer hatte sich dann gemeldet und mir meine Tasche vorbei gebracht."

„Welcher?", fragt mein Onkel mich, doch bei ihm weiß ich, dass er nur nachfragte, weil er die Rapper wahrscheinlich kennt.

„Samra", gebe ich ehrlich zurück, obwohl ich schon kurz davor war, Capi zu sagen.

„Ach der Libanese", nickt er wissend und widmet sich dann schließlich wieder dem Essen.

Genau, der Libanese.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt