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Nazar.

Noch immer sehe ich ihn wie erstarrt an und kann es nicht fassen. Ich glaube nicht an Zufälle, aber das hier ist definitiv einer. Dass er genau in diese Fast Food Kette kommt, genau hier in Lichterfelde, ist einfach undenklich. Aber was erwarte ich auch? Er wohnt doch hier.

„Husse-"

„Samra", zischt er mich an und blickt kurz zu Ilyas, welcher das Szenario vor sich mit zusammen gezogenen Augenbrauen beobachtet. „Hast du eine Erklärung parat? Hast du ja sonst auch immer."

Entschuldigend sehe ich zu Ilyas, welcher stumm nickt und sich zurück lehnt. „Git."

Sofort erhebe ich mich von meinem Platz und laufe an Hussein vorbei. Dieser schnaubt wütend auf und folgt mir anscheinend, da ich schwere Schritte hinter mir vernehme.

Ich öffne die Tür zur Terrasse mühsam auf und spüre gleich die frische Luft auf meinem Gesicht. Doch dieser Moment wird mir sofort genommen, als sich eine Hand an meinen Rücken legt und mich weiter hinaus drückt.

„Erklärs mir", brummt er schon wieder wütend auf und verschränkt seine Arme vor seinem Oberkörper. „Ich glaube es nicht, dass ich für ein Mädchen so lange gewartet habe, sie mir nicht mal antworten konnte und sehe sie dann mit einem anderen hier? Bei McDonald's?"

Was ist bitte so falsch an McDonald's? McDonald's mag doch jeder?

„Wieso, Nazar, huh? Wieso kannst du mir nicht einmal antworten oder mir einfach mal die Wahrheit sagen, was in deinem kranken Kopf so abgeht", spricht er weiter, als ich ihm nicht antworte. „Ist dir überhaupt bewusst, dass ich mich heute bei dir entschuldigen wollte, für meine Art? Wegen dem was letztes Mal am Wannsee passiert ist?"

Verdammt man. Wieso macht er es mir so schwer? Ich wollte mich heute genau aus dem Grund nicht mit ihm treffen. Weil ich immer noch gekränkt bin. Aber auch, weil er mich beim Essen mit Capi dumm angemacht hat. So wie jetzt. Weil er nicht mal bemerkt hat, dass es mir nicht gut geht.

„Und jetzt sagst du schon wieder nichts", zischt er laut und schüttelt mit dem Kopf. „Ich pack das nicht, Nazar. Ich meine das komplett-"

„Komplett ernst?", schneide ich ihm das Wort zischend ab und rede zum ersten Mal seit dieser Unterhaltung. Ich richte meine Augen auf ihn und funkle ihn böse an. „Was meinst du ernst, hm? Das du wütend auf mich bist? Die Entschuldigungen, die du mir machst, oder das mit uns?" Perplex sieht er mich an und öffnet leicht seinen Mund. Doch ich lasse ihn erst gar nicht dazu kommen, zu sprechen. „Ich kann mir ziemlich sicher sein, dass du nichts davon ernst meinst. Denkst du, ich lebe hinter dem Mond? Denkst du das wirklich? Denkst du, kein Fan checkt eure Art? Das ihr euch jedes Wochenende, nach jedem Konzert, welches ihr gebt, nicht irgendein Weib heraus sucht und diese dann vögelt?"

„Nazar", sagt er dann mit fester Stimme und kommt auf mich zu, doch ich gehe einen Schritt von ihm weg. Dabei schüttle ich mit dem Kopf.

„Nein, nichts Nazar", erwidere ich. „Lass es einfach. Schieb dir einfach keine Filme, wenn du selbst einen immer wieder am Wochenende am laufen hast. Ich möchte kein Lückenfüller sein, der deine Groupies ersetzt."

Hussein grinst kurz auf doch schüttelt dann mit dem Kopf. „So ist vielleicht jeder andere Rapper, aber nicht ich, Nazar. Nicht seitdem-"

„Ich meine es ernst, lass es einfach", unterbreche ich ihn zischend und kneife mir meine Augen zusammen. „Lass es einfach. Lass mich einfach in Ruhe. Ich hatte einen Grund dafür, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe, okay? Ich wollte mich nicht mit dir treffen, ich wollte nicht mit dir schreiben, noch will ich irgendetwas von dir hören, Hussein!"

„Was? Wieso?", will er wissen und sieht mich verwirrt an. Ja, das wäre ich auch. Und diese Worte, die ich an seinen Kopf werfe, sind all die Gefühle, die seit Montag durch meinen Kopf kreisen.

Nur ist das Thema Hussein komplizierter. Denn seit fast einem Monat ist das so. Seit fast einem Monat versuche ich ihn zu vergessen, seinen Namen zu verdrängen, aber das klappt nicht, wenn er jedes Mal irgendwie wieder auftaucht. Mir schreibt.

„Ist es wegen dem Typen da drin? Ist er dein Neuer?", fragt er mich dann, in einem bissigen Ton und sieht mich wütend an. Nein, er soll mich nicht so angucken. „Sag es. Ist er dein Neuer, huh?"

„Husse-"

„Ist er es, oder nicht?", brüllt er nun schon viel zu laut. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich einige der Gäste im Inneren zu uns drehen und uns verwirrt und neugierig ansehen. „Sag mir, küsst er dich besser als ich? Berührt er dich so wie ich es tue?" Er nähert sich mir wieder, während ich wie erstarrt vor ihm stehe. Seine Worte, die fast brüchig aus seinem Mund kommen, geben mir den Rest. „Sag mir, ob er dich schon gefi-"

Ich hebe meine flache Hand an, um ihn eine zu klatschen. Er kann gerne so mit seinen Freunden sprechen, aber nicht mit mir. Mit keiner Frau der Welt. Denn ein Bisschen Anstand sollte man trotzdem haben. Egal wie wütend man ist.

Doch bevor meine Hand seine Wange berühren konnte, hält er mein Handgelenk fest und sieht auf mich runter.

„Nazar", höre ich die Stimme meines besten Freundes, doch nehme ihn einfach nicht wahr. Hussein ist der einzige gerade, dem ich meine Beachtung schenke. Vor allem, weil er mir weh tut, indem er mein Handgelenk fast zerdrückt. „Alles okay?"

Er beugt sich weiter zu mir nach unten und sieht mich funkelnd an. „Wag es dich mich zu schlagen, und du wirst es bitter bereuen", zischt er leise und lässt mich seinen warmen Atem auf meinem Gesicht spüren.

Einige Sekunden lang sage ich nichts, bis Ilyas wieder nach mir ruft, sodass ich wieder bei Sinnen bin und mich aus dem Griff von Hussein entreiße und auf Ilyas zu laufe.

Ich reibe mir mein Handgelenk und sehe über meine Schulter, bevor ich rein gehe.

Hussein hat sich ebenfalls zu mir gedreht und sieht mich mit einem undefinierbaren Blick an.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt