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Nazar.

Schon für den Donnerstag haben Ilyas und ich uns im Café in Lichterfelde verabredet. Ich betrete gerade das Café und sehe mich nach dem Türken um, welcher in einer Ecke sitzt und mit eine der Kellnerinnen spricht, bis sein Blick auf mich fällt und mich anlächelt.

Schleppend mache ich mich auf den Weg zum Tisch und setze mich vor ihm hin. Die Kellnerin sieht mich lächelnd an und fragt mich gleich, was ich trinken möchte. Ich antworte ihr nur mit einem Kaffee und sie schreibt es sich auf, ehe sie dann auch verschwindet.

„Danke, dass du gekommen bist, Nazar", beginnt er das Gespräch und lehnt sich mit seinen Armen am hellbraunen Tisch ab. „Ich hab dich wirklich vermisst."

Ich weiß, tief im Inneren habe ich meinen besten Freund ebenfalls vermisst. Dennoch ist diese Situation ziemlich bizarr. Meint er das, weil er mich wirklich vermisst hat, oder weil er Gefühle für mich hat?

Doch bevor ich antworten kann, höre ich wie etwas in meiner Tasche vibriert. Ja, eine Ablenkung davon wäre jetzt nicht schlecht. Als ich dann mein Handy in der Hand halte, sehe ich schon gleich drei neue Mitteilungen auf meinem Display. Von Samra alias Hussein.

hey.

wie geht's?

was machst du?

Augenrollend schließe ich mein Handy wieder und lege es zurück in meine Tasche. Ich kann ihm noch später antworten. Immerhin hat er mich fast eine ganze Woche warten lassen.

„Wer war das?", höre ich meinen besten Freund und sehe zu ihm auf. Sein Blick liegt schon auf mir und sieht mich fragend an.

Ich kann ihm jetzt nicht sagen, dass es Samra ist. Er denkt wahrscheinlich immer noch, dass er und ich uns immer noch streiten. Außer Rüya hat ihm etwas erzählt, was ich mir einfach nicht vorstellen kann.

„Çağdaş Abi", antworte ich ihm und blicke mich im Café kurz um. Es ist fast rappel voll, dafür das es gerade mal Donnerstag ist. „Er fragt, wann ich ihn mal besuchen komme."

Ilyas nickt nur und sieht dann nach links, als die Kellnerin mit einem Tablett an unser Tisch gelangt und unsere Getränke bringt. „Danke schön."

Gedankenverloren rühre ich in meinem Kaffee herum, nachdem ich in diesem ziemlich viel Milch und Zucker geschüttet habe. Auch Ilyas bemerkt die Anspannung zwischen uns.

„Okay", fängt er wieder an und schüttelt mit dem Kopf. „Nazar, so geht das nicht. Ich wollte und will immer noch nicht, dass unsere Freundschaft darunter leidet." Ich schnaube genervt auf und nehme mir einen Schluck aus meinem Glas, bevor ich es ihm an den Kopf werfen kann. „Sag was."

Ich brauche ein paar Sekunden und lege das Glas wieder auf dem Tisch ab. „Was soll ich dazu noch sagen, Ilyas? Du hast mir etwas wichtiges verschwiegen, was auch mich betrifft und denkst, ich bin nicht enttäuscht darüber?"

Er will gerade ansetzen, etwas zu antworten, als mein Handy erneut vibriert. Nur werde ich dieses Mal angerufen. Gereizt greife ich danach und drücke den Anruf einfach weg, ohne nachzusehen wer es überhaupt ist. „Sicher, dass es Cağdaş Abi ist?"

„Nein, es ist jemand anderes, ist auch egal", fahre ich ihn an und streiche mir meine Haare aus dem Gesicht. „Weißt du, ich hab dich vermisst. Aber dann kam mir immer der Gedanke in den Kopf, dass du Gefühle für mich hast. Vor allem als ich immer wieder jemanden zum Reden gebraucht habe."

„Du hättest mich trotzdem-"

Ich schüttle mit dem Kopf und unterbreche ihn. „Nein, hätte ich nicht, Ilyas. Glaube es mir. Dieses Thema, diese Sache habe ich sogar vor Rüya verschwiegen. Ich konnte mit keinem sprechen."

Mein bester Freund seufzt auf und umschließt mit seinen Händen das Glas, in welchem sich ebenfalls ein Kaffee - jedoch schwarz - befindet. „Ich kann trotzdem nichts daran ändern, Nazar", er hebt kurz seinen Kopf an und sieht zu mir. „Ich hab versucht mich abzulenken, mit anderen Frauen, aber es hat trotzdem nicht geklappt. Ich konnte dich einfach nicht vergessen. Egal ob es wegen den Gefühlen ist oder weil du meine beste Freundin bist. Ich konnte es nicht."

Ja, dieser junge Mann vor mir, tut mir gerade ziemlich Leid. Wir haben uns zwei Monate lang einfach nur ignoriert und kamen erst am Sonntag ins Gespräch. Es war das erste Mal, dass wir beide wahrscheinlich von einander hören und nun zusammen sitzen.

Ich seufze laut auf und nicke. „Ich hab mit Rüya gesprochen, darüber", beginne ich dann zu sprechen und nippe an meinem Glas. „Und danach hab ich nachgedacht. Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn ich es von Anfang an klarstelle, denn vielleicht schaffst du es so, von mir irgendwie loszukommen." Stumm blicke ich dann zu ihm und hebe meine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln an. „Ich bin dir ehrlich und das wird auch immer so sein, aber ich sehe in dir nichts als einen besten Freund. Einen Bruder, den ich schon jahrelang kenne."

Leicht lächelnd nickt er und atmet erleichtert aus. „Vielleicht ist es wirklich besser so."

„Rich-", wieder werde ich durch ein Vibrieren unterbrochen und stöhnte frustriert auf. Wer nervt mich denn bitte die ganze Zeit über? Wütend wühle ich in meiner Tasche herum, nehme mein Handy heraus und hebe den Aneuf ab. „Was ist?"

„Hey bebi", lacht Rüya mir entgegen. „Was geht?"

Etwas überrascht schaue ich zu Ilyas, welcher ebenso guckt. Rüya ruft halt echt selten an. „Äh, hi?", gebe ich lachend zurück und stütze mich ab. „Ich chill mit Ilyas im Café. Was ist los?"

„Ach nichts", lacht sie leise auf. „Capi hat mir nur geschrieben und mich gefragt wo du bist und was du machst, weil du nicht seinen Anruf entgegengenommen hast." Warum will Capi das bitte wissen? „Aber bence, nicht Capi will das wissen, sondern jemand anderes."

Samra. Sie meint eindeutig Samra. „Sag nichts, okay? Ich kläre das schon", bitte ich sie, was sie mir verspricht und anschließend legen wir gemeinsam auf.

„Rüya?", fragt Ilyas mich sofort, worauf ich nicke. „Gut, du wolltest etwas sagen."

„Wie wärs, wenn wir unsere Freundschaft langsam wieder aufbauen? Es langsam angehen lassen, damit sie so wird, wie davor?", schlage ich ihn vor und warte auf eine Antwort von ihm ab.

Lächelnd nickt er mir zu und bejaht meinen Vorschlag.

Ich habe meinen besten Freund fast wieder zurück. Und nichts kann mich gerade glücklicher machen.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum