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Nazar.

wannsee, nach feierabend. ich warte auf dich

Zwei Tage vergingen nachdem ich beim Arzt war und meinen Nervenzusammenbruch erlitten habe. Ich musste meinen Eltern davon Bescheid geben. Sie haben es verdient. Genau so wie der Rest meiner Familie. Und nun sind sie der Meinung, dass wir mehr Familientage machen sollen.

Seufzend lege ich mein Handy beiseite, nachdem ich Hussein's Nachricht gelesen habe und entscheide mich dazu, nicht dahin zu gehen. Schließlich kann er nicht über mich bestimmen und ich habe eigentlich vorgehabt, mich mit meinem besten Freund zu treffen. Mit Ilyas.

Die Stunden vergehen und nach Feierabend mache ich mich nicht auf den Weg zum Wannsee, sondern zu Ilyas. Ich hole ihn dort ab und gemeinsam beschließen wir, zu McDonalds zu fahren und dort etwas zu essen. Eigentlich würden wir das nicht machen, aber heute ist es eine Ausnahme.

Nachdem wir unsere Menüs bestellt und bekommen haben, suchen wir uns einen Platz und setzen uns dorthin.

„Wie war dein Arzttermin?", fragt der südländische junge Mann mich und sieht mich fragend an.

Ich habe ihm davon erzählt, dass ich am vergangenen Montag einen Termin hatte. Doch gerne darüber sprechen, tue ich nicht. Trotzdem sollte er es wissen.

Schulterzuckend beiße in meinen Fish-o-Filet und sehe ihn an. Ich schlucke runter, bevor ich anfange zu sprechen. „Nicht gut. Ich hab wie immer neue Tabletten bekommen und auch eine Überweisung zur Klinik. Ich muss..", ich stoppe mich selbst und beiße erneut in den Burger. Das würde wenigstens als Ablenkung dienen. „Ich muss erneut operiert werden."

Ilyas will mir gerade antworten, als mein Handy vibriert. Nicht schon wieder. Jedes Mal, wenn ich mit Ilyas irgendwo sitze, funkt mein Handy dazwischen. Und ich weiß heute ganz genau, wer es ist.

Genervt sehe ich auf mein Display und sehe wie es sich überspielt. Vor lauter Nachrichten sehe ich nicht mal, wer mir geschrieben hat. Also schalte ich es auf Nachtmodus und sehe wieder zu Ilyas, der ebenfalls genervt wirkt.

„Ist es schon wieder gerissen?", will er wissen und stopft sich eine Pommes in den Mund. Ich nicke nur auf seine Frage und nehme dann einen Schluck aus meiner Fanta. „Was auch immer passieren wird, Nazar. Du wirst das schaffen. Deine Familie, meine und die von Rüya stehen hinter dir."

Ich liebe es, wie meine Familie zu mir ist. Immer versuchen sie mich zu ermutigen, doch ich weiß tief im Inneren, dass es nicht wirklich ankommt. Es sind leere Worte. Keiner weiß je, ob ich es schaffen werde oder nicht.

Yine de", beginnt er und hebt seine Mundwinkel zu einem Lächeln an. „Wenn du daran glaubst, dann schaffst du das auch. Außerdem du bist eine Kämpferin, warum solltest du nicht?"

Stumm nicke ich und widme mich wieder meinem Essen. Vor mir liegen noch zwei Chickenburger, eine große Pommes und 6er Nuggets, die nur darauf warten, von mir verspeist zu werden.

Ilyas und ich essen schweigend unser Essen und reden ab und an über sinnloses Zeug. Irgendwann wirft er mich mit Pommes ab und erntet von mir einen tödlichen Blick, bis wir gemeinsam in lautes, schallendes Gelächter fallen und die Blicke der anderen auf uns ziehen.

Nichts tut mehr gut, als die Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen und den Alltag hinter sich zu lassen.

„Mh, hast du noch Bock auf was süßes?", fragt Ilyas mich und packt den ganzen Müll auf die zwei Tablette.

„Ne, danke. Ich bin schon süß genug", grinse ich ihn an und greife nach meinem Handy. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ich einen Blick darauf werfen möchte.

„Der war mies traurig und unlustig, Nazar", lacht Ilyas. „Ein McFlurry mit Smarties und Kitkat und eine Apfeltasche, nehme ich an?"

„Ja bitte." Er nickt und steht dann mit den Tabletts auf und verschwindet dann. Währenddessen drücke ich auf den seitlichen Knopf um meine Mitteilungszentrale anzusehen.

Und was ich dort sehe, ist erschreckend. Ich habe gefühlt über hundert Nachrichten und 30 Anrufe von Hussein. In seiner letzten Nachricht steht, dass ich ihm erstmal nicht unter die Augen treten soll.

Will er mir jetzt auch noch drohen? Was soll die Scheiße? Kann er sich nicht mal reif und wie ein Mensch benehmen?

Ich antworte ihm immer noch nicht und lege mein Handy wieder zurück in meine Tasche. Hussein soll mir meinen Abend nicht mit Ilyas zerstören, denn es läuft gut. Zu gut um ehrlich zu sein.

Pfeifend warte ich darauf, dass Ilyas zurück kommt, welcher dann auch nach zehn Minuten, mit einem neuen roten Tablett bei mir ankommt und sich auf die Bank fallen lässt. „Hier", sagt er mir und reicht mir mein Eis und meine Apfeltasche hin.

Zuerst mein Eis und danach die Apfeltasche.

Genüsslich esse ich mein Eis und rede mit Ilyas über Rüya und Vladislav. Keine Ahnung, wie wir auf das Thema gekommen sind, aber es ist anscheinend spannend genug, um darüber zu sprechen. Vor allem, weil Ilyas ein ziemlicher Fan von ihm ist.

„Stell dir mal vor, die beiden kommen zusammen", lacht Ilyas und schüttelt mit dem Kopf. „Wäre ich du, würde ich durchdrehen."

„Wieso", sehe ich ihn grinsend an und nehme den letzten Löffel aus meinem Eis, ehe ich mich an meine Apfeltasche widme.

„Rüya, von natur aus behindert und verrückt im Kopf", sagt er grinsend und zeigt mit dem weißen Löffel auf mich. „Capital, easy schizophren, behindert und verrückt im Kopf. Wie hältst du das mit den beiden aus, wenn ihr euch trefft?"

Ich zucke mit den Schultern und sehe ihn lächelnd an. So schlimm sind die beiden gar nicht, wenn sie zusammen sind. Und wenn sie in einer Beziehung sind, dann ist es deren Problem, wie es hinaus laufen wird, nicht meins.

Obwohl ich immer wieder mit in ihre Beziehungen gezogen werde und es dann zu einer Art dreier Beziehung ist. Nicht diese Art von Beziehung wo man das fünfte Rad am Wagen ist. Wirklich eine dreier Beziehung.

„Ich glaube nicht, dass die beiden zusammen kommen", gebe ich von mir und beiße in das heiße Stück rein. „Weder Capi noch Rüya sind wahrscheinlich bereit für eine Beziehung. Vor allem er mit seiner Musik jetzt. Er hat es uns schon von Anfang an klar gestellt."

„Ja, aber Zeiten ändern sich", argumentiert er und legt den leeren Becher nun auf dem Tisch ab. „Es sind doch Wochen nach eurem ersten Treffen vergangen bis hin zur Party, wo die beiden miteinander geschlafen haben."

Und mich mit Samra und meiner Panik alleine gelassen haben, ergänze ich in meinem Kopf und esse schweigend weiter.

„Wollen wir glei-"

„Nazar?", vernehme ich eine Stimme und erstarre, als ich gerade den nächsten Bissen nehmen will. Das kann nicht sein.

Ich drehe langsam meinen Kopf in die Richtung, woher die Stimme kam und blicke geradewegs in die dunklen Augen von Hussein.

„Alles klar", lacht er trocken auf und lässt seinen Kopf für einen Moment in den Nacken fallen. „Krass, du kannst dich mit diesem Lauch treffen, aber mir nicht mal absagen und ich dort anderthalb Stunden auf dich gewartet habe?"

Scheiße.

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Where stories live. Discover now