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Nazar.

Eine Woche später kehre ich zurück in meinen Alltag. Ich habe versucht mich von Hussein abzuwenden, nicht mehr an ihn zu denken. Doch jedes Mal, wenn ich zuhause ankomme und in meinem Bett liege, denke ich zurück an den Abend. An den Abend, als alles kaputt ging. An die Momente, die ich mit Hussein erlebt habe.

Heute ist Donnerstag und ich bin wieder am Arbeiten. Die Arbeit lenkt mich ein wenig ab, bringt mich auf andere Gedanken. Gedanken, die nichts mit einem Libanesen zu tun haben.

„Was geht, Naznaz", trällert Guiseppe, nachdem er sein Kundengespräch beendet hat und setzt sich auf den Stuhl, welcher an meinem Tisch steht. „Du solltest langsam mal Gas geben. Ich überhole dich mit den Verkauf an Autos."

„Du kannst die Provision gerne haben", sage ich lächelnd und sehe mir die Papiere an. „Geld ist für mich nicht alles, Pepe."

„Na, wenn das so ist, mache ich dann mal weiter", sagt er grinsend und steht dann wider auf. Ich sehe dem Italiener hinter her und seufze leise auf. 

Er hat irgendwie recht. Seit ein paar Wochen schaffe ich es nicht mehr, Autos zu verkaufen, was aber auch daran liegt, dass ich momentan mit der Buchhaltung beschäftigt bin. Eigentlich würden das Maria und Zeki machen, aber Maria ist krank und Zeki wollte, dass ich mal drüber schaue.

Es vergehen einige Stunden, in welcher ich meiner Tätigkeit nachgehe und versuche alles zu erledigen. Als wir gerade in unsere Mittagspause gehen, kommt mein Onkel bestens gelaunt in das Autohaus rein und läuft auf uns zu.

„Hallo, meine Lieblingsmitarbeiter", begrüßt er uns und bringt uns alle zu lachen.

„Wenn wir doch deine Lieblingsmitarbeiter sind, verlange ich endlich nach einer Gehaltserhöhung", kommentiert Zeki seine Worte grinsend und schüttelt mit dem Kopf.

„Bekommst du, Zeki", lächelt mein Onkel ihn an. Zeki öffnet seinen Mund um etwas zu sagen, doch unser Chef unterbricht ihn. „Kein Scherz, bekommst du echt. Wir reden noch darüber. Komm gleich zu mir ins Büro."

Guiseppe meldet sich. „Chef, können wir über meine Gehaltserhöhung auch sprechen?"

Ihsan Dayi schaut Pepe lange an und schüttelt mit dem Kopf. „Nächstes Jahr, Guiseppe." Dann blickt er zu mir und nickt kurz zur Seite. „Können wir kurz sprechen?", fragt er mich dann und läuft ein paar Schritte vor.

„Ehm okay", sage ich verwirrt und folge ihm die wenigen Schritte. „Noldu?"

„Habe mit deiner Yenge gesprochen. Wir erwarten euch - also dich und Samra - am Sonntag zum Frühstück, um 11. Sagst du ihm Bescheid?", teilt er mir mit und lässt mich direkt wieder an den Moment aus der Shishabar denken.

„Dayi", beginne ich und überlege, wie ich es ihm sagen soll. Denn wahrscheinlich macht sich Fatma Yenge schon zu viele Gedanken, was sie alles am Frühstückstisch decken soll. „Samra und ich haben uns getrennt. Ich will auch nichts mehr über ihn hören, noch mit ihm zu tun haben."

„Bekle", gibt er verwirrt von sich. „Letztens warst du noch so verliebt in ihn und jetzt habt ihr euch getrennt?"

Ich nehme einen tiefen Atemzug und nicke einfach. „Ja, ist auch egal. Es ist beendet. Und wenn er oder jemand anderes hier wieder was haben will, gib es dann bitte an Guiseppe oder Zeki weiter. Ich möchte damit wirklich nichts mehr zu tun haben. Tu mir den Gefallen, okay?"

„Okay, gülüm."

Gemeinsam laufen wir zurück zu den anderen und nehmen sofort an dem Gespräch teil, welches sie gerade führen.

Ich liebe meine Arbeitsstelle. Viele sagen mir, dass es nicht gut ist, dass ich bei meinem Onkel arbeite, aber er behandelt mich wie jeden anderen Mitarbeiter hier. Wir verstehen uns alle so gut und sind wie eine kleine Familie. Guiseppe könnte mein verlorener Cousin sein, Zeki mein anderer Onkel und Ihsan Dayi ist es sowieso schon. Maria ist die Cousine, die ich nicht leiden kann, aber trotzdem leistet sie ihr gute Arbeit.

Lächelnd beobachte ich alles und kann mich wirklich glücklich schätzen, dass ich einen Job habe, der mich nicht herunterzieht, sondern auch mal entspannt.

„Okay, Zeki. Lass uns kurz im Büro sprechen", sagt mein Onkel nach zehn Minuten und läuft schon mal vor, während Zeki uns verblüfft anschaut.

„Dein Onkel meint das wohl tot ernst", kommt es von ihm, doch er geht dann mit schnellen Schritten zum Büro meines Onkels.

Nun stehen nur noch Guiseppe und ich hier und essen unser Mittagessen.

„Was wollte dein Onkel von dir?", fragt er mich.

Ich überlege, ob ich es ihm sagen soll und entscheide mich dafür. „Samra und ich sollten Sonntag zu Frühstück kommen, aber wir gehen getrennte Wege."

Guiseppe verschluckt sich und sieht mich mit großen Augen an. „Was sagst du da? Wieso habt ihr euch getrennt?"

„Lange Geschichte", wimmle ich ab und esse weiter meinen Jogurt. „Naja, falls irgendwann mal wieder ein Auftrag von ihm oder einen seiner Jungs kommt, müssen du oder Zeki einspringen. Habe das schon mit meinem Onkel geklärt."

„Bist du dir denn sicher, dass es wirklich aus ist?", fragt er mich und lässt mich stutzen.

Ist es wirklich schon aus?

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz