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Nazar.

Am Morgen wache ich nach drei Stunden auf. Ich habe nicht durch geschlafen, denn jede halbe Stunde bin ich aufgewacht und habe auf mein Handy gesehen, um mich zu vergewissern, ob er sich vielleicht gemeldet hat. Doch so war es nicht.

Manchmal, bevor ich aufgewacht bin, habe ich geträumt, dass er mir geschrieben hat. Das er mir etwas sagen will oder ich ihn anrufen soll. Aber jedes Mal nachdem ich wach wurde, hatte ich keine Mitteilungen. Keine von ihm.

Nun liege ich hier seit einer Stunde und überlege, was ich nun machen soll. Anrufen? Schreiben? Zu ihm fahren? Vladislav erstmal fragen, wo er überhaupt ist? Ist er überhaupt wach? Was will er mir beichten?

Fragen über Fragen. Und die einzige Antwort ist, ihn zu wecken. Egal, ob er nun schläft oder nicht.

Also greife ich nach meinem Handy, entsperre es und suche nach seinem Kontakt, welcher ganz einfach als Hussein eingespeichert ist.

Ich rufe ihn an und warte darauf, dass er abhebt. Gerade als ich das Gefühl habe, er geht nicht dran, höre ich auch schon seine Stimme.

„Ja, was is?", brummt er genervt und atmet tief ein und aus. Dabei klingt er so müde und seine Stimme hört sich kratzig an. So rau. Noch rauer als in seinen Songs.

„Hussein, ich-", nuschle ich und weiß nicht, wie ich beginnen soll. Was soll ich denn jetzt sagen? Ich habe das alles nicht durchdacht. „Ich wollte.."

„Nazar?", unterbricht er mich einfach, wobei seine Stimme nun klarer klingt. Wacher als vor wenigen Sekunden. Mir kommt es so vor, als würde er jedes Mal, wenn er meine Stimme auch nur hört, wach werden.

„Hussein", wiederhole ich seinen Namen wieder und setze mich leicht auf. Ich muss ihn einfach sehen und diesen Krieg zwischen uns beenden. Ich möchte nicht, dass es zwischen uns steht. Mir ist es egal, ob wir danach keinen Kontakt mehr haben, aber ich brauche ein reines Gewissen, wenn er nicht mehr möchte. Wenn er mich nicht mehr möchte. „Wir müssen uns treffen. Und über die letzte Nacht reden."

Er antwortet mir zuerst nicht. Ich höre nur seinen lauten Atem und warte. Ich warte darauf, dass er mir antwortet. „Warum? Was ist passiert?", will er wissen und klingt verwirrt. „Haben wir uns gesehen? Hab ich was gemacht?"

„Erinnerst du dich nicht an den Anruf letzte Nacht? Bevor Capi dich abgeholt hat?", frage ich ihn konfus, doch erhalte auch in den nächsten Sekunden keine Antwort von ihm. Er weiß es wirklich nicht mehr. Ich seufze auf und streiche mir frustriert durch die Haare. „Okay, kannst du um 14 Uhr?"

„Ja", antwortet er mir dann kurzgebunden. „Wo?"

Ich überlege. Zum See will ich nicht, denn es ist der Ort, wo wir nur hinfahren, wenn es gut um uns steht. Und momentan ist es nicht so. Vor allem hat es dort angefangen. Aber wohin sonst?

„Kennst du den Spielplatz in Lichterfelde, er nennt sich Kletterspinne", schlage ich vor. Dieser Spielplatz ist damals schon in Vergessenheit geraten, jedoch finde ich ihn irgendwie schön. Er wirkt verlassen, dennoch ist es ein Ort, wo sich manchmal Jugendliche aufhalten.

„Ja, ich glaube schon", erwidert er und gähnt laut auf. „Nazar, ich lege auf. Ich hab nur vier Stunden Schlaf gehabt und würde gerne noch weiter schlafen."

„Mach das", nuschle ich in den Hörer und lege dann schließlich auf, ohne mich zu verabschieden. Klingt harsch, aber ich bin zu nervös gerade.

Was wird gleich passieren, wenn wir uns sehen? Worüber genau werden wir reden? Soll ich ihm von Ilyas und seinen Gefühlen zu mir erzählen? Soll ich ihm von meinen Gefühlen erzählen? Aber was ist, wenn er diese nicht erwidert und ich mich dadurch einfach blamiere? Wird er mich dann zurückweisen? Oder es ausnutzen?

𝖥𝖫𝖮𝖶𝖤𝖱𝖲. | 𝙎𝘼𝙈𝙍𝘼. + BEARBEITUNG Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt