𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚉𝚠𝚎𝚒𝚞𝚗𝚍𝚏𝚞̈𝚗𝚏𝚣𝚒𝚐

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Drei Tage vor dem Unfall:

»Bitte lass uns darüber reden, Em!«, brüllte Julian mir auf dem Schulhof nach. »Und wenn ich gar nicht mehr reden will?«, zickte ich zurück. Mir reichte es gewaltig. Es konnte doch nicht sein, dass mir jeder seine Hilfe anbot und mich dann links liegen ließ, wenn ich sie beanspruchte.

Dann stand ich das lieber allein durch.
Das Problem war nur, dass ich Julian nicht zurückweisen konnte. Meine Gefühle drehten mit mir durch.

»Em«, sprach Julian leise zu mir, als er bei mir angekommen war und ich hielt inne. »Na schön. Wir reden Freitag. In drei Tagen!«

Gegenwart:

Eigentlich habe ich keine Lust, mit irgendjemandem mehr zu reden. Es erzählt mir doch sowieso jeder etwas anderes. Ich wette, wenn ich meine Oma anriefe, hätte sie nochmal eine ganz andere Geschichte für mich parat.

Vielleicht war es deswegen nicht die beste Idee, mich ausgerechnet mitten in Northbrook in ein öffentliches Café zu setzen, aber ich brauche unbedingt Schokolade und hier kann ich fremde Menschen beobachten, auch ohne mich mit ihnen zu unterhalten.

Gedankenverloren rühre ich in meiner inzwischen abgekühlten Schokolade herum und lasse mir mein drittes Stück Kuchen von der netten Kellnerin bringen, als sich mir jemand gegenüber niederlässt.
Warum wundert es mich nicht, dass Blake mich sogar hier aufspürt?

»Hi!«, spricht er mich an. Ausgerecht er ist die letzte Person, der ich in meinem Leben eigentlich je wieder begegnen will.

Ich antworte nicht, sondern starre weiterhin in meinen Kakao. Die Schokostückchen lösen sich nur langsam auf, weshalb ich ab und zu mit dem kleinen Löffel nachhelfe.

Mein Appetit auf den Apfelstrudel, der vor mir liegt und mir vielversprechend zulächelt, ist nun vergangen.

»Ich habe gar nicht mit dir hier gerechnet, aber dann habe ich dich so deprimiert gesehen und dachte mir, ich spreche dich mal an, obwohl du mich wahrscheinlich immer noch hasst!«

Aufgrund dieser Aussage reiße ich überrascht den Kopf hoch. Kaum kann ich glauben, dass Blake mich mal nicht so anzüglich anlächelt wie sonst auch, sondern anscheinend wirklich so aussieht, als mache er sich Sorgen. Na klar, als entspreche das der Wahrheit, nachdem, was ich gehört habe. Verdammt, ich sollte viel wütender sein und vermutlich auch ängstlicher.

Sein Blick trifft auf meinen und ich frage mich, ob das gerade der Blake ist, von dem Mom die ganze Zeit spricht. Ich verfalle aus meiner Trance und wende schnell den Blick ab.

Blake schauspielert wie ein Nobelpreisträger.

»Lass mich in Ruhe, Blake. Bitte«, murmle ich kaum hörbar, doch Blake bewegt sich kein Stück. Er legt seine Hände gefaltet vor sich auf den Tisch und wartet, bis ich ihn ansehe. Dann zieht er wartend die Augenbrauen hoch.

Ich seufze leicht. »Was? Du wartest doch nur darauf, mir noch eine Lüge aufzutischen!«, werfe ich ihm vor. Dabei weiß er nicht, dass ich mittlerweile über unseren kleinen Unfall Bescheid weiß.

»Es ist egal, was ich sage. Du bist ein Sturkopf, Em. Wenn du einmal eine Meinung hast, dann änderst du sie auch nicht mehr.«

Dazu brauche ich allerdings erst einmal eine gescheite Meinung von irgendwas. Ich weiß nämlich nicht, ob ich ihn ohrfeigen soll oder schreiend wegrennen soll. Dabei wüsste ich gerne seine Stellung zu... naja, damals.

»Was ist denn deine Meinung?«, fragt er jetzt auch noch.
»Dass du ein Arsch bist. Es ist alles bloß deine Schuld!« Amüsiert zuckt Blake mit den Schultern, während sich meine Gesichtszüge hart verkrampfen. Er sieht, dass ich deutlich mit etwas zu kämpfen habe und zieht daraus einen Vorteil.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now