𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝙰𝚌𝚑𝚝𝚞𝚗𝚍𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐

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Drei Jahre vor dem Unfall:

Hustend und fiebernd lag ich auf der Couch. Meine Mom versuchte seit einer Stunde einen Termin bei einem Arzt zu bekommen. So schlimm ging die Grippewelle noch nie rum.

»Emischatz, es gibt einen neuen Arzt in der Stadt. Sein Name ist Doktor Roland. Er ist Allgemeinmediziner und betreut gleichzeitig einige Patienten im Krankenhaus. Wir können später zu ihm!«
Doktor Roland, hm? Klingt doch ganz nett.

Gegenwart:

Zuhause bin ich aus weiß Gott irgendeinem Grund todmüde und beschließe kurzerhand mich für zwanzig Minuten hinzulegen. Aus meiner Therapie weiß ich, dass Überforderungen starke Belastungen sein können. Umgehend soll ich mich dann schonen und versuchen einen klaren Kopf zu bekommen. Angesichts meiner derzeitigen Lebenssituation wird das wohl eine echte Herausforderung für mich.

Mein Bett lockt mich schon beim ersten Schritt in das Zimmer zu sich und ich verzichte auf andere Kleidung oder Ordnung und schmeiße alle Schulsachen und meine Strickjacke auf den Boden.

Nicht oft gibt es einen Tag, an dem sich vor dem Einschlafen keine Schuldgefühle durch mein Gewissen fressen und ich ausnahmsweise mal über nicht viel nachdenken muss. Heute ist einer dieser Tage.

Ich stelle mir einen Timer für eine halbe Stunde und kuschle mich in drei verschiedene Kissen ein.

Doch bevor ich in einen wirklichen Schlaf fallen kann, klingelt mein Timer auch schon wieder und die halbe Stunde kommt mir wie zwei Minuten vor.

Am liebsten würde ich den Nerv tötenden Ton abstellen und mich auf die andere Seite drehen, doch der Wecker hat seinen Grund.

Meine Mutter hat heute dieses geheimnisvolle Treffen mit meinem Arzt und weil sie am Wochenende kein einziges Wort darüber verlor, finde ich das sehr verdächtig. Und im Moment kann ich nicht genug wissen.

Also raffe ich mich auf, streife einen schwarzen Kapuzenpulli über, obwohl es draußen erstickend heiß ist, und haste nach unten.

Perfekt. Mom hat gerade das Grundstück mit dem Auto verlassen. Jetzt brauche ich bloß noch eine Fahrgelegenheit. Mir ist gleich bei meinem ersten Besuch in der Praxis aufgefallen, dass hinter dem Haus ein schmaler Pfad zum großen Park in der Stadt führt.

Das ist meine Chance. Mit dem Fahrrad dort entlangzufahren, dürfte ungefähr genauso lange dauern, wie Mom auf der Hauptstraße brauchen wird.

***

Meine Beine schmerzen schon nach fünf Minuten und ich komme zu der Erkenntnis, dringend mehr Sport machen zu müssen. Leider bleibt mir dafür nur wenig Zeit, wenn ich meine eigene Mutter verfolgen muss.

Nach einer viertel Stunde fühlt es sich an, wie bei einem Marathon und ich kippe beim Absteigen fast um vor lauter Anstrengung. Mein Gott, wann ist das denn passiert?

Kopfschüttelnd parke ich das alte Klappergestell (bei dem Gedanken muss ich an Jacob denken und schmunzeln) bei den Fahrradständern ab und sehe mich auf dem Parkplatz um.
Verdammt.

Meine Mutter ist bereits hier. Mit der Kapuze auf dem Kopf und den Haaren darunter schwitze ich noch mehr als mit dem Gegenwind auf dem Fahrrad.

So erbärmlich wie jetzt bin ich mir noch nie vorgekommen. Ich schleiche wie eine FBI Agentin durch die Drehtür in den Empfangsbereich und spitze aufmerksam die Ohren. Ob ich als Kind oft so etwas gespielt habe? Detektiv oder so?

Lange brauche ich nicht, um meine Mutter zu finden. Allerdings traue ich meinen Augen nicht. Doktor Roland und sie wirken erschreckend geheimnisvoll. Und ich habe mir erhofft, meine Mutter habe einfach selbst einen Kontrolltermin.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now