𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚂𝚒𝚎𝚋𝚎𝚗𝚞𝚗𝚍𝚣𝚠𝚊𝚗𝚣𝚒𝚐

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Ein Jahr vor dem Unfall:

Nach dem Cheerleadertraining ziehen wir uns alle schnell um. Die Mädels und ich wollen heute Abend was essen gehen und dann zu einem der Basketballer auf die Party.

»Das wird super!«, schwärmt Amy und perfektioniert ihren Lippenstift im Spiegel. »Gehen wir dann direkt zusammen zur Party?«, erkundigte sich Lauren nach der Planung. »Ich denke ich komme mit Blake nach«, verkündete ich und zog ein frisches T-Shirt über.

Etwas genervt rollte Lauren mit den Augen. »Der Gastgeber hasst es aber, wenn Leute zu spät kommen!«, erinnerte sie mich, doch bevor ich etwas erwidern konnte, mischte sich Amy wieder ein. »Was hat Emilia schon zu befürchten? Sie ist doch das beliebteste Mädchen der Schule.«

»So würde ich das jetzt nicht behaupten«, schüttelte ich lachend den Kopf.
»Komm schon, du weißt genau, dass es stimmt.«

Gegenwart:

»Das machen die immer«, kommentiert Julian das Verschwinden der anderen aus unserer Gruppe. Es sind die ersten Worte, die er direkt an mich richtet. Sie klingen monoton und nicht gerade vielversprechend, aber ich kann nicht anders als mich zu ihm umzudrehen.

Zu meinem Erstaunen sitzt er nicht mehr angelehnt an den Schließfächern, sondern steht mit großem Abstand zu mir auf den Beinen.

»Und... und was machen wir jetzt?« Warum verunsichert er mich immer so? Ich hasse es, dass ich so auf ihn reagiere. Kann man das irgendwie abstellen?

»Naja, sieht aus, als macht keiner die Aufgaben.« Einen Schritt kommt er mir näher.
Ich schlucke. »Irgendwer muss es doch machen!«, entgegne ich.
Ein weiterer Schritt.
»Ja und?«
Drei Schritte.

»Mister Husher hasst mich sowieso schon. Ich mache nur noch einen schlechteren Eindruck, wenn-«
Vier Schritte. Jetzt reagiere ich und gehe instinktiv zwei Schritte zurück.

»Wenn was? Ohne die anderen können wir die Präsentation sowieso nicht halten!«
Da ist was dran.

Noch einen Schritt kommt er mir näher und steht somit unmittelbar vor mir. Ich drehe mich leicht zur Seite. »Warum bist du so?«, platzt es aus mir heraus.

Sein Blick trifft meinen und als ich beim nächsten Schritt nach hinten gegen die Schließfachtüren stoße, hat Julian mich in seinem Bann. Er vollendet den letzten Schritt, der noch zwischen uns liegt und ich muss meinen Kopf heben, um seinem Blick Stand zu halten.

»Verdammt, Em. Ich kann mich einfach nicht von dir fernhalten!«, gesteht er mir und platziert seine Hände direkt neben mir auf Höhe meiner Hüften. Mein Atem geht automatisch schneller.

Warum ich das sage, was als Nächstes aus meinem Mund kommt, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht, weil es die Wahrheit ist und ich es wirklich will. Oder ganz einfach, um meinen Eltern und Blake eins auszuwischen. Es kann allerdings auch sein, dass ich einfach nicht mehr klar denken kann, weil Julian mich so ablenkt.

»Dann tu es nicht!« Ich bringe Julian zum Schmunzeln und er weiß, dass er erreicht hat, was er wollte: Mich endgültig aus der Bahn zu werfen und alle anderen reden zu lassen, was sie wollen. Ich konzentriere mich nur auf ihn.

Kaum kann ich glauben, dass ich vorher schon so empfunden habe, denn es scheint mir unmöglich, dieses Gefühl je zu vergessen. Aber die Kraft eines schleudernden Autos unterschätze ich wohl.

Während Julian den Spalt zwischen uns überwinden will, stoße ich unabsichtlich gegen eines der unteren Schließfächer und die Tür springt auf.

Erschrocken springe ich zur Seite - direkt in Julians Arm hinein.
Aus dem überfüllten Fach fallen Blätter und Hefte auf den Boden unter uns.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Onde histórias criam vida. Descubra agora