𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚂𝚎𝚌𝚑𝚜𝚞𝚗𝚍𝚍𝚛𝚎𝚒𝚜𝚜𝚒𝚐

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Ein Jahr vor dem Unfall:

»Was bin ich froh, wenn wir aus dieser blöden Schule raus sind!«, nörgelte Jo beim Training und ich stimmte ihr nickend zu. Ein letztes Jahr stand uns noch bevor und dann waren wir endlich frei.

Was wir alles tun konnten! All die Möglichkeiten, die uns vor den Füßen lagen!

»Wir werden die Zeit unseres Lebens haben. Das werden Erinnerungen, die wir nie vergessen!«

Gegenwart:

»Und, wie war Bio eigentlich?«, fragt Jo und erschreckt mich zu Tode, als ich mich gerade auf den Monitor unserer Schule konzentriere, der alle Vertretungen anzeigt. Leider fallen alle Kurse aus, nur meiner nicht. Ich glaube meine Lehrerin in Spanisch war noch nie krank.

»Ähm, ganz okay, denke ich!«, gebe ich wage zur Antwort. Ich habe seitdem eigentlich kaum noch daran gedacht, bei all den anderen Sachen, die gerade bei mir vorgehen.

»Hat Mister Husher dir schon deine Note gesagt?«
»Nein. Die bekomme ich bestimmt später!« Meine Aufmerksamkeit für Jo hält sich in Grenzen, was mir irgendwie leidtut.

Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich sie in letzter Zeit vernachlässige. Auch wenn ich weiß, dass es nicht so ist, und dass sie, egal in welcher Situation, meine beste Freundin ist, fühle ich mich schuldig.

Während ich mich ständig nur um mich kümmere, achte ich gar nicht mehr auf ihr Leben. Fragen kann ich aber auch nicht, weil mir die Worte auf der Zunge liegen, mit denen ich ihr von Julian erzählen will.

Weil ich aber nicht egoistisch sein will, lasse ich sie reden, während wir zum Unterricht schlendern.

»Meine Mom und mein Dad haben sich diesen Sommer wirklich selbst übertroffen! Rate mal, wo wir hinfliegen!«, freut sie sich und ich verziehe ahnungslos das Gesicht.
»Keine Ahnung, Miami?«

»Paris!«, strahlt sie und ich drehe mich erstaunt zu ihr. »Wow, Jo! Wie cool ist das denn bitte?«, freue ich mich für sie. »Ich weiß! Ich wollte schon immer mal nach Frankreich und meine Eltern meinten, dass es quasi ein Geschenk dafür ist, dass ich mit der Schule fertig bin! Das ist so der Wahnsinn!«, schwärmt sie und ich nicke dauerhaft.

Eigentlich frage ich mich nur, ob ich auch schon mal in Frankreich war und wenn ja, wie es mir gefallen hat. Dann denke ich daran, dass meine Eltern sich einen Dreck dafür interessieren, dass ich bald meinen Abschluss habe. Für mich kommt es also nicht in Frage, diesen Sommer wegzufahren.

Vor Bio fängt mich Mister Husher ab und drängt mich zu einem kurzen Einzelgespräch. Wie ich vermutet habe, geht es um meine Bionote.

»Miss Sant. Ich weiß ehrlich nicht, was ich mit ihnen machen soll. Ihre Beteiligung am Unterricht schwankt so sehr wie das Wetter im Frühling!«

Verdutzt sehe ich zu Julians Onkel auf. Dieser reibt sich trübsinnig die Stirn und lässt dann seinen Arm baumeln. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen dieses Jahr eine Note geben soll, nachdem Sie ja auch die wichtigen Übergänge verpasst haben.«

Normalerweise sind die Lehrer ziemlich nachsichtig, wenn es um die versäumte Zeit nach meinem Unfall geht. Vor allem dachte ich das in Biologie.

Immerhin war es mal mein bestes Fach. Zuvor hat mir keiner gesagt, dass Mister Husher Schwierigkeiten hat, mich zu bewerten. Deshalb fällt es mir auch noch viel schwerer zu glauben, was er als nächstes sagt.

»Ich fürchte, ich muss Sie durchfallen lassen, wenn Sie sich nicht noch einmal anstrengen. Ich kann Sie sonst nicht zu ihrer Prüfung zulassen!«
Wie bitte?

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Where stories live. Discover now