𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝙵𝚞̈𝚗𝚏𝚞𝚗𝚍𝚍𝚛𝚎𝚒𝚜𝚜𝚒𝚐

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Fünf Monate vor dem Unfall:

»Was haben deine Eltern für eine Firma?«, hakte ich ungläubig nach. Mir war bewusst, dass Julian manchmal seinen Eltern bei der Arbeit aushalf. Trotzdem hatte ich nie eine Ahnung gehabt, was das überhaupt bedeutete, was er dann tat.

Julian grinste über alle Ohren hinaus.
»Soll ich es dir zeigen?«

Gegenwart:

Julian lehnt an seinem Wagen in der prallen Sonne. Das Licht scheint auf die eine Hälfte seines Gesichts und mit dem halb schrägen Lächeln, das sein Gesicht erfüllt, als er mich erblickt, sieht er nahezu perfekt aus.

Nach dem heutigen Tage werden wir, oder besser ich, die Entscheidung treffen müssen, wie es endgültig mit uns weitergeht.

Es ist so einiges passiert zwischen uns, aber reicht das aus, um zu riskieren, dass ich noch mehr verliere, als ohnehin schon verloren ist? Wäre es besser, Julian nur als einen Freund zu sehen, um mich selbst und ihn zu beschützen? Könnte ich das überhaupt?

Julian drückt sich von der Motorhaube ab und kommt unerwartet schnell auf mich zu. Wir haben uns noch nie zur Begrüßung umarmt, weshalb ich einen kurzen Moment brauche, um seine kräftige, beschützende Umarmung zu erwidern, die er mir schenkt.

Aus Gewohnheit schließe ich die Augen und werde augenblicklich in eine andere Zeit katapultiert. Eine Zeit, in der uns niemand prüfende Blicke zu wirft, in der wir einfach für uns sind.

Viel zu schnell lässt er mich wieder los und lächelt mich halbherzig an. Mir kommt seine Reaktion aus Biologie wieder in den Sinn. Ihm geht es genauso mies wie mir. Er möchte mir ja alles anvertrauen, aber er kann es einfach nicht.

Ich steige auf der anderen Seite ein. Sofort schaltet sich das Radio ein und meine Laune steigt erheblich, als ich zu dem Lied summe. Julian bemerkt meine Reaktion und dreht die Musik lauter.

Es dauert keine zehn Sekunden, da singen wir beide lauthals mit und lachen über jeden schiefen Ton, als wir auf die Hauptstraße abbiegen.

Die Autofahrt dauert viel länger, als sie sich anfühlt. Wir hören den Musiksender in Dauerschleife und ich entdecke meine Liebe für einige neue Lieder. Eigentlich bin ich gar nicht so musikalisch, aber es macht Spaß, die Musik wirklich zu verstehen.

In meinem Bauch breitet sich Wärme aus und nach allem was passiert ist, habe ich eigentlich nicht wirklich einen Grund zu lachen. Jetzt aber kann ich einfach nicht aufhören zu grinsen.

Nach fast einer Stunde Fahrt kommen wir in Chicago an. Mir war gar nicht bewusst, wie groß die Stadt ist. Ich war noch nie an solch einem Ort mit meinem neuen Gedächtnis. Überall sind Taxen und Menschenmassen, bei denen mir übel wird. Das ist so viel anders als bei uns zu Hause in Northbrook.

Julian fährt fast schon wie gewohnt in Richtung Stadtzentrum. Unwillkürlich frage ich mich, ob er hier wohl öfter ist.

Wir parken direkt neben einer Straße voller schicker Boutiquen, bei deren Anblick ich den Mund nicht mehr zu bekomme. »Was machen wir hier?«, frage ich Julian beim Aussteigen. »Shoppen!«, sagt er stolz. »Wofür?«

»Den Abschlussball!« Sofort drehe ich mich zu Julian um, der um den Wagen auf mich zu läuft. »Welcher Abschlussball?«, interessiert mich seine Aussage.

Er schmunzelt. »Unser Abschlussball. Hast du etwa die ganzen Plakate in der Schule nicht bemerkt?« Ich schüttle nachdenklich den Kopf. Die sind mir überhaupt nicht aufgefallen.

Vielleicht aber auch nur, weil ich nicht drauf geachtet habe. Dabei macht es sogar Sinn. Schon nächste Woche sind wir total im Schulstress, bis dann in vier Wochen vor den Sommerferien der Abschlussball ist.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~حيث تعيش القصص. اكتشف الآن