𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕 𝚂𝚒𝚎𝚋𝚎𝚗

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Acht Wochen vor dem Unfall:

Morgen war Jo's Geburtstag und ich hatte mehr als keine Lust darauf. Ich wusste ich würde nicht drum herum kommen, immerhin schuldete ich es Jo, als ihre beste Freundin.

Dennoch war ich mir jetzt schon sicher, dass es ein totales Desaster werden würde.
Für den Abend würde eine Menge Alkohol benötigt werden, um ihn ansatzweise zu überstehen.

Gegenwart:

Ich habe Julian erst einmal in meinem neuen Leben gesehen. Und es macht mir Angst, nicht zu wissen, was davor geschehen ist. Mir kommt ständig der Gedanke, ob er nicht auch etwas mit all dem hier zu tun hat, denn seit er letztens unser Haus gestürmt hat und wenig später Blake wieder bei uns aufkreuzte, ziert sich Simon vor jeglichem Kontakt. Er diskutiert lange mit Magrit und Paul und denkt, ich bekäme nichts davon mit, dabei...

Heftig stoße ich mit jemandem zusammen, als meine Gedanken lauter sind als der Lärm um mich herum.

»Entschuldigung, ich«, beginne ich, doch kann den Satz nicht richtig beenden, ohne in eine Schockstarre zu verfallen. Julian steht direkt vor mir und versperrt mir den Weg. Wenn man vom Teufel spricht...

Mein Arm fängt aufgrund des Zusammenpralls wild zu pochen an, doch ich ignoriere es gekonnt.

»Hi«, stoße ich hervor. Was soll ich auch sonst sagen? Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, fühlte es sich wie eine schlimme Magen-Darm-Grippe an. Auch jetzt ist es nicht anders.

»Em!« Sein Blick sucht meinen. Vom Gefühl her meine ich sagen zu können, dass er das komplette Gegenteil von Blake ist. Seine Augen sind überfüllt mit Emotionen. Er reißt mich so sehr in seinen Bann, dass wir uns bloß stumm gegenüberstehen.

Keiner von uns weiß so richtig, was er sagen soll. Sein Blick wandert zu meinem Arm, den ich mir schützend vor den Bauch halte.
»Was machst du hier?«, fragt er höflich, ich sehe aber genau, dass er schlucken muss. Was hat es bloß mit diesem Kerl auf sich?

»Also ich... Julian, du...« Sein Name aus meinem Mund lässt ihn erstarren. Plötzlich habe ich das seltsame Gefühl, ihm näher treten zu wollen. Ich will nicht, dass die ganze Straße davon Wind bekommt, wie wenig ich über meinen Gegenüber weiß. Er scheut sich nicht vor der Nähe.

»Dir ist bewusst, dass ich keine Ahnung habe, wer du bist?« Zögernd sehe ich ihm wieder in die Augen. Die Sonne scheint so sehr, dass ich bloß mit zugekniffenen Augen erkennen kann, dass er wieder schluckt und dann langsam nickt.

»Gut. Also ich meine nicht gut. Aber gut, dass dir das klar ist, weil, naja... manchmal habe ich das Gefühl, niemand versteht den Ernst der Lage, also, ich wurde hier einfach in irgendetwas reingeworfen und habe von nichts eine Ahnung und-«

Ich muss mich zwingen, den Mund zu halten. Was rede ich denn da für einen Quatsch? Wow, das ist mir echt unangenehm.

»Em!« Julian greift nach meiner Hand. Kurz zucke ich zusammen und er nimmt sie wieder weg. Das war gar nicht meine Absicht gewesen.
»Ich erkläre dir alles, was du willst!« In diesem Moment könnte ich Julian um den Hals fallen. Das ist einmal eine gescheite Antwort.

Erleichtert atme ich die angehaltene Luft aus.
Er lächelt. Es ist ein zartes, kurzes Lächeln, aber wow. Der Typ hätte echtes Modelpotential.

»Danke!« Wahrscheinlich ist das das ernstgemeinteste Wort seit langem.
Kurzfristig beschließe ich, die Reha zu schwänzen, wobei ich mir für einen kurzen Moment ziemlich sicher bin, dass die alte Emilia sich das nie getraut hätte.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, führt Julian mich zu einer Bank in der Nähe des Parks. Schweigen umhüllt uns und wieder kommt diese unangenehme Übelkeit in mir auf. Ich weiß einfach nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll, schiebe es aber ganz schnell auf meine verlorenen Erinnerungen.

𝙻𝚘𝚜𝚝 𝙼𝚎𝚖𝚘𝚛𝚒𝚎𝚜 ~ 𝙼𝚢 𝚆𝚊𝚢 𝙱𝚊𝚌𝚔 𝚃𝚘 𝚈𝚘𝚞 ~Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum